Zunehmende E-Mobilität fordert Energiebranche heraus

ZEW-Energiemarktbarometer

Die E-Mobilitätsziele  werden aller Voraussicht nach nicht erreicht. Dennoch stellen mehr Elektroautos neue Herausforderungen für die Stromversorgung dar: Die Nachfrage nach Elektrizität steigt mit jedem neuen Elektroauto, und neue Ladestationen müssen ins Stromnetz integriert werden. Das ZEW-Energiemarktbarometer von Nikolas Wölfing, Robert Germeshausen, Wolfgang Habla und Lea-Sophie Markert hat vor diesem Hintergrund 168 Umfrage-Teilnehmer um Einschätzungen gebeten.

Die deutsche Automobilbranche steht massiv in der Kritik: Zum einen sind die Treibhausgasemissionen im Straßenverkehr von 1990 bis 2016 um 1,1 Prozent gestiegen – völlig Gegensatz zum Ziel, dieselben bundesweit in den kommenden eineinhalb Jahren um 40 Prozent zu senken. Zum anderen drohen wegen Überschreitung der Grenzwerte Fahrverbote für Diesel. Als neuer „Hoffnungsträger“, so die Autoren, verspreche das Elektroauto eine Reduktion der Emissionen. Die Bundesregierung will deshalb bis 2020 eine Million und bis 2030 sechs Millionen Elektroautos auf die Straßen bringen und fördert das mit Zuschüssen bei der Neuanschaffung, ohne großen Erfolg: Aus dem 600 Millionen Euro schweren Fördertopf wurden nur rund zehn Prozent abgerufen – mit der Folge, dass bis Ende 2017 nicht einmal 60.000 E-Autos auf Deutschlands Straßen fuhren.

E-Mobilität – Foto © Veronika Neukum, Agentur Zukunft für Solarify

Vor diesem Hintergrund befragte das ZEW die Experten: „Wenn 2025 rund zehn Prozent aller Pkw (zirka 4,5 Millionen) rein elektrisch betrieben würden, erwarten Sie, dass nach derzeitiger Planung die Kapazitäten im Stromsektor ausreichen?“ Engpässe würde es demnach vor allem im Verteilnetz geben. 67 Prozent bezweifelten das und hielten größere Investitionen für erforderlich, etwa für den Zubau von Transformatoren und Leitungen. Die Erzeugungs- und Übertragungsnetzkapazität müssen nach Meinung von 79, bzw. 73 Prozent wegen der E-Mobilität nicht ausgebaut werden. Ähnliche Ergebnisse lieferte eine   Expertenbefragung des Pendant-Panels „Baromètre du marché de l‘énergie“ für Frankreich. Reichweite (64 %) und hohe Anschaffungskosten (52 %) sind für die Antwortenden die größten Hemmnisse für die E-Mobilität. Allerdings ist die Reichweite inzwischen auf rund 250 Kilometer gestiegen. 35 % sehen in der langen Ladezeit und der mangelnde Ladeinfrastruktur (45 %) sehr wichtige Hemmnisse, 56 % bzw. 47 % immer noch für wichtige Hemmnisse. Für ein Viertel bis ein Drittel der Befragten spielen die Hemmnisse keine Rolle. Insgesamt sehen die Energieexperten vor allem Nachholbedarf bei der E-Auto-Technologie selbst und der Ladeinfrastruktur.

Verbot für Verbrennungsmotoren schwer einzuschätzen

Ein Zulassungsverbot für Verbrenner (wie in manchen Ländern ab 2040 angekündigt) halten 40 % der Experten für wahrscheinlich; 27 % erwarten dies für ganz Deutschland, 13 % für einzelne Städte. Hingegen glauben 35 % nicht an ein Zulassungsverbot. 25 % wollen keine Einschätzung abgeben. In diesem Punkt herrschte große Unsicherheit.

Stromspeicher E-Auto als Geschäftsmodell?

Eng wird es für Stromversorgung und Verteilnetze, wenn viele Autos gleichzeitig geladen werden sollen. Allerdings könnten Autobatterien durch intelligentes Energiemanagement als Stromspeicher das Netz stabilisieren helfen, die netzstützenden Systemdienstleistungen könnten vermarktet werden. 60 % sehen hier Marktchancen für die Verteilnetzanbieter. Für 42 % der Befragten spielen eher Start-up-Unternehmen eine führende Rolle; 34 % halten die klassischen Energieversorger für Markt-prägend. Aber auch Autohersteller (24 %), große IT-Unternehmen (21 %) und Stromhändler (16 %) werden Chancen eingeräumt.

Energiepreise stagnieren nur kurzfristig – CO2-Preis kurzfristig weniger als zehn Euro

Das ZEW-Energiemarktbarometer fragt regelmäßig Einschätzungen der weiteren Energiepreis-Entwicklung ab. Die bleibt Innerhalb der kommenden sechs Monate nach Mehrheitsansicht weitgehend stabil – vor allem bei Erdgas (65 %) und Kohle (73 %), bei Rohöl und Strom noch 56 %,  bzw. 51 %, allerdings rund 20 % weniger verglichen mit der vorangegangenen Befragung. In den nächsten fünf Jahren wird allerdings erwartet, dass die Preise bei fast allen Energien ansteigen. Gründe für wahrscheinlich steigende Ölpreise liegen im verlängerten OPEC-Abkommen über Förderkürzungen; die OPEC konnte den Ölpreis steigern, auch weil Saudi-Arabien die Fördermenge stärker als vereinbart zurückgefahren hat. Dazu kommen geopolitische Spannungen am Golf, die den Preis in die Höhe treiben könnten. Nur bei der Kohle sehen 44 % der Experten in den nächsten fünf Jahren keine Veränderung. 32 % glauben, dass sie sinken werden, 24 % erwarten einen Anstieg. Mit Blick auf die europäischen CO2-Emissionsrechte erwarten 74 % kurzfristig stabile Preise: Zwischen fünf und zehn Euro pro Tonne in den nächsten sechs Monaten, auf weiter Sicht gehen die Erwartungen auseinander.

[note Das ZEW Energiemarktbarometer ist nach eigenen Angaben „ein deutschlandweit einzigartiges Panel von Fachleuten der Energiewirtschaft“. Die halbjährliche Erhebung reflektiert seit 2002 Einschätzungen aktueller Themen der Energiewirtschaft und der Energiepolitik. Die aktuelle Erhebung (November 2017, veröffentlicht im Februar 2018) basiert auf 168 Antworten von Teilnehmern in Deutschland.]

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