Abschalteinrichtung illegal, Betriebserlaubnis erloschen

Urteil des Landgerichts München II: VW verliert reihenweise im Abgas-Skandal

Das Landgericht München II hat einen Händler zur Rücknahme eines manipulierten VW Golf verurteilt. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die Betriebserlaubnis von Gesetzes wegen erloschen sei und dass der Vortrag von VW, es werde keine illegale Abschalteinrichtung verwendet, offensichtlich falsch sei. Es liege eine illegale Abschalteinrichtung vor, urteilte das Gericht (AZ 12 O 1482/16). Eine Mitteilung der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Lahr.

Mit dieser Entscheidung sei ein weiteres Urteil einer ganzen Reihe zugunsten von VW-Geschädigten ergangen. Bahnbrechend seien die Ausführungen des Landgerichts München II insoweit, als es in der jüngsten Zeit einen Aufschrei über die  Behauptung von VW gegeben habe, man habe in Europa gar keine illegale Abschalteinrichtung verwendet. Dafür fand das Münchner Gericht jetzt deutliche Worte:

„Soweit die Beklagte [die Volkswagen AG] der Auffassung ist, dass es sich bei der verbauten Software um keine ‚Abschalteinrichtung‘ … handelt … ist dies offensichtlich unzutreffend. Nach der genannten Vorschrift liegt eine Abschalteinrichtung u.a. dann vor, wenn es sich um ein Konstruktionsteil handelt, das sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb zu erwarten sind, verringert wird: bei der verbauten Software handelt es sich um ein derartiges Konstruktionsteil. Denn diese Software ermittelt Parameter zum Erkennen des Straßenbetriebs und schaltet hierfür die AGR teilweise so ab, dass weniger Abgase wieder in den Ansaugbereich des Motors gelangen. Hierdurch wird die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems verringert. Diese tatsächlichen Umstände haben beide Beklagten ausdrücklich eingeräumt.“

Nachbesserung unzumutbar, keine Fristsetzung notwendig

Das Landgericht München II war auch der Ansicht, dass eine Nachbesserung unzumutbar sei. Eine Frist zur Nachbesserung habe daher nicht gesetzt werden müssen: „Schon der Zeitraum von mehreren Monaten bis zur denkbaren Durchführung einer Nachbesserung und die Unwägbarkeiten die mit dieser Nachbesserung selbst nach dem Vortrag der Beklagten verbunden sein können, müssen von einem Käufer nicht hingenommen werden. Die Unwägbarkeiten der Nachbesserung ergeben sich auch aus dem Vortrag der Beklagten. Denn diese musste -en passant- einräumen, dass noch Testungen der von ihr neu geschaffenen Software erforderlich sind. Dies bedeutet auch, dass die Auswirkungen auf den Alltagsgebrauch mit einer neuen, der Euronorm 5 entsprechenden Software noch nicht absehbar sind. Dass das Eingehen dieses Risikos für die Klägerin ganz offensichtlich unzumutbar ist, liegt auf der Hand. Denn die Beklagte konnte auch die unausgesprochene Frage, weswegen in der Vergangenheit nicht schon eine Software entwickelt worden ist, die dazu führt, dass der Pkw den Voraussetzungen der Euronorm 5 entspricht, nicht beantworten. Denn wenn sich das Einhalten der Norm lediglich auf ein Softwareproblem reduzieren ließe, so ist nicht nachvollziehbar, weswegen die Beklagte dieses – lapidare – Problem nicht schon in der Vergangenheit bewältigen konnte. Deswegen darf die Klägerin auch berechtigt Sorge tragen, dass das Softwareupdate an mehreren Punkten den Fahrzeuggebrauch im Sinne von Einschränkungen, Erschwernissen oder Wertbeeinträchtigungen zu ihren Lasten verändern wird. Eine Gewissheit im Sinne einer naturwissenschaftlichen Erkenntnis hierüber ist zum jetzigen Zeitpunkt für die Beantwortung der Rechtsfrage nicht erforderlich. Abgesehen davon ist es Aufgabe der Beklagten, Sicherheit über den künftigen Erfolg der Nachbesserung zu schaffen. Hierfür gibt der Vortrag beider Beklagten nichts her.“

[note – VW verliert reihenweise Prozesse

Betriebserlaubnis erloschen

VW-Auspuff, alt - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft_20150930_143943Das Landgericht München II äußert außerdem die Ansicht, dass die Betriebserlaubnis des VW Golf von Gesetzes wegen erloschen ist. Es führt aus: „Zu berücksichtigen ist auch, dass die Betriebserlaubnis für den PKW kraft Gesetzes gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 StVZO erloschen ist. Dass die Behörden an diesen Umstand momentan für Hunderttausende Kraftfahrzeugführer keine Folgen knüpfen, ist für sich genommen für § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 StVZO unerheblich, da die Rechtsfolge kraft Gesetzes eintritt -unabhängig von behördlichen Maßnahmen.“ Damit widerspricht das Gericht der Ansicht von VW, dass das Fahrzeug über alle erforderlichen Erlaubnisse und Genehmigungen verfüge.

Bahnbrechende Begründung

Diese Begründung sei bahnbrechend, so die Anwälte. Soweit ersichtlich, habe bisher kein Gericht mit einer derartigen Begründung gegen einen Händler entschieden.

[note Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Lahr ist nach eigener Aussage „die führende Kanzlei im VW Abgasskandal. Die Kanzlei berät und vertritt bundesweit ca. 30.000 Geschädigte im VW Abgasskandal. Von der Kanzlei wurden bereits mehr als 700 Klagen gegen Händler sowie gegen die Volkswagen AG bei zahlreichen Gerichten bundesweit eingereicht.“]

->Quellen:

https://www.vw-schaden.de/aktuelles/vw-skandal-urteil-haendler-muss-fahrzeug-zuruecknehmen-landgericht-muenchen-urteilt