Öl-Multis fliehen aus der Klimawandel-Verantwortung

Linguistische Untersuchung

Ölgesellschaften müssen zwar keine CSR-Reports veröffentlichen, aber mehr als drei Viertel tun es trotzdem. Darin setzen sie sich mit dem für sie schwierigen Problem des Klimawandels auseinander, das nicht zuletzt durch ihre eigenen Produkte verursacht wird. Jaworska hat von 2000 bis 2013 eine Datensbank mit den CSRs aller großen Ölgesellschaften erstellt. Insgesamt 294 Berichte und fast 15 Millionen Wörter von Gazprom, Exxon, BP, Sinopec, Norsk und anderen.

Öl- und Gaslager im Hafen von Barcelona – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Jenseits des „Klimawandels“ gibt es einige interessante Erkenntnisse. Es zeigt zum Beispiel, dass diese Unternehmen den Begriff „globale Erwärmung“, der bis auf einen kurzen Sprung im Jahr 2001 fast nie verwendet wird, wirklich nicht mögen. „Erwärmung“ klingt ja schlimmer als eine unscheinbare „Veränderung“. Generell zeigen die Ergebnisse von Jaworska, dass die Ölgesellschaften den Klimawandel allmählich passiver angehen: Nicht nur, dass sie den Begriff weniger häufig verwenden; sie gebrauchen buchstäblich mehr passive Sprache rund um den Begriff „Klimawandel“.

Jaworska analysierte die Begriffe, die in diesen Berichten häufig im Umfeld von „Klimawandel“ („Kollokationen“, wie Sprachwissenschaftler es nennen) vorkommen. Als der Begriff „Klimawandel“ immer mehr an Bedeutung verlor, wurden die Top-Kollokationen etwa zu zu „Konventionen“ und „Risiken“.

„Risiken“ ist interessant. Der Anstieg dieses Begriffs zeigt, dass Ölkonzerne den Klimawandel weniger als Umweltproblem und mehr als Bedrohung für ihre Industrie darstellen, vermutet Jaworska. In einem Bericht heißt es: „Die Sensibilisierung für die mit dem Klimawandel verbundenen Risiken kann die Energienachfrage ernsthaft beeinflussen“, ganz zu schweigen von den möglichen Auswirkungen auf Mensch und Natur. Die Ölgesellschaften spielen unbestreitbar eine Rolle bei der Entstehung des Klimawandels. Aber wenn man bedenkt, wie sie den Klimawandel in ihren CSRs diskutieren, sind sie sich immer weniger sicher, welche Rolle sie dabei spielen.

Im Lauf der Zeit schienen die Berichte den Klimawandel eher als verlorene Schlacht zu bezeichnen, die wir uns eigentlich auch sparen könnten. Ab 2009 etwa wurden die Begriffe „Klimawandel“ und „Risiken“ zur zweithäufigsten Paarung, obwohl sie in den früheren Berichten selten vorkamen. Diese „Risiken“ im Zusammenhang mit der globalen Erwärmung wurden fast nie definiert und stellten den Klimawandel als eine unvorhersehbare Hürde dar, die das Unternehmen einfach nicht überspringen konnte. Für Jaworska bedeutete dies, dass die Unternehmen mehr wollen, als nur das Problem aufschieben – sie wollen die globale Erwärmung als etwas ihnen völlig Fremdes darstellen.

Die Realität sei nicht ganz so schrecklich wie Jaworskas Studie sie darstelle – so das Magazin Futurism. Mehrere der von ihr analysierten Unternehmen investierten zum Beispiel in Erneuerbare Energiequellen; Ende 2017 habe Bloomberg berichtet, dass Ölgiganten ihre Investitionen, Akquisitionen und Risikokapitalbeteiligungen an sauberer Energie von 2015 bis 2016 mehr als verdoppelt hätten. Futurism-Autorin Lesie Nemo: „Aber selbst wenn diese Unternehmen zu Energiequellen wechseln, die keine Treibhausgase erzeugen, werden wir immer noch die Auswirkungen der Jahrzehnte spüren, die sie mit dem Bohren, Verschütten und Verbrennen von Öl verbracht haben. Und wenn sie nicht die Verantwortung dafür übernehmen, das aufzuräumen, bleibt offen, wer das tun wird.“

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