Neuer Solarboom in Deutschland und der EU?

Karl Remmers bloggt: Der Photovoltaikmarkt 2016/2017

Im Weltmarkt für neu installierte PV-Systeme sind nach Meinung vieler Marktbeobachter über 100 GWp in 2020 zu erreichen. Die Zahlen variieren, der Markt könnte allerdings nach für 2016 erwarteten 72 GWp 2017 64 GWp fallen, bevor 2018 wieder ein Anziehen erwartet wird. Durch ein (zu erwartendes) schwaches zweites Halbjahr 2016 sind die Preise für Solarmodule auch in den durch Zölle abgeschotteten Märkten der EU und den USA stark gefallen. Remmers blickt in seinem Blog in die Zukunft.

Nachdem im Segment der Leistungselektronik (Wechselrichter), Batterien und vor allem auch der Montagesysteme sowie in der Montage bereits seit einigen Jahren ein massiver Wettbewerb und Preissenkungen zu sehen waren, kommen nun die massiven Fortschritte in den Kostenstrukturen bei der Zell- und Modulfertigung mit einem „Überschwinger“ voll zur Geltung. Aus für mich unverständlichen Gründen scheint der Markt über die neue Situation überrascht zu sein, denn bereits in früheren Wachstumsphasen der Branche gab es immer wieder Wechsel von starker Nachfrage und Einbrüchen.

Und wer nun darüber meckert, dass China den Markt nicht mehr so stark ausbaut, sollte seine Einstellung überprüfen: Denn China hat im ersten Halbjahr 2016 mehr als 20 GWP neu installiert. Und damit ist – salopp gesprochen – der sehr große Sack halt voll. In China selbst wird nun ein massiver Abbau von Produktionskapazitäten bei Zellen und Modulen erwartet: Die alten und unwirtschaftlichen Produktionsanlagen haben keine Daseinsberechtigung mehr und müssen weichen. Auch werden neue Produktionen im Gros nur außerhalb von China errichtet.

In 2017 dürfte der nächste Zyklus auch für den Maschinen- und Anlagenbau in der Produktion kommen, die Kapazitätserweiterungen der gesamten Wertschöpfungskette werden verlangsamt und die Aufträge dort entsprechend reduziert.

Da die Module im Einkauf der Komponenten noch immer ein sehr große Rolle spielen, könnte das endlich erzielte Weitergeben vom Produktionsvorteilen einen neuen PV-Boom in Deutschland und der EU auslösen. So war es zumindest in der Vergangenheit. Kommt es wieder so?

Die Bewegungen im Weltmarkt

In den vergangenen Jahren ist der Weltmarkt für die Photovoltaiksysteme in Hinblick auf die jeweils neu installierte Leistung jedes Jahr gewachsen. Schwächelte eine Weltregion, zog eine andere mit neuen Markteinführungs-Programmen an. Zuletzt war China die stärkste Lokomotive, gefolgt von den USA und Japan. In der EU hatte bis Ende März 2016 Großbritannien für eine gewisse Dynamik in einem sonst schwachen Markt gesorgt. Das Jahr 2016 wird im Gesamtjahr erneut ein Wachstum gegenüber 2015 sehen, allerdings waren Q1 und 2 so stark, dass nun Q3 und Q4 deutlich schwächer sein werden, der Einbruch in China ist dabei am stärksten. Die Analysten von Roth Capital sehen sogar eine Schwächephase von einigen Quartalen, und die Stimmen werden lauter, die aufgrund der Schwächen in diversen Regionen für 2017 erstmals einen globalen Rückgang der weltweit installierten Anlagen sehen, bevor ab 2018 ein beschleunigtes Wachstum prognostiziert wird. Allerdings dürften noch immer mehr als 90% der neu installierten PV-Anlagen von entsprechenden regionalen Förderprogrammen abhängig sein, was bei politischen Kurskorrekturen oftmals abrupte Veränderungen brachte und wohl auch weiterhin bringen wird.

War noch zum Jahreswechsel 2015/16 die Auslastung der Hersteller von Zellen und Modulen global sehr hoch, verbunden mit entsprechend hohen Preisen, so ist beides seit Sommer 2016 deutlich gefallen. Die Analysten von Roth erwarten denn auch einen Rückgang der mittleren Modulverkaufspreise großer internationaler Hersteller von 0,53-0,58 $/Wp auf 0,43-0,47$/Wp. Die Verkaufspreise für größere Bezugsmengen werden oftmals darunter liegen. 2017 könnten die Preise auf bis zu 0,34 $/Wp fallen.

Roth geht dabei davon aus, dass die effizientesten Hersteller dabei oberhalb von 0,35$/Wp noch positive Deckungsbeiträge erzielen können, der Markt aber insgesamt in den Herstellungssegmenten eine erneute Konsolidierungsphase sehen wird. Bloomberg New Energy Finance kommt zu ähnlichen Zahlen und Erwartungen. Es bleibt dabei hervorzuheben wie stark damit auch die Kostenstrukturen der besten internationalen Hersteller gesunken sind und wie verteilt diese Fertigungen nun auf der Welt sind, denn das Gros der neuen und effizientesten Fertigungen wurde nicht in China errichtet.

Auch die Kapazitäten für die Wechselrichterherstellung sind massiv gewachsen und einige sehr leistungsfähige Hersteller liefern einander mit vielen weiteren Anbietern auch hier einen immer stärker werdenden Wettbewerb. Angesichts der geringeren Gesamtnachfrage in den Märkten wird sich der Wettbewerb auf Kosten der Margen massiv weiter verstärken, verbunden auch hier mit einem weiteren Rückgang der mittleren Verkaufspreise. Zunehmend werden auch bei Großprojekten dabei zentrale Einheiten von dezentralen Wechselrichtern verdrängt. Erschwerend kommt hinzu, dass durch Insolvenzen, Verkäufe in den letzten Jahren oder auch schlicht durch eine verfehlte Firmenpolitik vielfach erhebliche Serviceprobleme auftreten. Diese treiben Kunden in größer werdenden Umfang von Teilen ihrer bestehenden Lieferanten weg hin zu neuen oder auch schlicht besser arbeitenden Anbietern. Entsprechend steht dieses Marktsegment vor einer massiven Konsolidierungswelle, zumal kaum ein Marktpartner derzeit eine zeitnahe Verbesserung des Marktvolumens erwartet.

Folgt: In Europa „FIT- Party“ zu Ende