„Danke für den herzhaften Streit“

Systematisierung der Energiewende

Wir drücken unseren Strom unseren Nachbarn ins Netz. Die Polen fahren ihre Kraftwerke runter und schreiben uns Briefe, dass sie sich die Europäische Union auch anders vorgestellt hätten. Und so geht das munter weiter und ich glaube, dass die Aufgabe dieser Legislaturperiode ist, das zu beenden und jetzt dafür zu sorgen, dass wir zu einer Systematisierung der Energiewende kommen. Ich glaube, dass wir da auf ziemlich gutem Weg sind.

Frau Müller, wenn Sie beklagen, dass das alles nicht schnell genug geht, dann, finde ich, sollten wir es uns mindestens mal auf so einer Tagung doch auch sagen, warum das der Fall ist. Die Aufgabe ist sehr… Warum sind Vorgänger-Regierungen der Beantwortung ausgewichen? Warum sind sie, ich sag das mal zurückhaltend, jetzt auch nicht immer superkonsistent in allem, was sie uns vorschlagen?

Es hat weder etwas mit einem kollektiv bösen Willen oder Unvermögen zu tun. Das hat mit zwei Dingen zu tun: Es ist super komplex geworden. Politik stellen sich ja manche immer vor wie so ein Seil: Man zieht an der einen Stelle, und an der anderen bewegt es sich. Es ist aber inzwischen längst ein Netz, und wenn man an einer Stelle zieht, bewegt es sich vermutlich an vielen Stellen und insbesondere da, wo man eigentlich gar nicht will, dass es sich bewegt.

Wir haben zweitens den Grund, dass es konfliktbeladen ist. Sie haben diese Konflikte im eigenen Verband. Ihre Stadtwerke, viele von denen jedenfalls, haben uns Briefe geschrieben, wir sollen unbedingt den Klimabeitrag machen. Übrigens, Sie haben Partner, die Sie im Widerstand gegen den Klimabeitrag unterstützen, die am Tag nachdem wir Ihre Vorschläge bei KWK umsetzen, auf den Bäumen sein werden, weil die dann feststellen, das man das bezahlen muss, nämlich durch eine deutlich wachsende KWK-Umlage.

Und dann wird am Tag, nachdem wir das machen, die Debatte losgehen, warum wir eigentlich den Mittelstand erneut über höhere Kraft-Wärme-Kopplungsumlagen belasten und andere große Energieverbraucher nicht. Das heißt: Es ist nicht etwa so, das irgendwie dumme Leute da sitzen, oder es gibt massive Konflikte. Es gibt Eigeninteressen, und die werden wir öffentlich machen müssen, und zu denen muss man sich jetzt verhalten. Und das ist das Gute an der jetzigen Situation. Die Zeit des sich Drückens um Entscheidungen und um Verantwortung, die ist jetzt vorbei. Jetzt muss unser Land sagen, wie es diesen Weg weiter gehen will, und deswegen glaube ich, nützt es uns nichts, wenn wir uns gegenseitig erklären, mit was wir alles unzufrieden sind. Das Leben ist halt so wie es ist und wer sich in der Politik einmischt, der wird nicht nur mit Beifall zu rechnen haben. Aber es geht schon darum, dass wir die Komplexität nicht verniedlichen, und bei Konflikten nicht so tun als gäbe sie nicht.

Ich finde, wir sind in einer ganzen Reihe von zentralen Handlungsfeldern ja auch weitergekommen. Wir haben jetzt eine 10-Punkte-Energieagenda aufgestellt mit einem ganz klaren Fahrplan. Zu dem gehört allerdings auch, da hat Frau Müller völlig Recht, dass wir vor der Sommerpause ganz wichtige Bausteine, jedenfalls politisch, entscheiden. Im deutschen Bundestag wird das sicherlich erst nach der Sommerpause sein. Das ging los mit der EEG-Novelle, wo wir ja doch ganz erhebliche Zeichen gesetzt haben und uns, finde ich, in einem komplizierten Prozess dann ja auch auf, wie ich glaube, eine gute Lösung verständigt haben. Mit der Reform haben wir die Kostendynamik bei den erneuerbaren durchbrochen und einen verlässlichen Ausbaupfad definiert und übrigens auch wichtige Schritte auf dem Weg zur Markt- und Systemintegration geschaffen.

Die erste Runde der Ausschreibungen bei den PV-Freiflächen, wo alle gesagt haben, dass funktioniert nicht, konnte bereits erfolgreich abgeschlossen werden, und die zweite Runde läuft. Und parallel arbeiten wir mit Hochdruck am künftigen Ausschreibungsdesign für alle erneuerbaren Technologien. Also weg von der bisherigen Förderung, hin zur Ausschreibung. Die größte energiepolitische Herausforderung diesen Jahres sind aber die Fragen, die unter dem Stichwort Strommarkt zusammengefasst werden. In der Öffentlichkeit haben wir eine Diskussion, dass sozusagen die Frage des Klimabeitrags die schwierigste Frage sei. Ehrlich gesagt, finde ich das nicht. Es ist eine wichtige Frage, und die müssen wir jetzt auch entscheiden. Aber viel bedeutsamer ist die Frage: Welches Design soll unser künftiger Strommarkt haben? Dort sollen die Signale kommen, die notfalls auch ausreichen, um Investitionstätigkeit anzuregen und berechenbar zu sein.

Folgt: Frage des künftigen Strommarktdesigns, KWK und Klimaziele