Klimawandel: Einsicht ist nicht gleich Handeln

Selbstverpflichtungen helfen

Matthies hat aber auch eine gute Nachricht: Man könne durchaus lernen, Gewohnheiten, die sich durch den Status-quo-Fehler ergeben, zu durchbrechen und zwar mit einfachen Mitteln wie etwa Hinweise auf Aufklebern, wie etwa ein Zettel an der Waschmaschine, der mahnt, weniger Waschmittel zu nehmen – oder Selbstverpflichtungen vor Freunden, vor denen man Veränderungen publik und für uns bindend macht. Einfach nur „umweltbewusster zu leben“, ende eher in Frustration. Matthies rät deshalb, den persönlichen CO2-Fußabdruck zu berechnen. Dann könne man sehen, wo man in Bereichen wie Wohnen, Heizen, Mobilität und Ernährung im Vergleich zum deutschen Durchschnitt stehe – und wo man am besten und einfachsten etwas verändern könne. Doch Vorsicht: Wer sich einredet, er verhalte sich doch schon besonders vorbildlich, wenn er kein Auto mehr habe oder brav den Müll trennt – laufe Gefahr, sich nur einzureden, dass das schon reiche, den restlichen Alltag auszugleichen. Dazu gehörten auch die CO2-Ausgleichsmaßnahmen: Armin Grunwald, Leiter des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse am KIT, hält wenig davon: „Im Vergleich zu dem Schaden, den eine Flugreise anrichtet, ist der Nutzen von wenigen Bäume gering“. Bäume pflanzen sei besser als gar nichts. Doch Grunwald sieht die Kompensationen als „Ersatzhandlungen“, sie bergen die Gefahr, sich von einer gefühlten Mitverantwortung am Klimawandel „freizukaufen“.

Nicht nur Privatinitiative – auch Politik ist gefragt: Dieselprivileg, CO2– und Kerosinsteuer

Dass wir umweltbewusst konsumieren müssen, ist leichter gesagt als getan, wo doch das Gegenteil überall lauert, in der Werbung wie im Supermarkt. Und dann wollen Milliarden von Afrikanern, Indern und Chinesen endlich ebenso viele schnelle Autos fahren und so viel Fleisch essen wie wir. Schon die Umwelt-Konferenz in Rio de Janeiro 1992 hieß „UNCED – United Nations Conference of Environment and Development“ – den Armen der Welt war „Entwicklung“ (lebens-)wichtig, heute noch Konfliktpunkt in den Klimadiskussionen zwischen Nord und Süd. Damit sind wir bei der Politik. Die hinkt unverantwortlich hinterher – macht nichts, sie muss nicht fürchten, von den Wählern zur Verantwortung gezogen werden: In der Sommer-Pressekonferenz 2018 der Kanzlerin war alles andere wichtiger: Die Wörter “Energie” oder “Energiewende” kamen dabei überhaupt nicht, das Wort “Klima” nur ein einer einzigen Frage vor.

Wir sollten uns nichts vormachen: Der deutsche Anteil an der Klimaerwärmung, bzw. am Treibhausgas-Ausstoß lag 2016 bei 2,8 Prozent. Direkt bewirken wir wenig. Doch das gute Beispiel könnte wirken, wenn auch der „Klimavorreiter“ eben empfindlich schwächelt. Klaus Töpfer argumentiert, dass die deutsche Industrie bei Einführung der Rauchgasentschwefelung bereits ihr eigenes Totenglöcklein läutete – heute sei die Technologie ein wahrer Exportschlager: „Auch bei der Kreislaufwirtschaft sind die ersten konkreten Maßnahmen in Deutschland politisch durchgesetzt worden. Gleiches gilt für eine saubere Nutzung der Kohle durch Rauchgasentschwefelung, Entstickung und moderne Filtertechnologien. Am Ende des Tages war nach meiner Kenntnis jede umweltpolitische Vorreiterposition immer gut geeignet, wettbewerbliche Vorteile zu schaffen. Wenn ein technologisch führendes Land wie Deutschland immer wartet, bis der letzte mitgeht, verschenken wir einen entscheidenden Standortvorteil.“

„Der Sozialismus ging daran zu Grunde, dass er es nicht zuließ, dass die Preise die ökonomische Wahrheit sagten. Der Kapitalismus könnte daran zu Grunde gehen, dass er nicht dafür sorgt, dass die Preise die ökologische Wahrheit sagen“, prophezeite Club-of-Rome-Ko-Vorsitzender Ernst Ulrich von Weizsäcker einmal – und er könnte sehr wohl Recht behalten. Beispiele sind die Strompreislüge (die Erneuerbaren sind so teuer!) und das Dieselprivileg (allein bei uns sieben Milliarden Steuererlass als versteckte Subvention), bzw. die (noch gar nicht existente) Kerosinsteuer, letztere könnte den Flugverkehr reduzieren helfen – denn bisher ist Fliegen zu billig, oft billiger als Bahnfahren.

Auch die oft geforderte CO2-Steuer könnte Umweltfolgen einzelner Produkte, von Flugreisen und des Autofahrens abbilden, am besten europaweit oder aber abgefedert durch Vorteile an anderer Stelle. Die Industrie ist dabei lange nicht so angstbesetzt wie die Politik. Puttfarcken: „Gegen eine globale CO2-Steuer hätten große deutsche Unternehmen dagegen wenig einzuwenden, ergab Anfang des Jahres eine Umfrage des Handelsblatts“ (auch kaum gegen eine europaweite – siehe solarify.eu/dax-konzerne-wollen-co2-preis).

Puttfarcken endet mit der (nicht sonderlich überraschenden) Feststellung: „Eine einfache Lösung für das Problem Klimawandel gibt es in absehbarer Zeit also nicht. Wer sich unkompliziert für die Umwelt engagieren will, kann versuchen, kleine Dinge im Alltag umzusetzen. Tipps findet man im Internet zum Beispiel bei CO2online. Andreas Ernst, Psychologe und Umweltsystemanalytiker an der Universität Kassel, sekundiert: „Es gibt mehr als einen Weg, etwas richtig zu machen, jeder sollte das tun, was er umsetzen kann.“

Die Chancen stehen allerdings laut Schellnhuber „bestenfalls 50:50, dass wir den Klimawandel tatsächlich rechtzeitig wirkungsvoll begrenzen. Es hängt einfach davon ab, ob wir jetzt rasch handeln oder nicht. Theoretisch kann unser Wirtschaftssystem ziemlich schnell so umgebaut werden, dass es ohne Kohlendioxidausstoß auskommt.“

-Gerhard Hofmann-

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