2030 Stromverbrauch zwischen 645-665 TWh

Altmaier legt erste Abschätzung vor – VKU-Chef Liebing verlangt mehr Investitionen in Um- und Ausbau der Energieinfrastruktur

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier legte am 13.07.2021 eine erste Neuschätzung des Stromverbrauchs 2030 vor – so eine Medienmitteilung des BMWi. Eine ausführliche Neuberechnung des Stromverbrauchs wird im Herbst 2021 veröffentlicht. Dann wird die Prognos AG im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums eine vollständige Untersuchung abgeschlossen haben. Als Antwort forderte VKU-Chef mehr Investitionen in den Um- und Ausbau der Energieinfrastruktur. Der BEE verlangte einen „Erneuerbaren-Turbo“ von der neuen Regierung.

Plakat am BMWi – ‚Hier wird an der Energiewende gearbeitet‘ – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Altmaier: „Die Neufassung des Klimaschutzgesetzes und unsere neuen ambitionierten Klimaziele, die Bundestag und Bundesrat Ende Juni 2021 verabschiedet haben, erfordern eine Anpassung unserer Analysen zum Stromverbrauch 2030. Erste Abschätzungen legen wir heute vor. Denn klar ist: Perspektivisch wird unsere Energieversorgung im Kern auf zwei Energieträgern beruhen: auf Strom aus erneuerbaren Energien und auf Wasserstoff, der aus erneuerbar hergestelltem Strom erzeugt wird.“

Eine erste Abschätzungen des Stromverbrauchs 2030, die von der Prognos AG im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellt wurde, kommt für das Jahr 2030 auf einen Stromverbrauch zwischen 645-665 Terawattstunden; der Mittelwert der Prognose liegt bei 655 Terawattstunden. Unterstellt werden dabei u.a. 14 Mio. Elektro-Pkw, 6 Mio. Wärmepumpen und 30 Terawattstunden Strom für grünen Wasserstoff. Die ausführliche Analyse folgt im Herbst 2021.

Branche der Erneuerbaren Energien fordert ambitionierte Ausbaupfade

BEE-Präsidentin Simone Peter: „Der ersten Ankündigung vor einigen Wochen, die bisherigen Berechnungen als zu niedrig einzustufen, folgt nun eine höhere Prognose aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Mit 645-665 TWh wird diese allerdings weiterhin nicht dem Markthochlauf von Sektorenkopplungstechnologien in Deutschland gerecht. Hierfür sind für ein THG-Minderungsziel von 65 Prozent rund 100 TWh mehr nötig“.

Die Dekarbonsierung aller Sektoren sei ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Klimaneutralität, weshalb jetzt Planungssicherheit für Klimaschutztechnologien zu schaffen sei. Je länger mit dem beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien gewartet würde, desto eher drohe eine Ökostromlücke. Denn kommendes Jahr werde der Atomausstieg abgeschlossen und Kohlekraftwerke seien aufgrund hoher CO2-Preise kaum mehr rentierlich. „Die erneute Verschiebung der Festlegung konkreter Ausbauziele ist die gleichzeitige Negierung der nun getroffenen Annahmen. Klimaschutz, Industriestandort und die sichere Energieversorgung verlieren wichtige Monate. Spätestens ein erstes 100-Tage-Programm einer neuen Bundesregierung muss den Erneuerbaren-Turbo in allen Sektoren und für die Sektorenkopplung einschalten, zusammen mit den Ländern mehr Flächen und Genehmigungen bereitstellen und eine Akzeptanzoffensive mit und für die Bürgerinnen und Bürger starten“, so Peter abschließend.

VKU-Chef Liebing: „Mehr Strom bedeutet auch mehr Investitionen in den Um- und Ausbau der Energieinfrastruktur“

VKU-Chef Ingbert Liebing laut einer VKU-Medienmitteilung: „Der nun vorgestellte Wert von rund 655 TWh liegt sicher am unteren Rand der derzeit diskutierten Größenordnungen. Wichtiger als die absolute Höhe ist aber, dass es für die notwendigen Umbaumaßnahmen unseres Energie- und Wirtschaftssystems deutlich mehr Strom braucht, um die Klimaneutralität 2045 zu erreichen. Dass das Bundeswirtschaftsministerium dies nunmehr auch offiziell anerkennt, begrüßen wir ausdrücklich.

Die Prognose zeigt deutlich, dass wir die größeren Strommengen aus erneuerbaren Energien und deren Wechselwirkung auf andere Teile unseres Energie- und Wirtschaftssystem noch stärker in den Fokus nehmen müssen. Wenn wir 2030 einen Erneuerbaren-Anteil von 65 Prozent erreichen wollen, müssen wir den Ausbau konsequent vorantreiben und die Maßnahmen sinnvoll nachschärfen. Darauf hatte die Kommunalwirtschaft schon bei unterschiedlichen Novellen hingewiesen. Und das wird sich die neue Bundesregierung als einen ersten Baustein für das Gelingen der Energiewende auf die Agenda setzen müssen.

Damit mehr Energie von A nach B kommt, ist dabei der Aus- und Umbau der Strom- und Gasnetze von zentraler Bedeutung. Nur so können wir die erneuerbaren Energien im ganzen Land aufnehmen und sicher zum Kunden bringen. Und nur so bringen wir eine Wasserstoffwirtschaft ans Laufen, die zudem die Strominfrastruktur entlasten kann.

Die Energieinfrastruktur muss schon heute und erst recht in den kommenden Jahren fit gemacht werden. Dies erfordert massive Investitionen nicht nur in neue Kabel und Leitungen, sondern auch in Personal, moderne Steuerungstechnik, leistungsfähigere Trafos und dezentrale Speichersysteme. Gerade für den prognostizierten Hochlauf der Elektromobilität sind wir auf die zukünftige Leistungsfähigkeit der Verteilnetzbetreiber angewiesen. Sie sorgen schon heute für eine Grundversorgung an Ladeinfrastruktur, ohne dass es sich wirtschaftlich rechnet. Deshalb müssen die entsprechenden Investitionen sichergestellt werden. Es braucht einen regulatorischen Rahmen, der Investitionen anreizt statt auf Kostenersparnisse zu setzen.

Neue Netzstränge werden nicht mal eben per Knopfdruck verlegt, ebenso wenig Netze umgebaut: Wie jeder Handwerker weiß: Gut geplant, ist halb verlegt. Bevor also überhaupt ein Kabel, eine Leitung in der Erde verbuddelt wird, braucht es gründlich validierte Bedarfsprognosen.

Die nächsten Jahre werden entscheidend sein, weil die Zahl der Elektroautos und Wärmepumpen sehr schnell und exponentiell steigen wird. Zudem müssen Millionen von neuen Solar- und Windstromanlagen und Verbrauchern schnell und sicher in das Energiesystem integriert werden. Um Wasserstoff für die Wärmewende zu nutzen, muss er von den Erzeugungsanlagen in die Heizsystem der Kunden transportiert werden. Das können unsere heutigen Gasnetze, wenn sie ein Wasserstoff-Upgrade bekommen.

Für den Aus- und Umbau der Energieinfrastruktur brauchen also wir einen Tempomacher. Die kommunalen Unternehmen sind auf dem Weg, gemeinsam mit ihren Kommunen und den Akteuren vor Ort die Dekarbonisierung konkret anzugehen. Dies zeigen beispielsweise die vielen Pilotprojekte zum Einsatz von Wasserstoff vor Ort. Um diesen Weg aber auch weiterhin erfolgreich zu gestalten, brauchen sie klare Rahmenbedingungen für diesen Transformationspfad. Hier ist insbesondere ein gemeinsamer Regulierungsrahmen für die zukünftige Gas- und Wasserstoffinfrastruktur zu nennen.“

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