Wasserstoff statt Kohle – grüner Stahl?

E-Hochöfen können klima­neutrale Stahlproduktion ermöglichen

Mehr als 20 Prozent der deutschen Treibhausgase stößt die Industrie aus – jährlich knapp 200 Millionen Tonnen CO2-Äqui­va­lente. Größter Emittent: die energieintensive Stahl- und Eisenbranche. Denn die  Hochöfen der traditionellen Stahlproduktion werden mit Kohle betrieben und stoßen viel CO2 aus. In der Stahl- und Eisenproduktion könnten grüner Wasserstoff und elektrifizierte Prozesse eine klima­neutrale Stahlproduktion ermöglichen. Wie, beschreibt Henning Bartels am 16.03.2020 im neuen BDEW-Magazin Wasserstoff statt Kohle: Wie wird Stahl grün?

Carbon2Chem – altes Stahlwerk Thyssen – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Branchenriese thyssenkrupp wendet derzeit als einziges Stahlwerk an ­einem Standort gleichzeitig zwei CO2-reduzierende Verfahren an:

  1. in einer ­Versuchsanlage in Duisburg die neue Carbon2Chem-Technologie*). Vor Ort werden Hüttengase inklusive CO2 dabei direkt zu neuen Stoffen wie Methanol oder synthetischen Treibstoffen weiterverarbeitet.
  2. Zur Treibhausgasreduzierung bereits während der Produktion will thyssenkrupp die traditionelle Einblaskohle durch Wasserstoff als Reduktionsmittel ersetzen.

Nach Auswertung aller Tests in einem von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen im Rahmen des Programms „IN4climate.NRW“ geförderten Pilotprojekt soll schon 2020 ein erster Hochofen vollständig umgerüstet werden. „Theoretisch ist so ein Einsparpotenzial von rund 20 Prozent CO2 an dieser Stelle des Produktionsprozesses möglich“, erklärt Arnd Köfler, Produktionsvorstand  Thyssenkrupp Steel Europe. Ihm ist bewusst, dass das nur der erste Schritt ist: „Unser Ziel ist eine nahezu CO2-neutrale Stahlerzeugung.“ Dies geht nach heutigem Stand der Wissenschaft über die vollständige Elektrifizierung der – verfahrenstechnisch bedingt – energieintensiven Produktion. Sprich: die komplette Abschaffung der mit fossilen Energieträgern betriebenen Hochöfen.

*) Im Mittelpunkt des Projekts Carbon2Chem steht ein Verfahren, das auf der Basis katalytischer Verfahren Technologien für chemische Synthesen entwickelt, mit denen Hüttengase aus der Stahlproduktion weltweit in marktfähige Chemieprodukte oder synthetische Treibstoffe umgewandelt werden. (Siehe auch: solarify.eu/co2-als-rohstoff-carbon2chem-als-technologie-brueller und zahlreiche weitere Artikel zum Thema Carbon2Chem). Das Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion (MPI CEC) hat das komplexe Projekt, das einen entscheidenden Schritt von der umstrittenen CCS (Carbon Capture and Storage) hin zur CCU (Carbon Capture and Utilization/Use) unternimmt, gemeinsam mit dem BMBF, dem Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT, der thyssenkrupp AG und 14 weiteren Partnern im Rahmen einer Pressekonferenz und mit einer aufwändigen Präsentation am 27.06.2016 im Landschaftspark Duisburg-Nord präsentiert.

Reallabor Wasserstofftechnologien

Thyssenkrupp koordiniert folgerichtig das Projekt H2Stahl im neuen Reallabor „Wasserstofftechnologien zur schrittweisen Dekarbonisierung der Stahlindustrie“ – in bundesweit 20 Reallaboren sollen – so eine BMWi-Medienmitteilung vom 18.07.2020 – Unternehmen künftig zukunftsfähige Energietechnologien, vor allem neue Wasserstofftechnologien im industriellen Maßstab und in realer Umgebung erproben (siehe: solarify.eu/altmaier-wir-wollen-bei-wasserstofftechnologien-die-nummer-1-in-der-welt-werden). Zentrales Thema im Ideenwettbewerb ist CO2-armer Wasserstoff. Die Resonanz auf den „Ideenwettbewerb Reallabore der Energiewende“ habe die Erwartungen weit übertroffen, so Bundeswirtschaftsminister Altmaier. Die am Ende ausgewählten 20 Sieger des Ideenwettbewerbs können in den kommenden Wochen Anträge für Fördermittel stellen. Dafür stellt das BMWi jährlich 100 Millionen Euro zur Verfügung. Um den besonderen Stellenwert traditioneller Energieregionen für das Energiesystem der Zukunft zu unterstreichen, hat das Bundeskabinett in den Eckpunkten für ein Strukturstärkungsgesetz vom 22.05.2019 bereits beschlossen, für Reallabore in Strukturwandelregionen zusätzliche 200 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Damals – im Juli 2020 – hieß es noch aus dem BMWi, die Bundesregierung werde „bis Ende des Jahres“ eine Wasserstoffstrategie beschließen. Die „Reallabore der Energiewende“ seien hierfür ein wichtiger Baustein.

Reallabor H2Stahl

  • Projekt: Reallabor Wasserstofftechnologien zur schrittweisen Dekarbonisierung der Stahlindustrie
  • Thema: Sektorkopplung und Wasserstofftechnologien
  • Land: Nordrhein-Westfalen
  • Fokus: 10.000 m3 pro Stunde Wasserstoffeinblasung in Hochofen und 6,5 km Wasserstoffpipeline
  • Koordinierung: thyssenkrupp Steel Europe AG

Stahl hat das Ruhrgebiet geprägt. Deutschland ist heute der größte Stahlhersteller in der europäischen Union. Hier die Produktion von CO2 zu reduzieren, schafft Wettbewerbsvorteile und leistet einen bedeutenden Beitrag für die Energiewende und für den Klimaschutz. Der Strukturwandel hin zu einem modernen Industriestandort wird unterstützt. Das Reallabor H2Stahl setzt auf Wasserstofftechnologien, um aus Erz Eisen zu gewinnen. Bisher wird für diesen Prozess im Hochofen Einblaskohle verwendet. In einer Übergangsphase soll in den bestehenden Anlagen reiner Wasserstoff beigemischt werden, der den Prozess teilweise dekarbonisiert. Die Betreiber gehen davon aus, dass diese Brückentechnologie CO2-Emissionen um 20 Prozent mindert. Um in späteren Schritten die CO2-Emissionen weiter zu senken, wird parallel erprobt reinen Wasserstoff in einer Versuchsanlage für Direktreduktion einzusetzen.

->Quelle (und kompletter BDEW-Artikel):