„Über Jahrtausende unumkehrbar“

Alarmierender IPCC-Bericht

Titel der „Zusammenfassung für Politiker“ des 6. IPCC-Sachstandsberichts – © ipcc.com

Zuletzt haben haben Forschende 2013 den wissenschaftlichen Stand der Erforschung des Klimawandels für den Weltklimarat (IPCC) zusammengefasst. Seitdem ist vor allem die Rolle des Menschen deutlicher hervorgetreten. Der am 09.08.2021 im Rahmen einer virtuellen Pressekonferenz vorgestellte Bericht über die naturwissenschaftliche Grundlagen des Klimawandels (3.949 Seiten) zeigt klarer als alle Vorgänger, wie der Treibhausgasausstoß den Temperaturanstieg beeinflusst. 234 Experten aus 66 Ländern haben 14.000 seit dem letzten IPCC-Bericht erschienene Untersuchungen gesichtet. Ihr Bericht, der sechste, ist erster Teil von vieren, eine von den 195 Mitgliedsländern abgesegnete Zusammenfassung der Erkenntnisse für politische Entscheidungsträger – Grundlage für die Weltklimakonferenz COP26  Anfang November in Glasgow.

„Wen es keine sofortigen schnellen und umfassenden Verringerungen der Treibhausgas-Emmissionen gibt, wird die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 °C unerreichbar werden. Einige Veränderungen des Klimasystems sind irreversibel. Dennoch können einige gebremst, andere können gestoppt werden, wenn die Erwärmung begrenzt wird. Das Klima, das wir in Zukunft erleben, hängt von unseren Entscheidungen jetzt ab.“

Der Mittelmeerraum werde sich schneller erwärmen als der weltweite Durchschnitt, warnt das IPCC. Dem Mittelmeerraum stehen in Zukunft Hitzewellen, Dürren und Brände bevor. Die Region mit ihren rund 500 Millionen Einwohnern gelte als „Hotspot des Klimawandels“, heißt es in einem Kapitel über die Erderwärmung in der Region. Bis 2050 könnten laut IPCC bis zu 93 Millionen Menschen zusätzlich an den nördlich gelegenen Küsten des Mittelmeers von Hitzewellen betroffen sein. Die Zahl hitzebedingter Todesfälle könnte bis 2050 auf 20.000 pro Jahr steigen. In der MENA-Region könnte sich das Risiko älterer Menschen, an den Folgen extremer Hitze zu sterben, bis 2100 gar um das Drei- bis Dreißigfache erhöhen.

Nur eine Begrenzung der Erderwärmung auf unter zwei Grad könne „wahrscheinlich Küstensiedlungen, Kulturerbestätten, Land- und Meeresökosysteme in den meisten Gebieten des Mittelmeerraums in einem lebensfähigen Zustand erhalten“, heißt es in dem Bericht. Doch das Budget dafür ist fast aufgebraucht. Die Erdatmosphäre hat sich bereits um 1,1 °C erwärmt.

Alarmierende Zahlen: Höchste CO2-Konzentration seit 2 Millionen Jahren, schnellster Meeresspiegelanstieg in 3.000 Jahren, arktisches Meereis niedrigstes seit 1.000 Jahren, beispielloser Gletscherschwund in 2.000 Jahren – Grafik © ipcc.com

Im Wortlaut – Beitrag der Arbeitsgruppe I: „Naturwissenschaftliche Grundlagen“ in Stichworten

A. Der aktuelle Zustand des Klimas

A.1

Es ist eindeutig, dass der Einfluss des Menschen die Atmosphäre, den Ozean und die Landflächen erwärmt hat. Es haben weitverbreitete und schnelle Veränderungen in der Atmosphäre, dem Ozean, der Kryosphäre und der Biosphäre stattgefunden.

A.2

Das Ausmaß der jüngsten Veränderungen im gesamten Klimasystem und der gegenwärtige Zustand vieler Aspekte des Klimasystems sind seit vielen Jahrhunderten bis Jahrtausenden beispiellos.

A.3

Der vom Menschen verursachte Klimawandel wirkt sich bereits auf viele Wetter- und Klimaextreme in allen Regionen der Welt aus. Seit dem Fünften Sachstandsbericht(AR5) gibt es stärkere Belege für beobachtete Veränderungen von Extremen wie Hitzewellen, Starkniederschlägen, Dürren und tropischen Wirbelstürmen sowie insbesondere für deren Zuordnung zum Einfluss des Menschen.

A.4

Auf Basis von verbesserten Kenntnissen über Klimaprozesse, Nachweise aus der Erdgeschichte und die Reaktionen des Klimasystems auf zunehmenden Strahlungsantrieb lässt sich die Gleichgewichts-Klimasensitivität am besten mit 3 °C beziffern, wobei die Bandbreite im Vergleich zum AR5 eingegrenzt wurde.

B. Mögliche Klimazukünfte

B.1

Die globale Oberflächentemperatur wird bei allen betrachteten Emissionsszenarien bis mindestens Mitte des Jahrhunderts weiter ansteigen. Eine globale Erwärmung von 1,5 °C und 2 °C wird im Laufe des 21. Jahrhunderts überschritten werden, es sei denn, es erfolgen in den kommenden Jahrzehnten drastische Reduktionen der CO2-und anderer Treibhausgasemissionen.

B.2

Viele Veränderungen im Klimasystem werden in unmittelbarem Zusammenhang mit der zunehmenden globalen Erwärmung größer. Dazu gehören die Zunahme der Häufigkeit und Intensität von Hitzeextremen, marinen Hitzewellen und Starkniederschlägen, landwirtschaftlichen und ökologischen Dürren in einigen Regionen, das Ausmaß tropischer Wirbelstürme sowie Rückgänge des arktischen Meereises, von Schneebedeckung und Permafrost.

B.3

Fortschreitende globale Erwärmung wird laut Projektionen den globalen Wasserkreislauf weiter intensivieren, einschließlich seiner Variabilität, sowie der globalen Monsunniederschläge und der Heftigkeit von Niederschlags- und Trockenheitsereignissen.

B.4

Die Kohlenstoffsenken in Ozean und Landsystemen werden bei Szenarien mit steigenden CO2-Emissionen laut Projektionen die Anreicherung von CO2 in der Atmosphäre weniger wirksam verlangsamen.

B.5

Viele Veränderungen aufgrund vergangener und künftiger Treibhausgasemissionen sind über Jahrhunderte bis Jahrtausende unumkehrbar, insbesondere Veränderungen des Ozeans, von Eisschilden und des globalen Meeresspiegels.

C. Klimainformationen für Risikobewertung und regionale Anpassung

C.1

Natürliche Antriebsfaktoren und interne Schwankungen werden die vom Menschen verursachten Veränderungen modulieren, vor allem auf regionaler Ebene und in naher Zukunft; über Jahrhunderte betrachtet hat dies geringe Auswirkungen auf die globale Erwärmung. Es ist wichtig, diese Modulationen bei der Planung für die gesamte Bandbreite möglicher Veränderungen zu berücksichtigen.

C.2

Bei weiterer globaler Erwärmung wird es laut Projektionen in jeder Region in zunehmendem Maße zu gleichzeitigen und vielfältigen Veränderungen von klimatischen Antriebsfaktoren mit Relevanz für Klimafolgen(climatic impact drivers, CIDs*) kommen. Veränderungen von mehreren CIDs wären bei 2 °C im Vergleich zu 1,5 °C globaler Erwärmung weiterverbreitet und bei höheren Erwärmungsniveaus sogar noch weiterverbreitet und/oder ausgeprägter.

C.3

Klimawandelbedingte Änderungen, die mit geringer Wahrscheinlichkeit auftreten –wie der Zusammenbruch von Eisschilden, abrupte Veränderungen der Ozeanzirkulation, einige zusammengesetzte Extremereignisse und eine Erwärmung, die wesentlich über die als sehr wahrscheinlich bewertete Bandbreite** der künftigen Erwärmung hinausgeht – können nicht ausgeschlossen werden und sind Teil der Risikobewertung.

* Klimatische Antriebsfaktoren mit Relevanz für Klimafolgen (climatic impact drivers, CIDs) sind Zustände des physikalischen Klimasystems (z.B. Mittelwerte, Ereignisse, Extreme), die sich auf Bereiche von Gesellschaft o-der von Ökosystemen auswirken. Je nach Systemtoleranz können CIDs und ihre Veränderungen schädlich, vorteilhaft oder neutral sein oder eine Mischung aus beidem für alle interagierenden Systembereiche und Regionen darstellen. CID-Typen sind zum Beispiel Hitze und Kälte, Nässe und Trockenheit, Wind, Schnee und Eis, küstennaher und offener Ozean.

**Jede Aussage beruht auf einer Bewertung der zugrundeliegenden Belege und deren Übereinstimmung. Ein Vertrauensniveau wird unter der Verwendung von fünf Abstufungen angegeben: sehr gering, gering, mittel, hoch und sehr hoch, und kursiv gesetzt, zum Beispiel mittleres Vertrauen. Folgende Begriffe wurden verwendet, um die bewertete Wahrscheinlichkeit eines Ergebnisses anzugeben:

    • praktisch sicher: 99–100 % Wahrscheinlichkeit,
    • sehr wahrscheinlich 90–100 %,
    • wahrscheinlich 66–100 %,
    • etwa ebenso wahrscheinlich wie nicht 33–66 %,
    • unwahrscheinlich 0–33 %, sehr unwahrscheinlich 0–10 %,
    • besonders unwahrscheinlich 0–1 %.

Zusätzliche Begriffe (äußerst wahrscheinlich 95–100 %, eher wahrscheinlich als nicht >50–100 %, und äußerst unwahrscheinlich 0–5 %) können ebenfalls verwendet werden, wo angebracht. Bewertete Wahrscheinlichkeiten wer-den kursiv gesetzt, zum Beispiel sehr wahrscheinlich. Gleiches galt für den AR5. In diesem Bericht werden, so-fern nicht anders angegeben, eckige Klammern [x bis y] gesetzt, um die bewertete sehr wahrscheinliche Bandbreite bzw. das 90%-Intervall anzugeben.

D. Begrenzung zukünftigen Klimawandels

D.1

Aus naturwissenschaftlicher Sicht erfordert die Begrenzung der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung auf ein bestimmtes Niveau eine Begrenzung der kumulativen CO2-Emissionen, wobei zumindest netto Null CO2-Emissionen erreicht werden müssen, zusammen mit starken Verringerungen anderer Treibhausgasemissionen. Eine starke, rasche und anhaltende Verringerung von CH4-Emissionen würde auch den Erwärmungseffekt begrenzen, der sich aus abnehmender Luftverschmutzung durch Aerosole ergibt, und die Luftqualität verbessern.

D.2

Szenarien mit niedrigen oder sehr niedrigen Treibhausgasemissionen (SSP1-1.9 und SSP1-2.6) führen im Vergleich zu Szenarien mit hohen und sehr hohen Treibhausgasemissionen (SSP3-7.0 oder SSP5-8.5) innerhalb von Jahren zu erkennbaren Auswirkungen auf die Treibhausgas- und Aerosolkonzentrationen und die Luftqualität. Bei einem Vergleich dieser gegensätzlichen Szenarien beginnen sich erkennbare Unterschiede zwischen den Trends der globalen Oberflächentemperatur innerhalb von etwa 20 Jahren von der natürlichen Variabilität abzuheben, bei vielen anderen klimatischen Einflussfaktoren erst über längere Zeiträume hinweg (hohes Vertrauen). (de-ipcc.de/media/content/Hauptaussagen_AR6-WGI.pdf)

Hintergrundinformationen

Der Entwurf zur Kapitelstruktur des Sechsten Sachstandsberichts (AR6) wurde auf einem Scoping Meeting im Mai 2017 in Addis Abeba (Äthiopien) entwickelt. Die Kapitelstruktur für Arbeitsgruppe I wurde dann von der 46. Sitzung des IPCC im September 2017 genehmigt. 243 Experten aus 66 Ländern, darunter sieben aus Deutschland, arbeiteten von Sommer 2018 bis Juli 2021 im Kernteam am Beitrag von Arbeitsgruppe I.

->Quellen: