EEG-Novelle – Neue Regeln, aber Solardeckel offen

Bundeskabinett beschließt Formulierungshilfe zu EEG-Änderungen

Der lange erwartete Entwurf des Wirtschaftsministeriums will die Auswirkungen der Corona-Krise mittels Fristverlängerungen für Ausschreibungsanlagen mit einem Zuschlag vor dem 01.03.2020 um sechs Monate entschärfen und Ausnahmen für Bürgerwind beenden, enthält aber nichts Neues zum Thema Solardeckel und Abstandsreglungen von Windparks zu Siedlungen. Die Verlängerung der Realisierungsfrist kann nun im Eilverfahren vom Bundestag beschlossen werden. Die ebenfalls eilbedürftige – aber nicht enthaltene – Abschaffung des 52-Gigawatt-Deckels für die Photovoltaik stößt auf heftige Kritik der Grünen, des Bundesverbands Solarwirtschaft und des BDEW. Das berichten erneuerbare energien (Katharina Wolf) und pv magazine (Sandra Enkhardt).

Die Dringlichkeit der Mini-EEG-Novelle begründet das Bundeswirtschaftsministerium mit der Abschaffung des Privilegs für Bürgerenergiegenossenschaften bei den Windkraft-Ausschreibungen. Nicht so eilig scheint es  das BMWI dagegen bezüglich der Streichung des 52-Gigawatt-Deckels zu haben. – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Am 29.04.2020 hat das Bundeskabinett eine Formulierungshilfe aus dem BMWi zur „Änderung des EEG 2017 und weiterer energierechtlicher Bestimmungen“ beschlossen. Damit könnten die Koalitionsfraktionen einen Gesetzentwurf für die geplanten Änderungen aus der Mitte des Deutschen Bundestages einbringen, wie auf dem Protokoll der Kabinettsitzung hervorgeht. Dies wird auch als „Eilverfahren“ bezeichnet, da es schnelle Gesetzesänderungen ermöglicht.

Eile besteht nach Ansicht des BMWi aber nur, weil mit der Mini-EEG-Novelle vor dem 01.07.2020 noch das bisherige Privileg für Bürgerenergiegesellschaften bei den Windkraft-Ausschreibungen entfallen soll. Die Möglichkeit, die Vorlage zu nutzen, um den nahenden 52-Gigawatt-Deckel für die Photovoltaik-Anlagen bis 750 Kilowatt aus dem Gesetz zu streichen, nutzte das Ministerium indes nicht. Zu Wochenbeginn begründete eine Ministeriumssprecherin das gegenüber pv magazine damit, dass zu diesem Thema noch „Abstimmungen“ liefen. Dabei hatte die Bundesregierung bereits im Herbst 2019 bei der Vorlage ihres Klimapakets die Abschaffung des 52-Gigawatt-Deckels zugesagt. Die Abstimmungen beziehen sich daher eher auf die Mindestabstände für Windparks an Land zu Wohnsiedlungen, über die in der Koalition keine Einigkeit besteht. Die Abschaffung des 52-Gigawatt-Deckels wird herbei als Faustpfand genutzt.

Bei Grünen, BSW-Solar und BDEW stößt das Verhalten der Bundesregierung auf Unverständnis. „Die Regierungskoalition gibt in der Energiepolitik ein trauriges Bild ab. Statt einfache Maßnahmen mit großer Wirkung zu beschließen, macht sie nur juristischen Kleinkram“, sagt Julia Verlinden, energiepolitische Sprecherin der Grünen, mit Blick auf die zugesagte, aber ausbleibende Abschaffung des PV-Deckels oder der Erhöhung der Ausbauziele für Offshore-Windkraft. Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW-Solar, forderte bereits vor der Kabinettsentscheidung erneut, endlich den Förderdeckel aus dem EEG zu streichen. „Unsere Branche steht am Abgrund. Zur Vermeidung eines klimapolitischen Super-GAU muss der Solardeckel noch im Mai gekippt werden“, sagte er. Die Geschäftserwartung der Photovoltaik-Unternehmen war bei der jüngsten Umfrage massiv eingebrochen. Der Grund dafür war überwiegend der immer noch bestehende 52-Gigawatt-Deckel, der einen Markteinbruch bei privaten und gewerblichen Photovoltaik-Anlagen zur Folge hätte. Nach Einschätzung von Experten könnte die Marke von 52 Gigawatt bereits im Sommer erreicht werden. Dann würde die Förderung für alle Photovoltaik-Anlagen bis 750 Kilowatt nach derzeit geltendem EEG auf Null sinken.

Auch BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae kann das Vorgehen der Regierung nicht nachvollziehen: „Eine große Chance hat die Bundesregierung leider erneut verpasst: Sie hätte den Gesetzentwurf dazu nutzen müssen, die dringend notwendige Beseitigung des 52-Gigawatt-Deckels für die Photovoltaik endlich umzusetzen“. Sie verwies auf die Bedeutung der Erneuerbaren als wichtigen Wirtschaftszweig. Die dort arbeitenden Menschen in Industrie und Handwerk dürften gerade in der derzeitigen wirtschaftlichen Lage des Landes „kein Spielball energiepolitischer Auseinandersetzungen“ sein.

Carsten Pfeiffer, Leiter Strategie & Politik des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (bne) sagte pv magazine, es sei „unverantwortlich, dass der 52-Gigawatt-Deckel in dieser Mini-EEG-Novelle offenbar nicht mitgestrichen werden soll“. Bei der Solarbranche lasse die Bundesregierung damit fahrlässig ein Anti-Konjunktur-Programm weiterlaufen.

BWE-Geschäftsführer Wolfram Axthelm erteilte grundsätzlich bundesweit einheitlichen Regelungen für Abstände eine Absage. Die Bundesländer könnten Regelungen unter Berücksichtigung der jeweiligen Siedlungsstruktur und topografischen Gegebenheiten treffen und hätten dies auch getan. „Eine bundeseinheitliche Vorgabe braucht es nicht.“

Bürgerenergiegenossenschaften dauerhaft ohne Privilegien

Zudem werden Privilegien für Bürgerenergiegenossenschaften dauerhaft gestrichen. Sie hatten ursprünglich ohne Genehmigung nach Bundesimmissionsschutzgesetz an den Ausschreibungen teilnehmen dürfen. In der Folge hatten in den ersten Auktionsrunden nahezu ausschließlich Bürgerwindprojekte den Zuschlag bekommen, die angesichts fehlender Genehmigung und verlängerter Realisierungsfristen die Ausbaukrise der Windkraft verschärften. Dieses Privileg war zwar bereits ausgesetzt worden, soll aber nun dauerhaft gestrichen werden. Hier ist Eile geboten, denn zum Ausschreibungsterminim Juli 2020 würde ohne neue Maßnahmen die ursprüngliche Regelung für Bürgerwind wieder gelten.

Gleichzeitig will das Bundeswirtschaftsministerium große Stromverbraucher weiterhin von der EEG-Umlage entlasten. So soll nach Medienberichten die Frist verlängert werden, zu der stromintensive Unternehmen Anträge und Nachweise für die besondere Ausgleichsregelung einreichen dürfen.

VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing zur geplanten EEG-Novelle:

„Mit diesem Vorstoß sorgt die Bundesregierung für mehr Rechtsicherheit für Unternehmen, die durch die aktuelle Corona-Pandemie die Realisierungsfristen bei Windenergie-, großen Solar- und Biomasseanlagen nicht halten können. Die Bundesnetzagentur hatte in Reaktion auf die Krise bereits die nötige Flexibilität an den Tag gelegt. Der VKU begrüßt, dass die Bundesregierung diese Sofortmaßnahmen gesetzlich flankieren will. Die Fristverlängerung sollte jedoch auch auf die jüngste Ausschreibungsrunde im März 2020 und die noch kommenden Runden ausgeweitet werden. Die Bieter benötigen gesetzliche Klarheit, die über die Ankündigungen und die Verwaltungspraxis der Bundesnetzagentur hinausgeht.

Darüber hinaus greift der Kabinettsbeschluss zu kurz, indem er nur Anlagen im Ausschreibungssystem berücksichtigt. Anlagen in der Festvergütung droht infolge der Corona-Krise die Degression zum Verhängnis zu werden. Mit jedem Monat, die eine Solaranlage später in Betrieb geht, erhält sie nach heutigem Stand 1,4 Prozent weniger Vergütung. Hier muss der Gesetzgeber unterstützend agieren, zum Beispiel indem er die Vergütungssätze für die Dauer der Pandemie auf dem heutigen Niveau einfriert. Positiv ist, dass die Option, ohne Genehmigung der Anlage an den Ausschreibungen für die Windenergie teilnehmen zu können, endgültig gestrichen wurde. Die bisherige Regelung, die für Bürgerenergiegesellschaften geschaffen worden war, erwies sich als missbrauchsanfällig, hat zu ungerechtfertigten Wettbewerbsverzerrungen geführt und so den Ausbau der Windenergie behindert.”

EEG-Änderungen der Bundesregierung unzureichend

Der LEE NRW legt einen weitergehenden Forderungskatalog zur anstehenden EEG-Novelle vor. Reiner Priggen, Vorsitzender des LEE NRW: „Die Bundesregierung verschiebt notwendige Entscheidungen zum weiteren Ausbau der Erneuerbaren immer weiter und macht sich unglaubwürdig.“ Zwar seien begrüßenswerte Änderungen vorgenommen worden, wesentliche Maßnahmen zum weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien habe die Bundesregierung aber erneut nicht auf den Weg gebracht.

„Wir warten seit Monaten darauf, dass die Bundesregierung den Ausbau der Windenergie wieder ankurbelt und verhindert, dass die Solarbranche zusammenbricht. Zwar konnte man sich jetzt einiger Probleme annehmen und dort auch vernünftige Lösungen finden. Zehntausende Arbeitsplätze sind schon verloren gegangen und zehntausende weitere Arbeitnehmerinnen bangen um Ihre Jobs. Es wird höchste Zeit, dass der 52-Gigawatt-Deckel für Photovoltaik endlich abgeschafft wird und wirksame Maßnahmen zum Ausbau der Windenergie ergriffen werden. Vor allem aber muss die Bundesregierung die Ausbaupfade der Erneuerbaren endlich gesetzlich festlegen, um das Ziel eines Anteils von 65 Prozent Erneuerbarer Energien bis 2030 auch wirklich zu erreichen. Unter den gegebenen Bedingungen wird die Bundesregierung dieses Ziel verfehlen. Und sie macht sich unglaubwürdig, wenn nach lauter Bekenntnissen auf Konferenzen dann keine handfesten Vorschläge entwickelt werden. Dafür sind deutlich weitergehende Maßnahmen erforderlich, die wir heute vorlegen.“

Der LEE NRW fordert in einem umfassenden Positionspapier zur anstehenden EEG-Novelle weitergehende Maßnahmen, um die politischen Klima- und Energieziele der Bundesregierung gesetzlich zu fixieren und tatsächlich zu erreichen. Dazu gehören unter anderem:

  • Gesetzliche Festlegung zur Erreichung von 65 Prozent Anteil Erneuerbarer Energien am Stromverbrauch bis 2030 und 100 Prozent bis 2050.
  • Umgehende Abschaffung des 52-Gigawatt-Deckels bei der Photovoltaik.
  • Stärkere kommunale und regionale Wertschöpfung für akzeptanzfördernden und deutschlandweit ausgewogenen Windenergieausbau sicherstellen.
  • Deckelung der Flexibilitätsprämie abschaffen und Bioenergie als flexible Ergänzung zu Wind- und Solarenergie stärken.
  • Befreiung von Steuern und Abgaben auf den Strombedarf von Wärmepumpen, um die Sektorenkopplung voranzutreiben und auch die Wärmewende zum Erfolg zu führen.

Priggen: „Wenn die Bundesregierung ihre eigenen Ziele ernst nimmt, ist sie gut beraten, jetzt den Turbomodus einzulegen. Wir müssen bis 2050 runter auf null Emissionen. Das schaffen wir nicht, wenn sich die Groko mit politischem Hickhack um Mindestabstände bei Windrädern aufhält. Wir können auch mit der Corona-Krise den Klimaschutz jetzt nicht auf die lange Bank schieben.“

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