Während Wind- und Solarstrom immer günstiger werden, setzt die Bundesregierung weiter auf Gas. Katharina Reiche vertritt diesen Kurs – und dass sie ihn ausgerechnet in Zeiten sinkender Ökostrompreise vorantreibt, wirkt wie eine fatale Fehlentscheidung mit Folgen für Klima und Verbraucher.

Sparflamme bei den Erneuerbaren. Vollgas beim Verbrennen fossiler Energien. Die Botschaft der Energieministerin lässt Fatales befürchten. Foto von Pruthvi Sagar
Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein. Die Weichenstellungen der neuen Bundesregierung sorgen jedoch für Diskussionen. Am Montag hat Wirtschaftsministerin Katharina Reiche (CDU) in Berlin ein Gutachten zur Energiewende vorgestellt und daraus zehn Maßnahmen abgeleitet. Im Zentrum steht die Ankündigung, die Förderung für neue Solaranlagen auf Dächern zu streichen. Gleichzeitig soll der Bau neuer Gaskraftwerke ausgeschrieben werden. Reiche bekräftigt zwar das Ziel von 80 Prozent Ökostrom bis 2030, setzt zugleich aber auf eine Verlangsamung des Ausbaus erneuerbarer Energien.
Laut der Ministerin müsse die Energiewende bezahlbar bleiben, sowohl für Haushalte als auch für Unternehmen. Die bisherigen Ausbauziele gingen von einem Strombedarf von 750 Terawattstunden im Jahr 2030 aus. Reiche hält diese Prognose für zu hoch und rechnet nur mit 600 bis 700 Terawattstunden. Der aktuelle Verbrauch lag 2025 bei etwa 510 Terawattstunden. Grundlage ihrer Einschätzung ist die Annahme, dass die Elektrifizierung langsamer voranschreitet als geplant, beispielsweise bei Wärmepumpen, Elektroautos oder Rechenzentren. Zwar bestätigt der von EWI und BET erstellte Monitoringbericht, dass eine Bandbreite von 580 bis 700 Terawattstunden plausibel erscheint, er weist aber auch auf große Unsicherheiten hin.
Umweltverbände und Fachleute warnen, dass ein zu niedrig angesetzter Strombedarf den Ausbau bremst und spätere Korrekturen teuer machen würde. Die Klimareporter° kritisieren, dass Reiche die Bedarfszahlen bewusst klein rechne, um ihre Vorschläge plausibler wirken zu lassen. Solar- und Windstrom sind längst wettbewerbsfähig und werden kontinuierlich günstiger. Gleichzeitig steigen die Gaspreise nicht nur durch hohe Grundkosten, sondern auch durch die steigenden Kosten für CO2-Zertifikate. Wer jetzt neue Gasstrukturen baut, riskiert, in eine Kostenfalle zu geraten. Insbesondere, wenn Speicher, Netzausbau und Flexibilitätsoptionen zugunsten fossiler Reservekraftwerke vernachlässigt werden.
Reiche hat beruflich mehrere Verbindungen zur Energiebranche. Bis Anfang 2025 war sie Vorstandsvorsitzende der Westenergie AG, einer Tochter von Eon, die unter anderem Gasnetze betreibt. Zuvor leitete sie den Verband kommunaler Unternehmen (VKU), dessen Mitglieder im Energie- und Gasgeschäft vertreten sind. Kritiker sehen darin einen möglichen Hintergrund für ihre Affinität für fossile Brennstoffe. Besonders umstritten ist die angekündigte Streichung der Förderung von Dach-PV-Anlagen. Reiche argumentiert, Photovoltaikanlagen rechneten sich inzwischen auch ohne staatliche Zuschüsse. Laut dem Gutachten droht beim Wegfall der Einspeisevergütung jedoch ein Einbruch beim Ausbau. Solarstrom gilt bislang als zentrale Säule, um die Klimaziele erreichbar zu machen. Eine Säule, die hier sehenden Auges untergraben wird.
Die Ministerin möchte auf fossile Backup-Kapazitäten setzen. Geplant ist ein Kapazitätsmarkt, in dem vor allem neue Gaskraftwerke vergütet werden sollen, damit sie bei Dunkelflauten einspringen können. Diese Strategie stößt jedoch auf Skepsis, da auch Alternativen wie Batteriespeicher, Lastmanagement und ein schnellerer Netzausbau geeignet wären, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Das Gutachten selbst sieht zwar Bedarf für flexible Reservekapazitäten, legt sich jedoch nicht einseitig auf Gas fest.
Reiches Kurs, der auf vermeintliche Kostenreduktion und den Ausbau von Gaskraft setzt, droht die Energiewende zu verlangsamen. Ein niedrig angesetzter Strombedarf lässt die Ausbauziele zwar günstiger erscheinen, birgt aber die Gefahr, dass Deutschland bei Verkehr, Wärme und Industrie abgehängt wird und im fossilen Zeitalter stecken bleibt. Anstatt Milliarden in fossile Strukturen zu lenken, fordern Experten, Wind- und Solarenergie konsequent mit Netzen und Speichern zu verzahnen. Das Gutachten liefert dafür konkrete Ansätze. Ob die Politik sie aufgreift, scheint angesichts von Reiches Aussagen fraglich.
Quellen:
- Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: „Artikel: Klimaneutral werden – wettbewerbsfähig bleiben
- Monitoringbericht Energiewende. Effizient. Machen. (EWI, BET, im Auftrag des BMWK, 2025)
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