Abgasskandal und Verkehrswende

BUND, DUH und VCD kritisieren Versagen der Bundesregierung und fordern sofortiges Handeln

Mit ihrer Verkehrspolitik schade die Bundesregierung „dem Klima, der Gesundheit von Millionen von Menschen und dem Wirtschaftsstandort Deutschland“, so der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der ökologische Verkehrsclub VCD in einer gemeinsamen Medienmitteilung. Hubert Weiger (BUND), Jürgen Resch (DUH) und Gerd Lottsiepem (VCD) forderten in Berlin die Große Koalition im Rahmen einer Pressekonferenz auf, ihre „verkehrspolitische Irrfahrt zu beenden und die Verkehrswende sofort einzuleiten, anstatt die Umsetzung zentraler Maßnahmen für einen klima- und gesundheitsschonenden Verkehr weiterhin hinauszuzögern“.

Die Umweltverbände forderten Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, sich noch im September für eine „verpflichtende Hardware-Nachrüstung für schmutzige Diesel-Pkw auf Kosten der Hersteller auszusprechen“. Wirtschafts-, Finanz-, und Verkehrsminister des Bundes müssten ihre Verweigerungshaltung in Bezug auf ambitionierte CO2-Grenzwerte für Pkw auf EU-Ebene beenden. Der Grenzwertvorschlag von Umweltministerin Svenja Schulze sollte der Minimalkonsens der Bundesregierung sein – das habe das BMU selbst gesagt.

Politik legt Hände in den Schoß

– Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Die Verbände kritisierten, dass alle, seit dem der Dieselskandals vor drei Jahren ruchbar wurde, getroffenen Maßnahmen selbst in der Summe nicht geeignet seien, den Ausstoß giftiger Stickoxide schnell und im notwendigen Maß abzusenken. Statt alles daran zu setzen, den Abgasskandal aufzuklären und die bereits seit 2010 geltenden Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) in unseren Städten einzuhalten, hielten Politiker aller Ebenen bis heute vor allem an der Vermeidung von Diesel-Fahrverboten fest. Das zeige einmal mehr die Fernsteuerung auch dieser Regierung durch die Autoindustrie [und die Angst der Politiker vor den Wählern (S_Y)].

Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND: „Das Ziel, Fahrverbote zu vermeiden, ist gescheitert. In Hamburg ist durch eine BUND-Klage das deutschlandweit erste Fahrverbot für schmutzige Diesel bereits Realität. Fahrverbote in anderen Städten werden folgen. Schwarz-Rot hat im Dieselskandal immer noch vor allem privatwirtschaftliche Interessen der Autokonzerne und deren Aktionäre im Blick. Die gesamtgesellschaftlichen Kosten durch die zu hohen Stickoxid-Werte werden nicht berücksichtigt. Wir fordern eine Aufstellung aller volkswirtschaftlichen Kosten für Krankheit, Mortalität, Ernteausfälle und Naturkosten, die mit der hohen NO2-Belastung einhergehen.“ Unabhängige Untersuchungen belegen, dass insbesondere Hardware-Nachrüstungen die Luft in den Städten kurzfristig sauberer machen könnten. Jede Entscheidung gegen verpflichtende Hardware-Nachrüstungen sei somit eine Entscheidung für Fahrverbote. Nach Weigers Angaben läuft derzeit eine BUND-Klage gegen das Kraftfahrtbundesamt, mir deren Hilfe der immer noch laufende Verkauf schmutziger Euro-5-Diesel unterbunden werden soll.

Mit Blick auf die „Plattform Zukunft der Mobilität“, die im Herbst vom Bundesverkehrsministerium eingerichtet werden soll, fordert Weiger: „Bevor die Arbeit einer Mobilitätskommission beginnt, müssen die grundsätzlichen Ziele klar sein. Wir erwarten ein eindeutiges Bekenntnis der Kanzlerin und aller relevanten Ministerinnen und Minister zum festgelegten Klimaziel für den Verkehr von minus 40 bis 42 Prozent COJürgen Resch – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify-Ausstoß bis 2030. Hinter dieses Ziel darf eine Mobilitätskommission nicht zurückfallen.“

Sowohl für den Klimaschutz, als auch für die Luftreinhaltung sei es maßgeblich, dass Entscheidungen auf realen Emissionswerten basierten. Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Die Autokonzerne manipulieren mit betrügerischen Abschalteinrichtungen nicht nur die Stickoxid-Werte sondern auch die CO2-Angaben von Fahrzeugen mit Diesel- wie Benzinantrieb. Bereits seit 2007 weist die DUH darauf hin und forderte bis zur Aufdeckung des Diesel-Abgasskandals durch US-amerikanische Behörden erfolglos behördliche Überprüfungen hierzulande. Die Abweichungen zwischen dem realen Verbrauch von Pkw und den Herstellerangaben liegen mittlerweile bei durchschnittlich 42 Prozent. In den USA liegen diese, dank der behördlichen Nachprüfungen der Umweltbehörde EPA, bei nur vier Prozent. Wann endlich befreit sich diese Bundesregierung aus dem Würgegriff von BMW, Daimler und VW und führt behördliche Nachprüfungen im realen Fahrbetrieb auf der Straße mit mobilen Messgeräten durch, veröffentlicht alle Untersuchungsergebnisse und verhängt die gesetzlich vorgeschriebenen ‚abschreckenden‘ Strafen?“

[note Deutsche Umwelthilfe stellt Antrag auf Festsetzung von Zwangsgeld für „Saubere Luft“ in Stuttgart gegen baden-württembergische Landesregierung – Die grün-schwarze Landesregierung hat einen unzureichenden Luftreinhalteplanentwurf vorgelegt und missachtet damit weiter das höchstrichterliche Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.02.2018. Daher hat die DUH jetzt wie in München jetzt einen Antrag auf Verhängung eines Zwangsgeldes gestellt. Dieser zielt auf Fortschreibung des Luftreinhalteplans mit kurzfristig wirkungsvollen Maßnahmen für die „Sauberen Luft“ in der schmutzigsten Stadt Deutschlands. Die DUH will über die Zwangsvollstreckung konsequente Diesel-Fahrverbote und Einbeziehung von Euro-5-Diesel ab 2019 sicherstellen.]

Folgt: DUH: Euro-6 mit Rekord-Ausstoß