Klimapaket der Bundesregierung verfehlt Ziele – Frage: wie weit?

Watsch’n für Scheuer

Vor allem für einen bedeuten diese Resultate eine schallende Watschn (bayrisch für Ohrfeige): Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Er muss sich von Kabinettskollegin Svenja Schulze (Umwelt, SPD) und gar von Unionsfreund Peter Altmaier (Wirtschaft, CDU), vorrechnen lassen, dass die fast 50 von seinem Haus vorgeschlagenen Maßnahmen bei weitem nicht ausreichen, um den Treibhausgas-Ausstoß des Verkehrs auch nur in die Nähe des vereinbarten Niveaus zu bringen.

Scheuers gute, an Selbstbeschwörung gemahnende Vorsätze am 05.03.2020 auf der BMVI-Webseite werden denn auch kaum alle überzeugen: „Unser Klimapaket muss wirken. Deswegen beobachten wir auch sehr genau, ob wir mit den bisherigen Maßnahmen die Klimaziele bis 2030 erreichen oder davon abweichen könnten. Daher sieht das Klimapaket auch ein strenges Monitoringverfahren vor. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass wir noch deutlich mehr Dynamik brauchen. Klimaschutz ist ein laufender Prozess und unsere Überlegungen sind mit dem Klimapaket noch lange nicht abgeschlossen. Auch europaweit müssen wir das Thema stärker in Angriff nehmen. Dazu gehören Themen wie eine verbindliche Beimischquote von nachhaltigem Kerosin in der Luftfahrt, ein dichtes Lade- und Tanknetz für Fahrzeuge mit alternativen Antrieben und der Ausbau des Bahnangebots zwischen den europäischen Metropolen. Klar ist, wir haben noch viel zu tun und dürfen nicht nachlassen.“

Schulze: „…zur Ehrlichkeit gehört auch…“

Bundesumweltministerin Svenja Schulze ätzte denn auch, das Klimapaket bringe zwar „deutlich mehr, als viele glauben. Aber zur Ehrlichkeit gehört auch, dass noch weitere Maßnahmen nötig sind, um die noch fehlenden Prozentpunkte zu schaffen. Das Gute ist: In den Bereichen, wo sich die Politik bereits erfolgreich gekümmert hat, liegen wir weitgehend auf Kurs, etwa in der Industrie oder beim Kohleausstieg. Im Verkehrsbereich ist dagegen noch viel zu tun, die neuen Zahlen geben uns hier deutliche Warnsignale und zeigen Handlungsbedarf für das Klimakabinett.“

Klima-Allianz

Dazu Christiane Averbeck, Geschäftsführerin der Klima-Allianz Deutschland: “Die Bundesregierung tut zu wenig um die eigenen Klimaziele einzuhalten und erst recht zu wenig, um die Klimakrise einzudämmen. Die Gutachten zeigen, dass sie auf den Ernst der Lage nicht angemessen reagiert. Besonders peinlich sind die Ergebnisse für die unionsgeführten Ministerien von Andreas Scheuer und Horst Seehofer. Weder beim Verkehr noch bei Gebäuden haben sie ihre Hausaufgaben gemacht. Angesichts dieses Ergebnisses ist besonders brisant, dass die Bundesregierung beim Klimaschutz auch an vielen anderen Stellen blockiert, etwa bei der Abschaffung des Solardeckels und durch die angestrebte Einführung übertriebener Windabstandsregeln, aber auch durch die späte Abschaltung vieler Braunkohlekraftwerke. Bundeskanzlerin Angela Merkel muss nun schnell das Klimakabinett einberufen und dafür sorgen, dass ihre Minister nachsteuern. Dies ist schon allein deshalb nötig, weil die deutschen Klimaziele für das Pariser Klimaabkommen nicht ausreichen und angehoben werden müssen.”

Statement von BEE-Präsidentin Simone Peter: „Glaubwürdigkeit der Bundesregierung [steht] grundsätzlich in Frage“

Dass das Klimapaket der Bundesregierung hinten und vorne nicht für die dringend nötige Minderung klimaschädlicher Emissionen ausreicht, haben Experten lange beklagt. Neu ist, dass jetzt sogar die internen Gutachter der Bundesregierung Nachbesserungen beim Klimaschutz fordern. Die Bundeskanzlerin muss beim Erneuerbaren-Gipfel am 12. März endlich ein Machtwort sprechen und den Ausbau Erneuerbarer Energien beschleunigen, deren Einsatz im Wärme- und Verkehrsbereich umfassend mobilisiert und im Stromsektor fortgesetzt werden muss. Alles andere stellt die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung grundsätzlich in Frage. Umso irritierender ist es, dass die Forderung nach einer pauschalen Abstandsregelung für Windenergie immer noch aufrechterhalten und die Deckel für Photovoltaik, Offshore und flexibilisierte Bioenergie noch nicht abgeschafft sind. Eine vorgeschobene Debatte um die Akzeptanz hilft uns hier nicht weiter. Denn wir können uns weder eine Klimaschutzlücke noch eine Ökostromlücke leisten, sondern müssen gerade angesichts der anstehenden Ratspräsidentschaft zeigen, dass Deutschland Innovationen für den Klimaschutz vorantreibt statt blockiert. Ernst gemeinter Klimaschutz bedeutet: Maßnahmen nachschärfen, den Ausbau der Erneuerbaren wirksam beschleunigen und Sektoren koppeln. Erneuerbare Energien sind der Hebel, um den Strom-, Wärme und Mobilitätssektor klimafreundlich umzubauen.“

Folgt: Greenpeace Klimaexperte Tobias Austrup: „Schockierend ist die Absehbarkeit“