Wie gelingt das Gemeinschaftswerk?

Bürger mitnehmen – Dialogprozess – zweite Fragerunde

Bürgerinnen und Bürger wollen in energiepolitische Planungs- und Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Gleichzeitig bringen organisierte Akteure ihre Sichtweisen ein: Unternehmen und Verbände, NGOs und Gewerkschaften sowie Bund, Länder und Kommunen. Nach der Eingangsfragerunde diskutierten Gesine Schwan (Präsidentin der HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform), Holger Lösch (Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung) und Karl Eugen Huthmacher (Abteilungsleiter im BMBF), wie diese unterschiedlichen Positionen gegeneinander abgewogen werden können und in welcher Form Stakeholder die Energiewende mitgestalten sollten. Außerdem gingen sie der Frage nach, wie Wissenschaft dieser Perspektivenvielfalt Rechnung tragen kann. Die Diskutierenden waren sich darin einig, dass alle Wissensbestände – auch die aus der Praxis – einbezogen werden müssen, um die Energiewende zum Erfolg zu führen.

Gesine Schwan sah zwar einen „Grundkonsens über die Energiewende – aber viele widerstrebende Interessen“. Die Beteiligten müssten „die Erkenntnis gewinnen, dass sie etwas davon haben, wenn sie einander zuhören.“ Die Wissenschaft müsse sich drauf einlassen, alle müssten sich aufeinander einlassen. Lösch forderte, das große Ganze zu betrachten; der BDI mit 38 Einzelverbänden lebe vom Aushandelungssprozess: „Für uns ist die mühsam erarbeitete Position wertvoller, als wenn wir eine Einzelposition eines Unternehmens übernähmen – aber manchmal ist es, wie Schlögl sagte, manchmal nervt’s schon“.

Huthmacher sah „große Probleme, die Wissenschaft relevant zu machen – einmal habe man das geschafft, bei einem Gas, das nicht riecht, das man nicht schmecken kann, mit dem wir aber eine ganze Weltpolitik geändert haben“. Bei Migrationsforschung seien die Bibliotheken auch voll… Die Wissenschaft müsse frei agieren können. Was aber, wenn einer nicht zuhören will? Bei ESYS sei es ein organisierter Prozess, dass Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Wirtschaft ins Gespräch kämen.

Lösch sah in der deutschen E-Mobility-Förderung das Beispiel einer politisch gewünschten Marktentwicklung; die Prämie sei „nicht eben der Burner, in anderen Ländern wird massiv ordnungspolitisch interveniert, in wieder anderen wird so etwas über Steuern geregelt“. Jedenfalls gebe es aktuell erst 66.000 E-Autos in Deutschland gegenüber 40 Millionen anderer KFZ.

Schwan wies zudem darauf hin, dass E-Mobilität nicht alles sei, auch wenn gerade alle davon reden, aber manche NGOs  machten immer wieder darauf aufmerksam, dass der Inividualverkehr der Zukunft ganz anders aussehen werde. Die Autobauer müssten jetzt einsehen, nicht jetzt mit etwas ganz schnell Gewinne zu machen, das dann aber auslaufe. Zukunftsinvestitionen anzuschauen, sei umso wichtiger, neue Präferenzen zu sehen, um damit Geld zu verdienen- „Da hat die Wissenschaft viel angesammelt, das fruchtbar anzuwenden ist“. Für Lösch ist das der Fall, „die Wahrnehmung sei da; Unternehmen investieren viel in Startups; die Szene spürt das, es ist eine Menge in Bewegung“. Für Huthmacher muss die Wissenschaft eine wichtige Rolle spielen. Denn wer den Faktencheck in der politischen Diskussion ablehne, sei nicht auf dem Laufenden: „Ich muss die Welt, wie sie ist, zurückspiegeln – im Kern geht es um das Zusammenspiel.“ Im BMBF sei man stärker auf die zugegangen, welche die Wissenschaft bräuchten, habe die Mittlerrolle angenommen und auszufüllen versucht – „entscheidend sind dabei die Konflikte und deren Lösungen“. Lösch dagegen sah das Verhalten der NGOs „oft widersprüchlich: Oft problemlos für das große Ganze, lehnen sie das Kleine jeweils ab. Alle sind für die Energiewende, aber gegen jede Stromtrasse. Alle Gruppen sind gefordert, das jeweils besser zu erklären.

Folgt: „Verbraucherpolitik für die Energiewende“