Klimawandel: Einsicht ist nicht gleich Handeln

Bezahlte Zweifel

ExxonMobil und die anderen Öl-Konzerne sind für mindestens zwei Jahrzehnte Verzögerung im Kampf gegen den Klimawandel verantwortlich: Exxon hat „Wissenschaftler“ wie Wei-Hock Soon vom Harvard-Smithsonian Astrophysical Observatory von 2005 bis 2010 mit mehr als 300.000 Dollar verdeckt „unterstützt“, um klimaskeptische Forschungen durchzuführen, die als „unabhängig“ deklariert wurden (s. solarify.eu/exxon-bezahlte-klimaleugner). Weitere Geldgeber waren der Energiekonzern Southern Co., die Lobbygruppe American Petroleum Institute sowie eine Stiftung von Charles Koch – schließlich das inzwischen bankrotte, einst größte Bergbauunternehmens der Welt, Peabody Energy. Nach 2015 veröffentlichten Dokumenten erhielt er ca. 1,25 Mio. US-Dollar, womit seine Forschungen fast ausschließlich durch Unternehmen der fossilen Energiebranche finanziert wurden. Das Ziel dieses Vorgehens bestand nicht darin, die Klimadebatte zum Verstummen zu bringen; dies schien unmöglich. In einem Strategiepapier („Global Climate Science Communications Plan“) des American Petroleum Institute aus dem Jahr 1998 wurde das Ziel klar benannt: „Der Sieg wird errungen werden, wenn durchschnittliche Bürger ‚wissen‘ (anerkennen), dass es Ungewissheiten in der Klimawissenschaft gibt; wenn die Anerkennung von Ungewissheiten Teil der ‚vorherrschenden Meinung‘ wird.“

Das Widerlegen von Schwachsinn erfordert eine Zehnerpotenz mehr Energie als dessen Produktion”. – Gern wird im Zusammenhang mit den organisierten Zweifeln am anthropogenen Klimawandel das sogenannte, nach einem italienischen Informatiker benannte Brandolini-Gesetz zitiert: “Das Widerlegen von Schwachsinn erfordert eine Zehnerpotenz mehr Energie als dessen Produktion.” Bereits 1859 hat der englische Baptistenpastor Charles Spurgeon (einer der bekanntesten Prediger des 19. Jahrhunderts) gesagt: “Eine Lüge geht um die Welt, während die Wahrheit immer noch ihre Stiefel anzieht”. (nach: ordrespontane.blogspot.de).

Fatalistisch in die Katastrophe

Warum aber laufen wir – obwohl wir den Klimawandel verstanden zu haben glauben – mehr oder weniger schicksalsergeben in die Klimakatastrophe? Warum wissen wir viel darüber, handeln aber kaum? „Abstrakte Einstellungen und Wertvorstellungen sind etwas ganz anderes als das alltägliche Handeln“, sagte Ellen Matthies, Umweltpsychologin an der Universität Magdeburg und Mitglied im Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU), gegenüber Spiegel Online. Das liege am sogenannten Status-quo-Fehler. Gebe es viele Möglichkeiten, behalte der Mensch eher die von Anfang an gewählte bei – angesichts der Frage, was man gegen ein Problem unternehmen solle,  unternehme der Mensch am liebsten gar nichts. Zu groß sei die Angst vor möglichen Veränderungen. Dazu komme, dass wir Neues zunächst aus alten Kategorien heraus zu verstehen versuchen. Spiegel-Autorin Puttfarcken nennt als Beispiel das Elektroauto. Obwohl es viele Vorteile biete, als Stadtauto oder Zweitwagen, werde die Diskussion darum Matthies zufolge vor allem vom Reichweitenthema beherrscht. Kaum jemand sehe, dass so gut niemand in der Stadt oder im Zweitwagen jemals die Reichweite eines Elektroauto überschreite.

Folgt: Selbstverpflichtungen helfen