Perowskit-Tandemsolarzelle mit 29,15 Prozent

Rekord-Wirkungsgrad – einzigartige Rekordjagd in 12 Jahren – bald 30%?

Im Rennen um immer höhere Wirkungsgrade von Solarzellen liegt ein HZB-Entwicklungsteam wieder vorne. Einer Medienmitteilung zufolge haben Gruppen von Steve Albrecht und Bernd Stannowski eine Tandemsolarzelle aus den Halbleitern Perowskit und Silizium entwickelt, die 29,15 Prozent des eingestrahlten Lichts in elektrische Energie umwandelt. Dieser Wert ist offiziell durch das CalLab des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) zertifiziert. Damit ist die Überwindung der 30% Effizienz-Marke in greifbare Nähe gerückt.

Sonne über Berlin - Foto © Agentur Zukunft für Solarify

Sonne über Berlin – Foto © Agentur Zukunft für Solarify

Während Silizium insbesondere die roten Anteile des Sonnenlichts in Strom umwandelt, nutzen Perowskit-Verbindungen vor allem die blauen Anteile des Spektrums. Eine Tandemsolarzelle aus Silizium und Perowskit schafft dadurch deutlich höhere Wirkungsgrade als jedes Einzelmaterial für sich genommen.

Prof. Steve Albrecht, der am HZB eine vom BMBF geförderte Nachwuchsgruppe leitet, und Prof. Bernd Stannowski vom HZB-Institut PVcomB haben zusammen bereits mehrfach für neue Rekordwerte von monolithischen Tandemsolarzellen gesorgt. Ende 2018 stellte das Team eine Tandemsolarzelle aus Silizium mit einem Metall-Halogenid-Perowskit vor, die 25,5 Prozent Wirkungsgrad erreicht. Dann verkündete die Firma Oxford PV einen Wert von 28 Prozent und nun kann das HZB-Team den nächsten Rekord melden.

Neuer Rekordwert zertifiziert und eingetragen

Der Wert von 29,15 Prozent ist vom CalLab des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) zertifiziert und erscheint nun auch in den NREL-Charts. Diese Grafik, die vom National Renewable Energy Lab (NREL), USA, herausgegeben wird, verzeichnet die Entwicklung der Wirkungsgrade für nahezu alle Solarzell-Typen seit 1976. Perowskit-Verbindungen sind erst seit 2013 mit eingezeichnet – Der Wirkungsgrad dieser Materialklasse ist seitdem so stark gestiegen wie für kein anderes Material.

12jährige Rekordjagd

  • Zwischen 2006 und 2008 setzten japanische Forscher Perowskit als Rohmaterial in Zellen ein und erreichten damit einen (enttäuschenden) Wirkungsgrad von 0,4 bis 2 Prozent.
  • Doch schon kurz darauf gelangen ihnen 3,5 Prozent.
  • Im September 2013 berichteten Forscher um Henry Snaith von der Oxford University, dass ihnen mit ihrer Perowskitvariante unter simuliertem Sonnenlicht im Labor ein Wirkungsgrad von etwa 15 Prozent gelang.
  • Im gleichen Jahr erreichte eine Arbeitsgruppe um Michael Grätzel an kleinen Prototypen unter Laborbedingungen ebenfalls Wirkungsgrade von 15 %.
  • Anfang 2014 konnte unter Laborbedingungen ein Wirkungsgrad von – offiziell unbestätigten – 19,3 % erreicht werden.
  • Im September 2016 erreichte der Prototyp eines Tandem-Dünnschicht-Solarmoduls aus Perowskit und CIGS 17,8 Prozent Wirkungsgrad.
  • Mitglieder der Berlin-Potsdamer Graduiertenschule HyPerCells entwickelten im August 2017 Perowskit-Dünnschichtsolarzellen mit einem Rekordwirkungsgrad von 21,1 Prozent.
  • Im gleichen Jahr gelang es Schweizer Forschern, die Effizienz auf mehr als 22 Prozent zu steigern.
  • Im Juni 2018 beschrieb eine Forschergruppe um Florent Sahli von der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne (Polytechnische Hochschule – EPFL) in nature materials einen Perowskit-Tandemsolarzellen-Weltrekord. Er betrug 25,2 %, hielt aber nur 11 Tage.
  • Im Juli 2018 wurden dann 27,3 % erreicht.
  • Ende 2018 stellte das HZB-Team eine Tandemsolarzelle aus Silizium mit einem Metall-Halogenid-Perowskit vor, die 25,5 Prozent aufwies.
  • Kurz darauf meldete Oxford PV einen Wert von 28 Prozent.
  • Am 12.09.2019 präsentierten HZB-Forscher einen neuen Weltrekord für eine Tandem-Solarzelle – sie kombinierten Perowskit und CIGS und erreichten einen zertifizierten Wirkungsgrad von 23,26 Prozent (für diese Materialkombination noch immer der aktuelle Weltrekord).
  • Am 3.12.2019 teil das Fraunhofer ISE mit, Perowskit-Tandemsolarzellen aus mehreren lichtabsorbierenden Schichten könnten Wirkungsgrade von mehr als 35 % erreichen.
  • Am 29.01.2020 meldet das HZB 29,15 Prozent.

(Diese Zusammenfassung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit; auch handelt es sich oft um unterschiedlich zusammengesetzte Materialien – S_Y.)

„Wir haben für die Rekordzelle in Zusammenarbeit mit der Gruppe von Prof. Vytautas Getautis (Kaunas University of Technology) eine spezielle neue Kontaktschicht entwickelt und eine weitere Zwischenschicht optimiert“, erklären Eike  Köhnen und Amran Al-Ashouri, Doktoranden in der Gruppe von Albrecht. Durch die neue Kontaktschicht konnte zudem im HySPRINT-Labor des HZB die Komposition der Perowskitverbindung weiter angepasst werden, so dass diese in der Tandemsolarzelle unter Beleuchtung stabiler ist und noch besser zum Stromgleichgewicht beiträgt. Die Silizium-Unterzelle stammt aus der Gruppe von Stannowski und enthält eine spezielle Siliziumoxid-Mischschicht zur optischen Kopplung beider Einzelzellen.

Aufskalieren möglich – bald 30 Prozent überschritten?

Alle Prozesse, die zur Realisierung dieser Quadratzentimeter-Zelle verwendet wurden, sind im Prinzip auch für große Flächen geeignet. Erste Versuche mithilfe von Vakuumprozessen waren bereits sehr erfolgreich. Die  praktisch-realistische Grenze für den Wirkungsgrad von Tandemzellen aus Silizium und Perowskiten liegt bei ca. 35 Prozent. Als nächstes will das HZB Team die 30 Prozent Effizienz-Barriere überwinden. Erste Ideen dafür liegen bereits vor, erklärt Albrecht.

Hintergrund:

Steve Albrecht leitet die Nachwuchsgruppe Perowskit-Tandemsolarzellen und ist Juniorprofessor an der TU Berlin. Er forscht an dem organisch-anorganischen Material Perowskit, das eine der größten Überraschungen in der Solarzellenforschung ist: In nur sechs Jahren hat sich der Wirkungsgrad von Perowskit-Solarzellen verfünffacht, darüber hinaus können Perowskit-Schichten aus Lösung hergestellt und in Zukunft kostengünstig auf großer Fläche gedruckt werden.

Albrechts Team hat in Zusammenarbeit mit weiteren Gruppen aus dem HZB bereits mehrfach Weltrekorde für Tandemsolarzellen aus Perowskit in Kombination mit anorganischen Halbleitern gemeldet. Im September 2019  stellten sie eine Tandemsolarzelle aus CIGS und Perowskit vor, die den zertifizierten Wirkungsgrad von 23,26 Prozent erreichte. Außerdem haben Sie in 2019 eine Industrie-relevante Perowskit/PERC Solarzelle mit einem großen PV Industriepartner entwickelt.

Steve Albrecht hat bereits mehrere große Preise für seine Arbeit erhalten; Ende 2019 wurde er mit dem Nachwuchspreis des Berliner Wissenschaftspreises ausgezeichnet, der mit einem Preisgeld von 10.000 Euro verbunden war. (arö)

->Quellen: