Katastrophale Umweltbilanz von Bio-Fuels

ifeu-Untersuchung der CO2-Opportunitätskosten von Biokraftstoffen – und ein Zweifel

Eine neue Studie im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zeigt, dass pflanzenbasierte Agrokraftstoffe aufgrund ihres enormen Flächenbedarfs noch klimaschädlicher sind als bisher bekannt. Das Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung ifeu hat einer Medienmitteilung zufolge ermittelt, dass der Anbau von Raps, Getreide & Co. zur Produktion von Agrokraftstoffen für deutsche Autosweltweit mehr als 1,2 Millionen Hektar wertvolle Agrarflächen belegt. Dieser immense Flächenverbrauch mache den angeblichen Klimavorteil von Agrokraftstoff gegenüber fossilem Sprit mehr als zunichte, so die DUH. Denn statt Monokulturen könne sich auf einer Fläche dieser Größe auch natürliche Vegetation entwickeln, die große Mengen an CO2 binde. Die DUH fordert deshalb, die Förderung von Agrokraftstoffen in Deutschland und in der EU sofort zu beenden.

Luftaufnahme: Rapsfelder bei Frankfurt – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Die Untersuchung des Heidelberger Instituts für Energie- und Umweltforschung ifeu von Horst Fehrenbach und  Silvana Bürck berechnet erstmals die sogenannten CO2-Opportunitätskosten für in Deutschland eingesetzte Biokraftstoffe. Die Einsparung an Treibhausgasemissionen durch den Einsatz von Anbau-Biokraftstoffen anstelle von fossilen Kraftstoffen betrug 2020 nach amtlichen Angaben 9,2 Mio. t CO2-Äq. Würde man auf diese Einsparung verzichten und stattdessen auf den für Biokraftstoffe belegten Flächen natürliche Vegetation aufwachsen lassen, wäre dadurch eine mittlere jährliche Kohlenstoffbindung von mehr als 16 Mio. t CO2 möglich. Das seien die CO2-Op-portunitätskosten der Biokraftstoffproduktion, und sie lägen deutlich höher als die Emissionsminderung durch den Ersatz von fossilen Kraftstoffen.

Darüber hinaus zeige die Studie, dass sich die derzeit durch Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse abgedeckte Fahrleistung auf nur ca. 3 % der Fläche über Solarstrom für Elektroantriebe zur Verfügung stellen lasse. Kombiniere man den Umstieg auf E-Mobilität mit einer Renaturierung der „freiwerdenden“ 97 % der Fläche, seien jährliche Emissionseinsparungen von 27 Mio. t CO2 möglich. Das sei nahezu das Dreifache der offiziell berichteten gesamten Einsparungen an Treibhausgasemissionen durch Biokraftstoffe.

Des Weiteren wären mit einer Renaturierung statt Anbau und Nutzung der Biokraftstoffe weitere ökologische Vorteile verbunden: Erhöhung des Anteils natürlicher Flächen, Schutz der Biodiversität und von Ökosystemleistungen, Verringerung des Eintrags versauernder und eutrophierender Stoffe in Boden, Wasser und Luft.

ifeu-Fachbereichsleiter Horst Fehrenbach: „Agrokraftstoffe zählen bisher als Beitrag zum Klimaschutz, aber unsere Studie zeigt: Die Bilanz hat einen großen blinden Fleck. In Deutschland und weltweit sind riesige Flächen für den Anbau von Agrokraftstoffen belegt. Würde man diese Flächen der Natur überlassen anstatt intensive Landwirtschaft zu betreiben, wäre dem Klimaschutz deutlich mehr gedient als durch den Ersatz von fossilem Sprit.“

DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner dazu: „Diesel aus Raps, Soja oder Palmöl und Benzin aus Getreide gehören nicht in den Tank. Unsere Studie zeigt: Der Anbau von Pflanzen für die Produktion von sogenannten ‚Bio-Kraftstoffen‘ schadet dem Klima und der biologischen Vielfalt. Viel Platz für Raps- und Getreideanbau für den Tank – allein in Deutschland sind dafür fast 500.000 Hektar Fläche belegt – bedeutet letztlich weniger Platz für natürliche Ökosysteme, die CO2 binden und vielfältige Lebensräume bieten. Der Ausstieg aus Agrokraftstoffen schafft sofort eine spürbare Flächenentlastung. Fruchtbares Ackerland muss für die naturverträgliche Nahrungsmittelproduktion priorisiert und geeignete Flächen, wie etwa entwässerte Moore, müssen konsequent für Renaturierung zur Verfügung gestellt werden. Das ist ohnehin bitter nötig, wenn die Ampel die rechtlich verpflichtenden Ziele für CO2-Senken aus dem Klimaschutzgesetz einhalten will.“

Sein Kollege Jürgen Resch: „Unsere Studie zeigt: Die gesamte Agrokraftstoffpolitik der letzten 15 Jahre war eine fundamentale Fehlkalkulation. Weder Agrosprit noch andere sogenannte ‚alternative‘ Kraftstoffe machen Verbrenner-Autos klimafreundlich. Solche Scheinlösungen dürfen nicht länger von der Politik gefördert werden. Damit der Ausstieg aus Agrokraftstoffen kein Wiedereinstieg in fossilen Sprit wird, muss das Verbrenner-Aus jetzt verbindlich festgelegt werden: Wir fordern ein EU-weites Ende der Neuzulassung von Pkw mit Verbrennungsmotor bis spätestens 2030 innerhalb der laufenden Revision der europäischen CO2-Flottengrenzwerte.“

Seit 15 Jahren werden Agrokraftstoffe von der EU und Deutschland gefördert, um CO2-Emissionen im Straßenverkehr zu senken und das Klima zu schützen. Das Versprechen können diese Kraftstoffe nicht halten und dürfen deshalb nicht länger als klimafreundlich gewertet werden.

Eine Gegenmeinung – faktenbasiert

Bernd Ahlers: „Auf 35 Seiten zeigen die Autoren Horst Fehrenbach und Silvana Bück mit verschiedenen Berechnungen, dass Biokraftstoffe prinzipiell keinen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Sie erwähnen zwar kurz RED II, aber dass die gesetzliche Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung den Nachweis verlangt, dass unter Berücksichtigung aller in der Studie aufgeführten Punkte die gesamte Produktionskette von der Landnutzung, dem Ackerbau (insbesondere Düngemittel, Pestizide, Maschinendiesel), der Verarbeitung und dem Transport, die sich ergebenden CO2-Werte addiert werden müssen und am Ende mindestens 60% weniger CO2 emittieren als fossile Kraftstoffe. Allein das garantiert, dass Biokraftstoffe einen Beitrag leisten.
Doch damit nicht genug, neben einigen Fehlern in den Berechnungen, z.B. benötigt ein E-Auto der Kompaktklasse unter 3.1.2.1 nicht 6,1 TWh für die angegebene Fahrleistung, sondern 8,3 TWh – und das nur im Temperaturbereich zwischen +15 °C bis +20 °C. Im weiteren Vergleich, Biokraftstoff vs. E-Mobilität, wird Strom aus Solaranlagen als Benchmark herangezogen. Nun wissen wir, dass der Strom aus den Ladestationen aus der „Steckdose“ kommt, ein Strommix aus div. Quellen, auch aus Kohlekraftwerken (in Zukunft noch mehr). Forscher des Fraunhofer ISE Instituts haben errechnet, dass ein Elektroauto mit einer 58 kWh-Batterie (Mittelklasse) 100.000 km benötigt, um einen CO2-Vorteil gegenüber einem Benziner zu erreichen. Bei der Herstellung eines Elektroautos wird doppelt so viel Umwelt zerstört wie bei einem Auto mit Verbrennungsmotor. Beim Elektroauto sind es vor allem die Batterierohstoffe, die große Umweltschäden verursachen.
Bleiben wir bei den Umweltschäden. Der Vergleich, den die Autoren für ihre CO2-Bilanz heranziehen, ist Benzin und Diesel, wie er aus der Zapfsäule kommt (+ einige CO2-Werte aus dem Transport von der Raffinerie zur Tankstelle). Aber das Wichtigste, was unsere Autoren in ihrer Studie nicht berücksichtigen, ist die Tatsache, dass Benzin und Diesel, bevor sie in die Tanks der Tankstellen gepumpt werden, für enorme Umweltschäden verantwortlich sind und vielen Menschen die Lebensgrundlage entzogen haben.
Denken wir an Exxon Valdes, Deepwater Horizon (einige Fotos anbei), die ölverseuchten Küsten, die Abholzung der borealen Wälder in Alberta, Kanada (700.000 ha/a), das verseuchte Nigerdelta und unzählige andere Katastrophen, die Tag für Tag die Umwelt durch und mit Öl zerstören. Allein das Abfackeln des „Begleitgases“ verursacht 300 Millionen t CO2/a.“
In Anbetracht dieser Fakten kommt Kritiker Bernd Ahlers „zu dem Schluss, dass es sich um eine Gefälligkeits-Fake-Studie handeln könnte“.
Kommentare wie dieser geben Meinung und Informationen der Kommentierenden wieder, nicht in jedem Fall die von Solarify.

->Quellen: