Kopernikus hat schon viel erreicht

Erstes Projekt ENSURE – oder: Wie das Stromnetz für unregelmäßige Versorgung fit machen?

Ein Beispiel für die übergreifende Zusammenarbeit von Industrie, Wissenschaft und Zivilgesellschaft in einem Kopernikus-Projekt ist der ENSURE-Ansatz: Jochen Kreusel (ABB) stellte zusammen mit KIT-Präsident Holger Hanselka Herausforderungen, Zusammensetzung und Forschungsansätze dar. Bis vor kurzem wurde Strom zentral in wenigen Kraftwerken erzeugt, und die Netzstruktur war darauf ausgelegt. Erneuerbare Energie wird jedoch überwiegend dezentral erzeugt. Weil Millionen kleinere Erzeuger ihren Strom ins Netz einspeisen, kann das problematisch werden – wenn sich nämlich die Richtung des Stromflusses in einzelnen Netzabschnitten umkehrt, oder, wenn die Netzkapazitäten nicht ausreichen. Zudem ist es schwierig, die volatile Grünstrom-Erzeugung mit dem ebenfalls schwankenden Verbrauch in Einklang zu bringen – denn beides müsse immer ausgeglichen sein. Um die hohe Versorgungssicherheit zu erhalten, wird ein flexibles Netz gebraucht. [note ENSURE-Fragestellung: „Wie kann eine Energienetzstruktur aussehen, die sowohl technisch als auch wirtschaftlich realisierbar ist und gesellschaftlich akzeptiert wird?“] Die Ziele der Energiewende bis 2050 werden nur erreicht, wenn Anzahl und Leistung der installierten Erneuerbare-Energien-Anlagen stark zunehmen und weitreichende Veränderungen des Stromversorgungssystems vorgenommen werden. Dafür soll eine sinnvolle Struktur aus zentraler und dezentraler Versorgung identifiziert werden. Das Vorhaben ist durch die Untersuchung neuer Systemstrukturen, stabiler Systemführungsmechanismen und der Integration neuer Technologien in das Versorgungssystem in drei Schwerpunkte aufgeteilt. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die anschließende Realisierung und Erprobung des ganzheitlichen Energieversorgungssystems in Form eines großtechnischen Netzdemonstrators. Alle Arbeiten werden durch eine umfassende Analyse der sozioökonomischen Einflüsse begleitet. Dieser Teil bindet alle Stakeholder inklusive Prosumer ein und flankiert die zuvor genannten Schwerpunktthemen.

ENSURE-Konsortium – Grafik © KIT

[note ENSURE ist interdisziplinär aus 23 etablierten Partnern der Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammengesetzt – sie organisieren sich in einer flexiblen Struktur, welche die Integration weiterer Partner explizit vorsieht. Sechs Kernpartner haben die Leitung übernommen. Als Sprecher in der ersten Projektphase fungiert Prof. Holger Hanselka, Präsident des Karlsruher Instituts für Technologie.]

Von ENSURE wird ein substanzieller Beitrag zur Optimierung des künftigen Energiesystems erwartet. Die Forschungsergebnisse sollen Fehlinvestitionen verhindern und bestehende Infrastrukturen gezielt ausgebaut werden. Laut des aktuellen Netzentwicklungsplans (NEP 2025) werden allein die Investitionskosten für den erforderlichen Netzausbau bis zum Jahr 2025 mit bis zu 34 Milliarden Euro angegeben, wodurch der enorme wirtschaftliche Hebel dieses Vorhabens ersichtlich wird. Eine gesteigerte Systemeffizienz bietet ebenfalls ökologische Vorteile, da die eingesetzte Primärenergiemenge reduziert werden kann.

Laut Kreusel gibt es im Lösungsraum bereits Beiträge, „aber keiner weiß die Lösung, neue Ideen sind nicht verboten“. Ganz schlecht sei es, „wenn einer die Lösung für den anderen macht“. Die Industrie sei jedenfalls sehr angetan gewesen von der Kopernikus-Idee – der partnerschaftliche Zusammenarbeitsrahmen fehlte vordem; der Ruf nach einer Roadmap war ein Irrweg.

Hanselka sagte, Stakeholder-Workshops sollten dabei helfen, den Netzdemonstrator zu finden; gedacht sei an einen urbanen Raum mit verschiedenen Erzeugern und Verbrauchern. Das geschehe anhand von fünf Story-Lines:

  1. sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
  2. Systemstrukturen
  3. Systemführung
  4. Neue Technologien – und schließlich
  5. Konzeption des großtechnischen Demonstrationsprojekts (Netzdemonstrator)

Dann müsse der Umbau des Netzes weg vom Zentralen hin zum Dezentralen angegangen werden. Denn noch hätten wir die alte Topologie: wenige zentrale Energieproduzenten.

Folgt: Zweites Projekt „Power-to-X“: Flexible Nutzung Erneuerbarer Ressourcen