Regierung will neues CO2-Testverfahren

Untersuchungsdesign nicht zugunsten der Autoschmiede, sondern „entsprechend den gesetzlichen Regelungen“

Wie der parlamentseigene Pressedienst heute im bundestag am 11.09.2017 meldete, will sich die Bundesregierung auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass nicht nur für NOx-, sondern auch für CO2-Messungen ein Testverfahren entwickelt wird, das die Emissionen im realen Fahrtbetrieb misst (die bisher laut Regierung „nicht Inhalt der europäischen Typgenehmigungsvorschriften“ sind). Das geht aus ihrer Antwort (18/13450) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/13170) hervor.

Zu dem von der Linksfraktion geäußerten Verdacht, das Untersuchungsdesign bei den CO2-Nachprüfungen sei absichtlich so gewählt worden, dass die Hersteller „in gutem Licht dastehen“, zieht sich die Bundesregierung auf den formalen Standpunkt zurück: „Die Ermittlung der CO2-Emissionen sei „entsprechend den gesetzlichen Regelungen durchgeführt“ worden.

Solarify dokumentiert die entsprechenden Fragen – bei denen man mitunter den inzwischen gewohnten, leicht trotzig gefärbten Duktus des Verkehrsministers herauszuhören glaubt.

  1. Sind die erheblichen Abweichungen der CO2-Emissionen im realen Betrieb im Vergleich zum jeweiligen Typprüfwert von durchschnittlich 40 Prozent für die Bundesregierung Anlass, diesen auf den Grund zu gehen (bitte begründen), und welche Erklärung hat die Bundesregierung auf Basis welcher Erkenntnisse für diese Abweichungen?

Antwort: Der Bundesregierung ist diese Entwicklung u. a. aufgrund von Veröffentlichungen des ICCT bekannt. Daher hat sich die Bundesregierung von Beginn an für die Entwicklung eines neuen Testverfahrens eingesetzt. Hierzu hat die Bundesregierung auch entsprechende Untersuchungen in Auftrag gegeben. Die Erkenntnisse dieser Untersuchungen gingen u. a. in die Entwicklungsarbeiten der Globalen Technischen Regelung (GTR) Nr. 15 und der nun ab 1. September 2017 für alle neuen Pkw-Typgenehmigungen gültigen WLTP2-basierten EU-Typgenehmigungsverordnung ein, mit der wesentlich repräsentativere und realitätsnähere Verbrauchsangaben erzielt werden.

  1. Wie hat die Bundesregierung (bzw. Untersuchungskommission) geprüft, ob illegale Maßnahmen/Abschalteinrichtungen (Lenkwinkelerkennung etc.) bei den durchgeführten CO2-Nachprüfungen zum Einsatz kamen, und wie wird dies bei CoP-Prüfungen gehandhabt?

Antwort: Die Untersuchungen zur Lenkwinkelerkennung und zu besonderen Getriebemodi sind noch nicht abgeschlossen und waren nicht Gegenstand des 2. UK-Berichts.

  1. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragestellerinnen und Fragesteller, dass die Aussagekraft des Zweiten CO2-Berichts praktisch null ist, weil das Einhalten der Typprüfwerte von neuen Fahrzeugen im NEFZ eine Selbstverständlichkeit ist und vielmehr systematisch geprüft werden sollte, mit welchen ggf. eingesetzten Mitteln die Typprüfwerte nur auf dem Rollenprüfstand eingehalten werden, aber nicht im Alltag (bitte begründen)?

Antwort: Nein. Ziel der CO2-Nachprüfungen war es nicht, die Emissionen im realen Fahrtbetrieb zu überprüfen, da dies derzeit nicht Inhalt der europäischen Typgenehmigungsvorschriften ist. Die Bundesregierung setzt sich aber auf EU-Ebene dafür ein, dass ein solches Testverfahren auch für CO2 entwickelt wird.

  1. Wie kann die Bundesregierung den Verdacht entkräften, dass das Untersuchungsdesign bewusst so gewählt wurde, dass die Hersteller in gutem Licht dastehen (vgl. herbert-behrens.de/dobrindt-schutzpatron-der-autoindustrie-und-gefahr-fuer-klima-und-verbraucher*)?

Antwort: Die Ermittlung der CO2-Emissionen wurde entsprechend den gesetzlichen Regelungen durchgeführt.

Keine Sanktionen bei Nichtbeachtung

Die Frage, für welche Fahrzeuge der Fahrzeuggruppe II des Ersten Untersuchungsberichts jeweils Freigaben erfolgt seien, wird mit einer knappen Liste beantwortet (Porsche Macan, Opel Insignia, Mercedes A-, B-, CLA-, GLA-Klasse, Mercedes V-Klasse, VW Amarok, VW Crafter) – die Antwort darauf aber, wann die Bundesregierung jeweils damit rechne, dass alle betroffenen Fahrzeuge umgerüstet seien, wird „vergessen“. Die Regierung, sprich der Bundesverkehrsminister, tut sich schwer mit der Formulierung einer diesbezüglichen Erwartung, wie aus der Antwort auf die nächste Frage unschwer erhellt. Denn da fragen die Abgeordneten, ob das KBA den Herstellern hierfür eine Frist setze; die erstaunliche Antwort: „Den Herstellern wurde auferlegt, innerhalb von 18 Monaten mindestens 85 Prozent der Fahrzeuge umzurüsten.“ Aber offenbar sind keine Zwangsmaßnahmen vorgesehen, zumindest den Haltern gegenüber nicht. Frage: „Drohen denjenigen Wagenhaltern, die diese freiwillige Umrüstung nicht vornehmen lassen, irgendwelche Sanktionen oder Einschränkungen, und wenn ja, welche sind das?“ Die lakonische Antwort: „Nein.“ Man wird nicht fehlgehen, wenn dergleichen auch gegenüber den Herstellern nicht vorgesehen ist.

[note Behrens in seiner Erklärung: „Für das Problem der nachgewiesenen Abweichungen beim Verbrauch hat der Verkehrsminister eine simple Lösung: Einfach solange messen, bis es passt. Von daher überrascht es mich nicht, dass Alexander Dobrindt erst nach 14 Monaten mit einem Zwischenbericht daherkommt. Wer Messspielräume bis in den Graubereich ausnutzt und so die CO2-Emissionen wie von Zauberhand um 30 Prozent senkt, tut den Herstellern einen großen Gefallen. Dem Klima und den Verbrauchern bringt so ein Vorgehen gar nichts, weil sich am realen Verbrauch und dem realen Ausstoß von Klimagasen nichts ändert. Der Verkehrsminister ist der Schutzpatron der Autoindustrie und eine Gefahr für Klima und Verbraucher“, erklärt Herbert Behrens (DIE LINKE), Vorsitzender des Untersuchungsausschusses zum Abgasskandal, zur heutigen Veröffentlichung der Ergebnisse von Nachmessungen den wegen ihres stark überhöhten CO2-Ausstoßes auffällig gewordenen Fahrzeugen. Dass Dobrindt so vorgehen würde, wie er es jetzt tut, war zu erwarten. Als Volkswagen vor über einem Jahr überhöhte CO2-Werte einräumte, legte sein Ministerium dem Konzern ganz offensiv nahe, das Regelwerk einfach sehr weit zu interpretieren. Wie man sieht, wiederholt sich auch im Verkehrsbereich die Geschichte als Farce. Daher kann Dobrindt seine Pläne für ein Messinstitut für Emissionen und Verbrauch gleich einstampfen. Diesen zahnlosen Tiger könnte ohnehin niemand ernst nehmen. Anstelle eines lobbyfinanzierten Prüfvereins oder anderer Placebo-Maßnahmen brauchen wir endlich eine von Industrie und Verkehrsministerium unabhängige Behörde für die Feldüberwachung.“]

[note Solarify meint: Das Wahlergebnis der bevorstehenden Bundestagswahl wird dem Bundesverkehrsminister (Branchenspott: „Groß-Maut“) auf zynische und menschenverachtende Weise Recht geben. Er wird nicht dafür abgestraft, dass er das Wohlergehen der Menschen demselben der Automobilindustrie untergeordnet hat.
Wenig Respekt zeigte VW-Chef Matthias Müller zu Beginn der Internationalen Automobil-Ausstellung vor möglicherweise gerichtlich angeordneten Fahrverboten: „Diesel-Fahrverbote sind starker Tobak und können wir auf keinen Fall akzeptieren“, sagte er der Bildzeitung.
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