Ratschlag gegen die Unwahrheit

„Nehmen wir uns Zeit, und machen uns die Mühe, Falschinformationen zu korrigieren“

Wenn in Zeitungen und den sogenannten sozialen Medien (inzwischen auch ständig vom künftigen US-Präsidenten) unhaltbare wissenschaftliche Behauptungen verbreitet werden – „was sollen Forscher dann tun?“ fragt das Portal klimafakten.de. Phil Williamson plädiere im Fachmagazin Nature für „unverdrossenes Widersprechen“, und er mache „einen ganz konkreten, innovativen Vorschlag“.

Ob es um Impfungen geht oder um den Klimawandel – „die Menge von Nonsens, der über Wissenschaft geschrieben wird, ist am Zunehmen“. Mit dieser Analyse beginnt sein Kommentar in der aktuellen Ausgabe des Forschungsmagazins Nature, den er mit einer schlichten Empfehlung überschrieb; „Take the time and effort to correct misinformation“. Der britische Geochemiker Phil Williamson von der University of East Anglia sei einer der führenden Fachleute im Fachgebiet Ozeanversauerung, und vor ein paar Monaten habe er öffentlich und sehr detailliert einem Artikel des rechtskonservativen Journalisten und Klimawandel-Leugners James Delingpole widersprochen.

„Widerlegen von Schwachsinn erfordert Zehnerpotenz mehr Energie als dessen Produktion“

Ein solches Unterfangen sei extrem aufwändig, schreibt Williamson und zitiert – mit sarkastischem Augenzwinkern – das sogenannte Brandolini-Gesetz, benannt nach einem italienischen Informatiker: „Das Widerlegen von Schwachsinn erfordert eine Zehnerpotenz mehr Energie als dessen Produktion.“

[note In den vergangenen Wochen zirkulierte dieses Bildmotiv im Internet. RationalWiki zufolge müsse dieser Satz Alberto Brandolini zugeschrieben werden (Foto) und sollte ab jetzt als Brandolinis Gesetz gelten, schreibt Ordre Spontané: „Eine Lüge kann um die halbe Welt reisen, während die Wahrheit immer noch dabei ist, ihre Schuhe anzuziehen“ – dieses Zitat stamme nicht von Mark Twain, sondern sei eine leicht modifizierte Version von Charles Spurgeons Satz von 1859 „eine Lüge geht um die Welt, während die Wahrheit immer noch ihre Stiefel anzieht“, der wiederum könnte von Jonathan Swifts „Die Lüge fliegt, und die Wahrheit hinkt hinterher“ inspiriert worden sein (1710). Die Feststellung könne sich auch auf die Teoria della Montagna di Merda („Blödsinns-Berg-Theorie“), von Uriel Fanelli beziehen (nach: ordrespontane.blogspot.de).]

Für Fakten offene Leute nicht mit verwirrenden Falschaussagen allein lassen!

Trotzdem, argumentiert Williamson, müssten sich Wissenschaftler die Mühe machen. „Der wissenschaftliche Prozess endet nicht, wenn die Forschungsergebnisse in einer peer-reviewten Fachzeitschrift veröffentlicht sind.“ Es gehöre auch zu den Aufgaben der Wissenschaft, für die weitere Verbreitung ihrer Ergebnisse zu sorgen. Forschern sollte dabei aber klar sein, dass sie sich weniger an jene Leute richten, die falsche und ideologisierte Aussagen über die Wissenschaft verbreiten – sondern an das weitere Publikum. Diese Leute seien in der Regel offen für Fakten, und sie dürfe man keinesfalls mit potenziell verwirrenden Falschaussagen allein lassen.

Williamson appelliert an seine Kollegen, sich in Sozialen Netzwerken wie Twitter oder Facebook ebenso zu Wort zu melden wie in den Kommentarbereichen von Blogs und Websites. Auch sollten sie andere Forscher bei einschlägigen Projekten unterstützen, etwa dem Portal Climate Feedback. Und am Schluss seines Textes breitet Williamson eine innovative Idee aus: Warum nimmt sich die Wissenschafts-Community nicht ein Beispiel an Bewertungsportalen wie TripAdvisor? So wie auf dieser Website Reisende die Güte von Reiseangeboten öffentlich einschätzen (und zu viel gelesenen Ratgebern werden), könnten ausgewiesene Fachleute auf einem moderierten Portal bewerten, wie zutreffend Medien und andere Internetseiten jeweils den Stand der Forschung wiedergeben.

[note Eine ähnliche Strategie verfolgt laut klimafakten.de das Projekt Mediendoktor Umwelt: Anhand einer definierten Liste von Standards untersucht es die Qualität von Texten über Umweltthemen in Print-, Online- und audiovisuellen Medien. Gestartet im Jahr 2010, begutachten Journalisten die Arbeit von Kollegen – ähnlich wie beim Peer-Review-Verfahren in der Wissenschaft. Nach festen Kriterien werden Zeitungstexte, Hörfunk- und Fernsehbeiträge auf einer Skala von ein bis fünf Sternen beurteilt. Anfangs war das Projekt auf Gesundheitsjournalismus beschränkt, seit drei Jahren behandelt MedienDoktor auch Beiträge zum Thema Umwelt und Klimawandel. Untersucht werden Veröffentlichungen darauf, ob sie übertreiben oder verharmlosen, ob sie Quellen nennen und ob die Fakten korrekt sind.]

Solarify logoSolarify meint: Eine hervorragende Idee von Williamson (und von klimafakten.de, sie zu verbreiten) der weiteste Verbreitung und viele aktive Anhänger zu wünschen sind (nicht nur in der Wissenschaft, sondern – siehe oben medien-doktor.de – auch in puncto Medien und Politik). Längst ist  bereits das üble Schlagwort Lügenwissenschaft in Umlauf, wobei jeder seriös Denkende weiß, dass (zumal postfaktische) Gefühle nur in zwei Disziplinen etwas zu suchen haben: der Psychologie und der Philosophie.

->Quellen: