Tödliche Chemie-Produktion

Kampf gegen Giftstoffe im Film

Cincinnati, 1998: Der erfolgreiche Wirtschaftsanwalt Rob Bilott (Mark Ruffalo) gerät in einen Zwiespalt, als ihn zwei Farmer auf merkwürdige Vorgänge in ihrer Stadt aufmerksam machen, wo eine große Zahl von Kühen auf rätselhafte Weise verendet ist. Die Farmer vermuten dahinter den Chemiekonzern DuPont, für den Bilott als Anwalt arbeitet. Vergiftete Wahrheit (Originaltitel Dark Waters) ist ein Film von Todd Haynes. In den Hauptrollen des Justiz-Dramas: neben Ruffalo Anne Hathaway als Sarah Bilott. Es geht um Verseuchung mit einem grauenvollen Gift (Perfluoroctansäure – PFOA), das der BUND schon lange anprangert.

Gift – Bild © OpenIcons auf Pixabay

Dark Waters ist die Filmadaption eines Berichts von Nathaniel Rich (bekannt durch seinen Bestseller „Losing Earth“, 2019 – s. solarify.eu/buchempfehlung-losing-earth) im New York Times Magazine über die 19 Jahre andauernde juristische Auseinandersetzung zwischen Bilott und DuPont. Der Film kam am 22. November 2019 in die US-Kinos.

Schon im Dezember 2005 musste DuPont der  amerikanischen Umweltschutzbehörde EPA eine Vergleichssumme in Höhe von ca. 16 Millionen Dollar zahlen, da interne Studien mit Anhaltspunkten für eine Kanzerogenität der von DuPont hergestellten Perfluoroctansäure (PFOA) verschwiegen worden waren. Das ist deshalb von besonderer Brisanz, da PFOA fast unzerstörbar (persistent) und bioakkumulativ ist. So wurde PFOA in arktischen Eisbären und ca. 95 % Blutproben von US-Bürgern nachgewiesen. 2017 wurde DuPont wurde nach einem seit 1998 andauernden Gerichtsverfahren mit Bilott schuldig gesprochen, Trinkwasser kontaminiert zu haben, wodurch es zu Krankheiten (darunter Krebs) bei Nutzvieh und in der Bevölkerung kam. DuPont wurde zu 671.7 Millionen US-Dollar Schadensersatz an die etwa 70.000 in der Bevölkerung Geschädigten verurteilt. Dieser Fall wurde mit dem Film Dark Waters im Jahr 2019 aufgegriffen. Doch der Prozess geht weiter.

PFOA gehört zusammen mit über 4.700 weiteren Stoffen zur Chemikaliengruppe der sogenannten per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS), die wegen ihrer extremen Langlebigkeit in der Umwelt auch „ewige Chemikalien“ (engl. „forever chemicals“) genannt werden.

Extrem weit verbreitet

Die Belastung von Mensch und Umwelt mit PFAS ist auch in Europa und in Deutschland ein ernsthaftes Problem. Nach einer aktuellen Studie des Umweltbundesamts haben selbst Kinder und Jugendliche in Deutschland gefährliche Stoffe aus der PFAS-Gruppe im Blut. Spuren von Perfluorooktansulfonsäure (PFOS) wurden im Blut aller, PFOA im Blut von 86 Prozent der getesteten jungen Menschen nachgewiesen. Bei rund 20 Prozent lagen die PFOA-Werte oberhalb des international festgelegten vorsorglichen Gefahrenwertes (HBM-I-Wert), ab dem eine gesundheitliche Gefährdung nicht mehr auszuschließen ist.

PFAS-Stoffe werden wegen ihrer wasser- und fettabweisenden Eigenschaften seit Ende der 1940er Jahre in vielen Konsumerzeugnissen verwendet: etwa in der Antihaftbeschichtung von Kochgeschirr (Teflon), wasserdichter Kleidung, in Kosmetika, fettabweisendem Papier, Lebensmittelverpackungen aus Pappe und – speziell im Falle von PFOA – auch in Feuerlöschschäumen.

In der Umwelt sind PFAS extrem weit verbreitet. Zuletzt wurden im Februar 2020 Kontaminationen von Boden und Grundwasser durch PFAS rund um den US-Militärstützpunkt Wiesbaden-Erbenheim bekannt. Diese stammen vermutlich vom Löschschaum, der bei Feuerwehrübungen eingesetzt wurde, sowie aus der benachbarten ehemaligen Lackfabrik Erbenheim.

Auf der Internetseite der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden: „Der Untergrund war in zwei Bereichen verunreinigt, in dem einen durch leichtflüchtige aromatische Kohlenwasserstoffe (BTEX), in dem anderen durch leichtflüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe (LHKW). Die Höhe der Schadstoffgehalte führte zur Altlastfeststellung. 2005 wurde der Schadensbereich der BTEX-Belastungen durch Bodenaushub saniert. Anschließend wurden über fast drei Jahre bis 2009 die LHKW-Belastungen im südlichen Grundstücksbereich durch eine Bodenluftabsaugung an insgesamt 25 Pegeln saniert. Doch damit war der Standort noch nicht abgeschlossen. Die leichtflüchtigen halogenierten Kohlenwasserstoffe (LHKW) hatten sich längst dem Grundwasser mitgeteilt und waren in einer rund 600 Meter langen Schadstofffahne über die Grundstücksgrenzen in südöstliche Richtung abgeströmt.

FAS-Stoffe können mittlerweile selbst in so abgelegenen Regionen der Erde wie der Arktis im Blut von Menschen und Wildtieren nachgewiesen werden. Selbst in Pflanzen, in Obst und Gemüse, können sich PFAS wegen ihrer extremen Mobilität anreichern.

Große Gesundheitsgefahren – nur zwei von Tausenden verboten

PFAS-Stoffe können schwer gesundheitsschädlich sein. Unter anderem werden Nieren- und Hodenkrebs, Schilddrüsenerkrankungen und verminderte Reaktion auf Impfstoffe mit ihnen in Verbindung gebracht. Dennoch wurden bislang nur zwei der Tausende existierender PFAS-Stoffe (nämlich das im Film behandelte PFOA sowie PFOS, das ebenfalls zum Imprägnieren sowie zum Verchromen benutzt wurde) im Rahmen der sogenannten Stockholm-Konvention verboten.

BUND fordert generelles Verbot

Der Bund Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) fordert schon lange, dass PFAS-Stoffe generell verboten und durch umweltgerechte Alternativen ersetzt werden, wenn sie mit Menschen oder der Umwelt in Kontakt kommen. Dazu gehört auch die Forderung, dass die gegenwärtige Praxis der Bewertung von potentiell gefährlichen Stoffen geändert werden muss: Nicht wie bislang Einzelstoffe, sondern gesamte Chemikaliengruppen müssen bewertet und reguliert werden.

In der EU wurde PFOA 2017 immerhin als „reproduktionstoxisch“, also gefährlich für die Fortpflanzung eingestuft. Seit Juli 2020 gilt eine Verwendungsbeschränkung für PFOA und verwandte Stoffe. In Zeiten globalisierter Stoff- und Warenströme braucht es jedoch umfassende, weltweite Vereinbarungen, wenn wir Mensch und Umwelt im Sinne der international vereinbarten UN-Nachhaltigkeitsziele wirksam vor gefährlichen Chemikalien schützen wollen.

Der BUND engagiert sich deshalb für ein starkes neues Abkommen zum strategischen Ansatz für ein internationales Chemikalienmanagement (SAICM) unter dem Dach der Vereinten Nationen, bei dem die EU und insbesondere Deutschland als einer der weltgrößten Chemiestandorte eine wichtige Vorreiterrolle übernehmen sollen.

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