Stickstoffdüngung heizt Klimawandel an

Nahrungsmittelproduktion setzt immer mehr zur Erderwärmung beitragendes  Lachgas frei

Beim Klimaschutz wird ein wichtiger Aspekt bislang zu wenig berücksichtigt: Neben der Verbrennung fossiler Brennstoffe trägt auch die Landwirtschaft stark zur Emission von Treibhausgasen bei, unter anderem durch die Stickstoffdüngung. Durch sie erhöht sich die Konzentration von Lachgas in der Atmosphäre zunehmend und trägt damit zur Erderwärmung bei. Zu dem Schluss kommt ein internationales Team, an dem auch Sönke Zaehle, Direktor am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena (bgc-jena.mpg.de, beteiligt war. Dadurch dürfte es für die Weltgemeinschaft noch schwerer werden, die Ziele des internationalen Pariser Klimaabkommens zu erreichen.

Traktor bei Philippsthal, Potsdam – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Der Klimawandel geht mit einer menschengemachten Erderwärmung einher, die Ökosysteme gefährde, Extremwetterereignisse wie etwa Dürren wahrscheinlicher mache und vielen Menschen weltweit die Lebensgrundlage entziehen könne. Die internationale Staatengemeinschaft bemühe sich, diese Entwicklung aufzuhalten, und müsse dabei nun auf einen weiteren alarmierenden Trend reagieren, heißt es in der Medienmitteilung des bgc-jena vom 09.10.20202.

Wissenschaftler von 48 Forschungseinrichtungen in 14 Ländern berichten, dass die Konzentration an Lachgas (Distickstoffmonoxid, N2O) gegenüber dem vorindustriellen Niveau um 20 Prozent angestiegen sei. Und dieses Wachstum habe sich in den letzten Jahrzehnten aufgrund von Emissionen aus verschiedenen menschlichen Aktivitäten beschleunigt. Dabei sei der Anstieg der Konzentration von Lachgas in der Atmosphäre hauptsächlich auf die Landwirtschaft zurückzuführen: Da die Nachfrage nach Nahrungs- und Futtermitteln steige, brächten Landwirte weltweit immer größere Mengen Stickstoffdünger aus, und zwar oft mehr als die Pflanzen aufnehmen könnten.

Gerade durch diesen übermäßigen Einsatz werde verstärkt Lachgas freigesetzt, das bezogen auf die Konzentration 300-mal stärker zum Treibhauseffekt beitrage als Kohlendioxid. Da die Atmosphäre jedoch viel weniger Lachgas als Kohlendioxid enthalte, trage es gegenwärtig etwa sieben Prozent zur globalen menschengemachten Erwärmung bei. Trotz des relativ geringen Beitrags komme die aktuelle Studie zu dem Schluss, dass die derzeitigen Trends bei den Lachgasemissionen nicht mit den Klimazielen des Pariser Abkommens vereinbar seien.

Umfassende Analyse, wo wieviel Lachgas aufgenommen und abgegeben wird

Der ansteigende Lachgas-Ausstoß laufe den Anstrengungen entgegen, die globale Erwärmung abzubremsen, warnen die Forscher.

„Die gegenwärtigen Emissionen von Lachgas, aber auch von anderen Treibhausgasen wie CO2, führen zu einer fortgesetzten globalen Erwärmung; die Temperaturziele des Pariser Abkommens werden aber ohne eine rasche Reduktion der Emissionen weit verfehlt“, sagt Zaehle. Um die Ziele des Klimaabkommens zu erreichen, sei es deshalb wichtig, die N2O-Emissionen zu begrenzen. Allerdings müssten weiterhin die CO2-Emissionen reduziert werden, da beide Treibhausgase unabhängig voneinander zur Klimaerwärmung beitrügen.

Sönke Zaehle war Teil des internationalen Teams, das umfassend analysierte, wo und in welchem Umfang Lachgas freigesetzt und aufgenommen wird. Dabei stellten die Forschenden auch fest, dass in Afrika, Südamerika, Ostasien und Nordamerika am meisten Lachgas in die Atmosphäre gelangt. Dabei ist das Lachgas in Afrika und Südamerika vor allem natürlichen Ursprungs. In China und Indien, aber auch in Europa stammt das Treibhausgas vor allem aus Kunstdünger, den Landwirte verwenden.

„Am stärksten sind die Lachgasemissionen in den Schwellenländern gestiegen, insbesondere in Brasilien, China und Indien, wo die Pflanzenproduktion und der Viehbestand zugenommen haben. Damit besteht offensichtlich ein Konflikt zwischen der Art und Weise, wie wir uns ernähren und unserem Ziel, das Klima zu stabilisieren“, sagt Hanqin Tian, Wissenschaftler der Auburn University im US-amerikanischen Alabama und Koordinator der Studie.

In Europa wurden Lachgasemissionen in der Landwirtschaft reduziert

Doch die Wissenschaftler können auch von Erfolgen berichten: „Europa ist die einzige Region in der Welt, die in den letzten zwei Jahrzehnten die Lachgasemissionen erfolgreich reduziert hat“, erklärt Wilfried Winiwarter vom IIASA Air Quality and Greenhouse Gases Program (Österreich). „Strategien zur Reduzierung von Treibhausgasen und Luftverschmutzung in Industrie- und Landwirtschaft und zur Optimierung der Effizienz des Düngemitteleinsatzes haben sich als wirksam erwiesen. Dennoch werden weitere Anstrengungen erforderlich sein, sowohl in Europa als auch weltweit“.

Denn die Lachgas-Emissionen aus der Landwirtschaft seien in Europa immer noch beträchtlich. Die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte zeige aber, dass  die Effizienz der Stickstoffnutzung sowohl in der Viehzucht als auch im Ackerbau erhöht werden könne, um Lachgasemissionen zu minimieren. Im Ackerbau könnten Landwirte beispielsweise darauf achten, den Dünger präzise in der richtigen Menge und zum richtigen Zeitpunkt auf ihren Feldern auszubringen.

In den USA und in Europa schaffte habe man es so geschafft, bessere Ernteergebnisse zu erzielen, obwohl nicht mehr Lachgas freigesetzt worden sei. Die Forschenden weisen zudem darauf hin, dass sich die Freisetzung von Lachgas in den letzten Jahrzehnten durch den Klimawandel zusätzlich beschleunigt habe.

Insgesamt unterstrichen die Ergebnisse der Studie die Dringlichkeit, dem Beitrag von Lachgas zum menschengemachten Klimawandel mehr Beachtung zu schenken. So stellt Josep Canadell, leitender Wissenschaftler im Climate Science Center der australischen CSIRO und geschäftsführender Direktor des Global Carbon Projects fest: „Diese neue Analyse fordert ein umfassendes Überdenken der Art und Weise, wie wir Stickstoffdünger weltweit verwenden und verschwenden, und drängt uns zu nachhaltigeren Praktiken in der Art und Weise, wie wir Lebensmittel produzieren, einschließlich der Reduzierung von Lebensmittelabfällen“. MPIBGC/AK/PH

->Quelle: mpg.de/lachgas-landwirtschaft-klimawandel