Bioenergie über den Tellerrand hinaus

Designer Fuels als Alternative zu CCS

Am Beispiel der erneuerbaren synthetischen Kraftstoffe (siehe: solarify.eu/alternative-kraftstoffe) lässt sich dies gut beobachten. Es gibt bereits erste Anwendungen im Personen- und Güterverkehr, vor allem als Beimischung oder als Reinkraftstoff in Fahrzeugflotten. Doch die fortschreitende Elektrifizierung des Straßenverkehrs kann diese Volumina auf längere Sicht für die Nutzung in anderen Verkehrssektoren freimachen. Gleichzeitig wächst in der Luft- und Schifffahrt der Handlungsdruck zur Emissionssenkung. Der Bedarf an erneuerbaren Kraftstoffen wird in diesen Sektoren um ein Vielfaches höher sein, als aktuell auf der Straße. Bereits bestehende Produktionskapazitäten aufzugeben, wäre daher aus langfristiger Perspektive fatal. Der Aufbau der zukünftig benötigten hohen Kapazitäten braucht vor allem Eines: Investitionssicherheit und damit auch den Abbau von Markthindernissen, mehr Forschung und initiale Marktanreize – das ist der Blick über die nächste Mahlzeit hinweg in die Zukunft.

Die neuesten Studien, sowohl der Industrie als auch etablierter Klima-Think-Tanks, zeigen: die Herstellung synthetischer Kraftstoffe kann vor allem als Technologieexport für Deutschland relevant werden. Zudem wären strombasierte Kraftstoffe mittels der Entnahme von atmosphärischen CO2 eine Alternative zum umstrittenen CCS. Wenn Deutschland auch weiterhin am globalen Tisch der führenden Innovatoren bei Energie- und Antriebstechnologien sitzen will, muss bereits heute der Straßenverkehr für diese synthetischen Kraftstoffe, egal ob strom- oder biobasiert, geöffnet werden.

Die neuen Entscheider der Bundesregierung dürfen diese Chance nicht verpassen! Mittelfristig lässt der Entwurf des Koalitionsvertrags hoffen. Das klare Bekenntnis zu biobasierten Kraftstoffen sowie die Förderung von Forschung und Entwicklung strombasierter Kraftstoffe, insbesondere für die Nutzung in der Luftfahrt, weisen in die richtige Richtung.

Sachliche Debatte über Nachhaltigkeit der Bioenergie versäumt

Mit der Zögerlichkeit der Politik in Sachen Bioenergie komme ich zu meinem letzten Punkt: Alle Beteiligten, also Industrie, Politik, NGOs, Medien und interessierte Öffentlichkeit, haben eine sachlich geführte Debatte über Nachhaltigkeit der Bioenergie weitgehend versäumt. Dabei ist die Nachhaltigkeit der nachwachsenden Rohstoffe das zentrale Kernargument für die Bioenergie. Die emotionalisierten Grabenkämpfe der vergangenen Jahre schaden am Ende den Klimaschutzzielen.

Das heißt aber auch, dass die Industrie das komplexe Thema der Nachhaltigkeit nachwachsender Rohstoffe sowie der Rest- und Abfallstoffe transparenter angehen muss. Wir haben bei Neste eine besondere Verantwortung für unsere Kunden, Lieferanten, die Gesellschaft und für auch uns selbst übernommen. So geht das Unternehmen weit über die internationalen Standards der Nachhaltigkeitszertifizierung hinaus. Mit Förderprogrammen für Kleinbauern, eigenen Zertifizierungsstandards und unseren transparenten Herkunftsnachweisen ist Neste weltweit führend in der nachhaltigen Verwertung von Pflanzenölen, Rest- und Abfallstoffen. Laut der neuesten Ausgabe des renommierten „Global 100“ Index gilt Neste damit als das zweit-nachhaltigste Unternehmen der Welt.

Pflanzenöle sichern Versorgungssicherheit und Preisstabilität

Rest- und Abfallstoffe machen mittlerweile bereits etwa 80% unseres globalen Rohstoffmixes aus. Sogar die Produktion aus 100% Rest- und Abfallstoffen ist seit einigen Jahren technisch möglich. Doch warum nutzt die Branche dann überhaupt noch Pflanzenöle? Weil am Ende die ganzjährige Verfügbarkeit, die hohe Qualität und der stabile Marktpreis unseren Kunden, und letztendlich auch dem Verbraucher, die Versorgungssicherheit und Preisstabilität sichern.

Ein weiterer Beitrag zur Nachhaltigkeit besteht auch darin, neue nachwachsende Rohstoffe für die Produktion nutzbar zu machen. Neste invertiert daher hohe Summen in die Erforschung und Entwicklung neuer Rohstoffe, wie Algen-(s. Foto re.) oder fortschrittliche Mikrobenöle, sowie in die Optimierung der Herstellungsprozesse. Dies sind jedoch Zukunftsthemen – Emissionen müssen aber bereits heute spürbar gesenkt werden.

Dass die Politik einzelne Rohstoffe von der Nutzung für erneuerbare Kraftstoffe ausschließt, ist daher nicht nachvollziehbar. Beispielweise sind Kraftstoffe aus tierischen Fetten nicht an die deutsche Quote für Treibhausgasminderung anrechenbar. Damit verschenkt Deutschland wertvolles Potenzial auf dem Weg zur Dekarbonisierung.

Auch hier bietet der Koalitionsvertrag einen ersten Lichtblick. Die Koalitionspartner sprechen sich klar für die verstärkte Verwertung von Rest- und Abfallstoffen aus, auch im Rahmen der Bioenergie. Die relevanten Entscheider der neuen Bundesregierung sind nun aufgefordert, diese energie- und umweltpolitischen Ziele umzusetzen.

Zusammenfassend steht die Bioenergie also nicht vor dem Scheideweg, sondern befindet sich global auf dem Wachstumspfad. Ob auch Deutschland diesen Weg gehen wird, bleibt zu klären. Der gesellschaftliche Dialog über die Zukunft der Bioenergie wird für das Erreichen der politischen Ziele prägend sein. Ich freue mich daher auf eine technologieoffene und objektive Debatte mit dem Blick über den Tellerrand.

[note Neste Oyj, finnisches Mineralölunternehmen und Biokraftstoffhersteller mit Firmensitz sich in Espoo westlich von Helsinki, produziert neben klassischen Treibstoffen (Benzin, Dieselkraftstoffe, Treibstoff für Flugzeuge und Schiffe, Bitumen, Heizöl) aus Palmöl den synthetischen Biokraftstoff NExBTL her. Neste beschäftigt in vier Firmenbereichen – Erdölraffinerie, petrochemische Komponenten, Erdölverkauf und Schiffstransport – rund 5.000 Mitarbeiter. Neste besitzt 900 Tankstellen in Finnland und rund 1980 in den anderen baltischen Staaten, in Russland und Polen und betreibt Raffinerien in Naantali und bei Porvoo sowie verschiedene Projekte im Baltikum und in den Vereinigten Staaten. In zwei Anlagen im finnischen Porvoo wird auch Biodiesel nach der unternehmenseigenen NExBTL-Technologie („Next Generation Biomass-to-Liquid“) hergestellt, nach Unternehmensangaben aus unterschiedlichsten Rohstoffen, darunter Palmöl, Rapsöl und tierische Fette. Anfang 2008 begann Neste mit dem Bau einer dritten Anlage zur Biodiesel-Herstellung in Singapur. Bei ihrer Fertigstellung Ende 2010 war diese Anlage mit einer Kapazität von 800.000 Tonnen jährlich die weltweit größte Biodieselanlage; eine ähnliche Anlage im westlichen Teil des Rotterdamer Hafens ging im September 2011 in Betrieb. Neste gehört nach eigener Aussage „zum 11. Mal in Folge zu den weltweit 100 nachhaltigsten Unternehmen.“ ]

->Quelle:  Der Text basiert auf einem Redemanuskript im Rahmen einer Fachkonferenz im Februar 2018 in Berlin