CCS als Ablass für CO2-Sünder

Neues Industriecluster zur CO2-Abscheidung und -Speicherung in Mittelnorwegen

„Totgesagte leben bekanntlich länger. Das gilt offensichtlich auch für die in Deutschland nicht mehr weiter verfolgte Carbon Capture and Storage-Technologie (CCS) zur Verpressung von CO2 in tieferen Erdschichten. Deutschland hat das Verfahren vor Jahren faktisch verboten. Nun will Norwegen im großen Stil CO2 unter den Meeresboden pumpen. „Es könnte zugleich die Rettung für Teile der deutschen Industrie sein“, hofft Daniel Wetzel in der WELT.

Gastanks (Wasserstoff und Kohlendioxid) in Berlin-Adlershof – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

CCS soll eine wichtige Rolle bei der norwegischen Klimalösung spielen. Equinor, Shell und Total investieren in das Projekt Northern Lights – Norwegens erste Lizenz zur CO2-Speicherung auf der NCS und ein wichtiger Teil der Initiative, welche die norwegische Regierung „Longship“ nennt. Das Nordlichtprojekt ist Teil des norwegischen CCS-Projekts im großen Maßstab. Das groß angelegte Projekt umfasst die Abscheidung von CO2 aus industriellen Abscheidungsquellen in der Region Oslo-Fjord (Zement und Müllverbrennung) und den Transport von flüssigem CO2 aus diesen industriellen Abscheidungsanlagen zu einem Onshore-Terminal an der norwegischen Westküste. Von dort wird das verflüssigte CO2 per Pipeline zu einem Offshore-Speicher in der Nordsee transportiert, wo es dauerhaft gelagert werden soll.

Die HeidelbergCement Group will die Abscheidung von 400.000 Tonnen CO2 im großen Maßstab umsetzen. Das norwegische Parlament hat bereits 2020 großzügig Investitionshilfen für das Megaprojekt zugesagt. Mit der Abscheidung soll im Werk Brevik (110 km Luftlinie südwestlich von Oslo) 2024 begonnen werden. Ziel ist es, die CO2-Emissionen um 50 % zu senken. HeidelbergCement freut sich auf den staatlichen Geldsegen und will bis 2050 Zement klimaneutral herstellen. Norwegen finanziert die CCS-Technologie im Rahmen des sog. Klima-Investitionsprojekts „Longship.“ Mit Hilfe der CO2-Abscheidetechnik soll das bei der Zementherstellung entstehende Spurengas in entleerten norwegischen Öl-und Gaslagerstätten tief unter der Erde auf lange Sicht gespeichert werden. In anderen Ländern erprobt man die CO2-Verpressung in sogenannten salinen Aquiferen, mit salzhaltigem Wasser gefüllte, poröse und undurchlässige Gesteinsformationen. In den Ozeanen wird CO2 zu über 50 % auf natürliche Weise durch den Partialdruck in der Luft gespeichert.

Neues Industriecluster CCS Midt-Norge

Ein weiteres neues Industriecluster soll Chancen und Herausforderungen im Zusammenhang mit der CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) für Unternehmen in Mittelnorwegen untersuchen. Das Industriecluster aus sechs Unternehmen (Elkem Thamshavn, Equinor Tjeldbergodden, Franzefoss Minerals (NorFraKalk und Verdalskalk), Statkraft Varme, Wacker Chemicals Norway (Holla) und SINTEF Energi) trägt den Namen CCS Midt-Norge und soll den Weg für eine mögliche Entwicklung einer Infrastruktur für das CO2-Management in der Region aufzeigen. Das Projekt wird zu 50 Prozent von den Industriepartnern und zu 50 Prozent von CLIMIT finanziert, einem nationalen Programm, das finanzielle Unterstützung für Forschung, Entwicklung und Demonstration von CCS-Technologien bereitstellt. Die Arbeiten begannen im Frühjahr 2021 und dauern bis 2023. Eine mögliche Fortsetzung wird dabei evaluiert. „CCS als Technologie und Lösung wurde international als wichtiger Beitrag zur Erreichung der globalen Klimaziele und als Beitrag zu negativen Emissionen hervorgehoben. Norwegen hat ehrgeizige Klimaziele, und mehrere wichtige Industrieunternehmen in Mittelnorwegen wollen ihre CO2-Emissionen reduzieren, wo CCS eine mögliche Lösung ist“, sagt Projektleiterin Kristin Jordal von SINTEF. SINTEF zufolge Der Sektor ist so neu, dass der Finanz- und Regulierungsrahmen mangelhaft ist, was es der Branche erschwert, langfristige Entscheidungen über Investitionen in CCS zu treffen,. Zudem seien die Branchen mit dem größten CO?-Einsparpotenzial in Mittelnorwegen über eine große Region verteilt, was Logistik und Transport zu einem wichtigen Thema für den Cluster macht.

CCS Midt-Norge will diese Herausforderungen lösen mit:

  • Kartierung der industriellen Akteure in Mittelnorwegen als Voraussetzung, um CO2 an eine gemeinsame Infrastruktur zu liefern;
  • Entwicklung und Analyse von CO2 -Wertschöpfungsketten innerhalb einer gemeinsamen Infrastruktur;
  • Erstellen Sie eine realistische Kostenschätzung für mehrere Konzepte für effiziente Transporte und Zwischenlagerung in der Region;
  • Identifizierung und Analyse der Geschäftsmöglichkeiten und Erstellung einer vorläufigen Roadmap und aller regionalen Konzepte.

SINTEF geht davon aus, dass die Cluster-Zusammenarbeit zu mehr Verständnis, Fortschritten und Skaleneffekten im Zusammenhang mit der möglichen Umsetzung von CCS in der Region führt. Die gesamten Klimaemissionen Norwegens betragen ca. 50 Millionen Tonnen/Jahr CO2. Die Partner von CCS Midt-Norge repräsentieren ca. 1,5 Millionen Tonnen CO2/Jahr. Die Gründung des CCS-Clusters wurde von einer Machbarkeitsstudie angeregt, die SINTEF im vergangenen Jahr im Auftrag der Gemeinde Trondheim erstellt hat, um mehr über CCS als Instrument zur Erreichung ihrer Klimaziele zu erfahren. Gleichzeitig wollte die Gemeinde ihre Rolle als Vermittler für CCS sowohl in Bezug auf die Müllverbrennungsanlage von Statkraft Varme in Heimdal als auch in der Region außerhalb der Gemeindegrenzen verstehen. Als Ergebnis zeigt die Machbarkeitsstudie, dass es angemessen war, ein Projekt mit einem industriellen Cluster von Akteuren zur Zusammenarbeit und zum Erfahrungsaustausch rund um CCS zu etablieren.

Greenpeace strikt dagegen: „Risiko CO2-Endlager“

Nicht nur Greepeace ist strikt gegen CCS – hier eine Medienmitteilung stellvertretend für viel ablehnende: „Die Endlagerung von CO2 unter der Erde bedeutet für zukünftige Generationen ökologische und wirtschaftliche Altlasten. Es besteht die Gefahr von lebensgefährlichen Leckagen. CO2 ist zwar nicht giftig, führt aber in hohen Dosen zum Erstickungstod. Und weil es schwerer als Luft ist, kann es sich bei Leckagen in Bodensenken sammeln. Zudem verdrängt das verpresste Kohlendioxid im Boden Salzwasser, das dadurch ins Grundwasser gelangen kann. Hinzu kommen erhebliche Kosten, da CCS noch längst nicht marktreif ist. Es könnte großflächig frühestens in zwanzig Jahren eingesetzt werden. Und nicht zuletzt: Um die gleiche Strommenge zu gewinnen, benötigt man etwa ein Drittel mehr Brennstoff. Dies vervielfacht die Nachteile, die die Braunkohleförderung mit sich bringt: Zerstörte Landschaft, Zwangsumsiedlung, Grundwasserbelastung und Gefahr durch Erdrutsche.

Widerstand aus der Bevölkerung

Ein erstes CCS-Gesetz konnten Bürgerproteste bereits im Jahr 2009 verhindern. Bürgerinitiativen und Umweltverbände stoppten auch die CCS-Demonstrationsprojekte der Energieriesen RWE in Hürth und Vattenfall in Jänschwalde. Greenpeace gelang es, Anfang 2011 eine Karte mit 408 potenziellen Standorten zu veröffentlichen, die laut Bundesanstalten für Geowissenschaften für ein CO2-Endlager in Frage kämen. Der Gesetzgeber hatte die Auskunft zunächst verweigert. Letztendlich pfiff die Regierung jedoch auf allen Widerstand aus der Bevölkerung: Ein neues Gesetz zur Verpressung des Klimagases Kohlendioxid scheiterte zwar zunächst im Bundesrat, im Sommer 2012 gelang aber eine Einigung im Vermittlungsausschuss. Mit dem CCS-Gesetz setzt Deutschland die „EU-Richtlinie über die geologische Speicherung von Kohlendioxid“ um – dabei hätte sie die CO2-Endlagerung nach österreichischem Vorbild auch schlichtweg verbieten können.

Das neue CCS-Gesetz

Dem Kompromiss des Vermittlungsausschusses zufolge dürfen die Energiekonzerne in Zukunft Demonstrationsprojekte zur Abscheidung und Verpressung von bis zu 1,3 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr und Lagerstätte durchführen. Insgesamt dürfen damit jährlich maximal vier Millionen Tonnen CO2 verpresst werden. Diese Menge ist zwar enorm, würde aber nicht einmal ausreichen, um die Emissionen eines einzigen, großen Kohlekraftwerks abzudecken. Auf Druck der Bürgerproteste enthält das CCS-Gesetz eine sogenannte Länderklausel: Jedes Bundesland kann sich – nach Abwägung mit anderen Nutzungen des Untergrunds – gegen CO2-Endlager entscheiden, allerdings nur für das eigene Territorium. Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern haben bereits ein CCS-Verbotsgesetz beschlossen. Auch Niedersachsen beabsichtigt, die Länderklausel in Anspruch zu nehmen. Brandenburg gilt als Befürworter von CO2-Endlagern, obwohl sich gerade dort erheblicher Widerstand aus der Bevölkerung gegen die Kohle-Politik der rot-roten Landesregierung formiert. Aufgrund des Widerstands der Bürger gilt die CO2-Verpressung an Land inzwischen als gescheitert. Neuen Planungen zufolge soll das CO2 nun aber unter dem Meer verpresst werden. Wenn die Regierung auf Lager unter der Nordsee oder Ostsee ausweichen sollte, haben die Küstenbundesländer keine Einspruchsmöglichkeiten, auch wenn ihr Trinkwasser dadurch zu versalzen droht.

CCS untergräbt Energiewende

Die CO2-Endlagerung ist ein gefährlicher Irrweg, der keinerlei Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. Greenpeace sieht in CCS eine unkalkulierbare Risikotechnik, lehnt einen übereilten Einstieg in eine kommerzielle CO2-Verpressung ab und fordert deshalb einen Baustopp für Kohlekraftwerke sowie den Ausstieg aus der Kohlekraft bis spätestens 2040.

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