Die Vermessung der Ozeane

Wie gehen Sie damit um, dass es noch immer einige Menschen gibt, die den Klimawandel bestreiten?

Die Fakten insbesondere die Erwärmung des Ozeans zweifelt kaum noch jemand an, Wissenschaftler schon gar nicht. Ich höre eher: „Was ihr gemessen habt, ist zwar richtig, aber die Erklärung ist falsch. Das System schwankt immer, das ist kein Klimawandel.“ Das ließe sich zum einem mit langen Messreihen widerlegen. Aber wir können und brauchen nicht erst noch mal 50 oder 60 Jahren zu warten, bis wir das Problem sicher geklärt haben. Uns helfen bei der Erklärung das Verständnis des Systems Ozean, die Wissenschaft entwickelt dazu auch immer besser werdende Ozean- und Klimamodelle. Mit denen lassen sich sowohl die Schwankungen, aber auch die Erwärmung simulieren und erklären. Der Meeresspiegel reagiert sehr langsam, mit sehr viel Nachlauf.

Die Diagnose der Erderwärmung wird von manchen nicht angezweifelt, weil man die Wissenschaft anzweifelt, sondern weil man die Konsequenzen scheut, die vernünftig wären, eine CO2 -arme Gesellschaft, manche möchten aber ihr Verhalten nicht ändern und zweifeln deshalb die Diagnose an. Wir in der Klimaforschung machen Diagnosen und Vorhersagen, für die Umsetzung von zum Beispiel CO2-armen Energiesystemen braucht  es die enge Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen. Etwa bei der Frage: Wie kann ich eine wachsende Weltbevölkerung so versorgen, dass die CO2-Belastung nicht signifikant steigt? Das kann die Wissenschaft nur durch interdisziplinäre Teams aus Physikern, Ernährungsexperten, Ingenieuren und Ökonomen beantworten. In der Helmholtz-Gemeinschaft haben wir diese Expertise und sollten diese konsequent bündeln, um solche Zukunftsfragen beantworten zu können. Ozean-Beobachtungssysteme spielen dabei auch eine wichtige Rolle.

[note Prof. Dr. Martin Visbeck vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ist Experte für Physikalische Ozeanographie und Koordinator des internationalen Projekts AtlantOS, das jetzt die Beobachtungssysteme und Daten von vielen verschiedenen Partnern zusammenführt und die Forschung durch die Nutzung von Synergien vorantreiben will.]

AtlantOS steht für „Optimising and Enhancing the Integrated Atlantic Ocean Observing Systems“ und ist ein im Rahmen des EU-Programms für Forschung und Innovation, Horizon 2020, mit 20 Millionen Euro gefördertes Projekt. Visbeck koordiniert das aus 62 Mitgliedern bestehende Konsortium, in dem 18 Länder vertreten sind. Aus der Helmholtz-Gemeinschaft beteiligt sich nicht nur das GEOMAR, sondern auch das AWI.
Um das bessere Verständnis der Ozeane und ihrer Rolle im Klimasystem geht es auch bei der Brüsseler Helmholtz-Jahresveranstaltung „Our unknown oceans: Understanding their role – exploring their potential“. Die Europäische Kommission treibt die Nutzung der Ozeane mit ihrer Blue Growth Strategie voran. Gleichzeitig ist noch zu wenig Wissen vorhanden, um die Auswirkungen verschiedener Nutzungsszenarien abschätzen zu können. Dafür ist es unter anderem wichtig, die verschiedenen Beobachtungssysteme auf einander abzustimmen – wie es im AtlantOS-Projekt geschieht. Visbeck wird am  15. März 2016 mitdiskutieren, wenn es in Brüssel um die Frage geht, wie sich die Ressourcen der Ozeane umweltverträglich und nachhaltig nutzen lassen.

->Quelle: helmholtz.de/erde_und_umwelt/