Klimapaket der Bundesregierung verfehlt Ziele – Frage: wie weit?

Greenpeace Klimaexperte Tobias Austrup: „Schockierend ist die Absehbarkeit“

„Das schockierende an diesen Dokumenten des klimapolitischen Scheiterns ist die Absehbarkeit: Jeder wusste, dass etwa die Vorschläge von Verkehrsminister Scheuer hinten und vorne nicht reichen werden. Monate später ist jetzt das Offensichtliche nachgewiesen, und wieder fehlen schnell wirksame Maßnahmen, um CO2 zu sparen. Dieses kaltschnäuzige und rücksichtslose Spiel auf Zeit wiederholt die Union nun schon seit Jahren. Das Klimakabinett muss jetzt umgehend neue Vorschläge vorlegen. Ohne deutliche Nachbesserungen bleibt dieses sogenannte Klimapaket ein offener Affront für alle, die seit Monaten für besseren Klimaschutz demonstrieren. Der Verkehr braucht eine Zulassungssteuer für Spritfresser und ein Auslaufdatum für Diesel und Benziner. Damit die Energiewende wieder vorankommt, muss der Kohlekompromiss tatsächlich 1:1 umgesetzt und die Erneuerbaren Energien endlich wieder ausgebaut statt ausgebremst werden. Eine klimaverträgliche Landwirtschaft wird es nur mit weniger Massentierhaltung geben. Die Zeit klimapolitischer Trippelschritte ist vorbei. Ohne schnelle Fortschritte müssen Maßnahmen künftig weit drastischer ausfallen.“

DUH: Keine Überraschung – Klimapaket der Bundesregierung verfehlt Ziele deutlich

DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner: „Es kommt nicht überraschend, dass das Klimapaket der Bundesregierung das selbstgesteckte Klimaschutzziel für das Jahr 2030 verfehlt. Wir unterstützen aus diesem Grund seit Januar zwei Klimaschutzklagen vor dem Bundesverfassungsgericht. Um das Loch von bis zu 46 Millionen Tonnen CO2 zu stopfen, muss die Bundesregierung noch dieses Jahr ein Sofortprogramm mit kurzfristig wirksamen Maßnahmen vorlegen. Dieses muss vor allem die beiden Problembereiche Verkehr und Gebäudewärme adressieren. Auch bei der Reduzierung der CO2-Emissionen in der Stromerzeugung kann die Bundesregierung sich nicht auf dem Erreichten ausruhen. Der Kohleausstieg kommt zu langsam und zu spät. Er sollte auf das Jahr 2030 vorgezogen werden. Das neue Steinkohlekraftwerk Datteln 4 darf nicht in Betrieb gehen. Da Datteln 4 vor allem Strom für die Deutsche Bahn liefern soll, würde das Ziel eines umweltfreundlichen Fernverkehrs ad absurdum geführt. Stattdessen sollte die Bundesregierung auf klimaneutrale Erneuerbare Energien setzen. Wir benötigen ein konzertiertes Bund-Länder-Programm zum beschleunigten Ausbau der Wind- und Solarenergie. Die unsinnige Abstandsregelung für Windkraftanlagen darf nicht eingeführt werden und der Ausbaudeckel für die Photovoltaik muss umgehend wegfallen.“

Sein Kollege Jürgen Resch: „Es herrscht Klimaschutzalarm im Verkehrsbereich. Die Regierungsgutachten zeigen: Die Maßnahmen im Verkehrssektor genügen nicht. Es muss somit unmittelbar nachgebessert werden. Es ist eine schallende Ohrfeige für Andreas Scheuer, wenn die Gutachten belegen, dass die CO2-Reduktionsziele mit den vorgeschlagenen Maßnahmen im Verkehrssektor nicht erreicht werden. Die Bundesregierung muss nun schnellstmöglich ein Tempolimit auf den Weg bringen, mit dem ein wesentlicher Teil der fehlenden CO2-Einsparungen erzielt wird.“

BUND: Klimapolitisches Versagen mit Ansage

Arne Fellermann, Abteilungsleiter Klimaschutz beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): „Monatelang hat die Bundesregierung ihr Klimapaket geschnürt und im Herbst mit großem Tamtam präsentiert. Jetzt belegen zwei Gutachten: Es ist ein klimapolitisches Versagen mit Ansage. Zwar dürfte der CO2-Ausstoß mit den Maßnahmen insgesamt sinken. Dennoch verfehlen alle Sektoren außer der Abfallwirtschaft demnach ihre Ziele. Besonders der Verkehrsbereich steche heraus – mit einer Lücke von 30 bis 33 Millionen Tonnen, eine Zielverfehlung von fast 50 Prozent. Wäre das Kabinett eine Schulklasse und das Klimapaket eine Gruppenarbeit hieße das: Minister Scheuer, Leistungsverweigerung, ungenügend. Aber auch im Gebäudesektor sieht es offenbar schlecht aus. Hier wie dort werden von der Bundesregierung sogar die selbst gesteckten Ziele verfehlt. Immerhin sollen zumindest Industrie und Energie grob im Plan sein. Für einen wirksamen Klimaschutz muss die Bundesregierung dringend nachsteuern. Es ist peinlich wenn die Bundesregierung, die ab Mitte des Jahres die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, im Klimaschutz hinterherhinkt. Sie muss jetzt nachlegen, um ihre eigenen Ziele zu erreichen.“

DENEFF zu Klimaziellücke: Konsequentere Maßnahmen erforderlich

Die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e. V. (DENEFF) fordert die Bundesregierung auf, zusätzliche und zielgerichtete Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Die Steigerung der Energieeffizienz könne in allen Sektoren, auch kurzfristig, einen Beitrag zum Schließen der Klimaziellücke leisten, so der Verband. Dazu Christian Noll, geschäftsführender Vorstand der DENEFF: „Die Zielverfehlung überrascht uns nicht. Das Klimapaket konnte nur ein erster Schritt sein. Wir fordern die Bundesregierung daher auf, jetzt schnell mit weiteren Maßnahmen gegenzusteuern. Das hilft nicht nur dem Klima, sondern ist auch gut für die Wirtschaft und die Energierechnungen der Bürger.“

Die DENEFF schlage daher unter anderem vor, dass aktuell im Bundestag diskutierte Gebäudeenergiegesetz klar an den Klimazielen auszurichten und bisher geplante Abschwächungen zu streichen. Auch die Bestrafung von Industrieunternehmen für Energiesparmaßnahmen über die Besondere Ausgleichsregelung in EEG und Co. müsse gestoppt werden. Zudem könne eine beschleunigte Abschreibung (AfA) von Effizienzinvestitionen in der Industrie Unternehmen beim Energiesparen helfen. Auch beim CO2-Preis müsse insbesondere bezüglich dessen Umlage in Mietverhältnissen noch nachgesteuert werden, da der Preis hier in seiner bisherigen Ausgestaltung sonst keine Wirkung entfalte. Weitere Maßnahmen sollten die Nutzung der Digitalisierung für einfacheres Energiesparen, die Beseitigung von Barrieren für moderne Energiedienstleistungen, die Erschließung von Abwärmepotenzialen sowie verständlichere Heizkostenabrechnungen und aussagekräftigere Energieausweise umfassen. Da die Energieeffizienzziele bisher unverbindlich sind und deutlich verfehlt werden, fordert die DENEFF weiterhin ein Energieeffizienzgesetz mit einem Paris-kompatiblen Energieeinsparziel. Ein Mechanismus im Klimaschutzgesetz sehe vor, dass 2021 Sofortmaßnahmen eingeleitet werden müssen, falls die Sektoren weiter auf eine Zielverfehlung hinsteuern. „Wenn bisherige Anstrengungen weiterhin nicht ausreichen, muss sich die Bundesregierung möglicherweise über ganz andere, unbequemere Maßnahmen Gedanken machen“, gab Noll zu bedenken.

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