Deutschland muss für CO2 zahlen

Seit Januar 2018 kostet jede Zusatzemission an Kohlendioxid 30 Euro pro Tonne

Kolumne von Hans-Jochen Luhmann auf sinn-schaffen.de

Hans-Jochen Luhmann, Senior Expert am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH, weist in seinem Text darauf hin, dass die Überschreitung vorgegebener Grenze für die Emission von Treibhausgasen zu Lasten des Bundeshaushalt geht. Eingestellt sei das da noch nicht – das Defizit betreffe neue Akteure in Berlin. Die laxe Klimapolitik, vor allem das Nachgeben gegenüber den Auto-Herstellern, sei ein Griff in die Taschen des Finanzministers geworden.

[note Gastbeiträge geben die Meinungen der Autorinnen und Autoren, nicht in jedem Fall die von Solarify wieder.]

Seit Januar 2018 kostet jede Zusatzemission an Kohlendioxid 30 Euro pro Tonne – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Multilaterale Klimapolitik gibt es seit mehr als 35 Jahren. Ihre Ziele von Anfang an waren:

  1. Die Erd-Atmosphäre sollte eine Allmende werden, ein gemeinsam genutztes Gut, dessen Nutzung reguliert wird: möglich nur noch begrenzt und, im Prinzip, gegen Entgelt.
  2. Die Industriestaaten sollten bei dieser Entwicklung vorangehen.

Die EU ist vorangegangen, für ihre Mitgliedstaaten ist die Atmosphäre eine (klimapolitische) Allmende geworden. Für die gesamten Emissionen der EU, und für jeden einzelnen Staat, existiert je eine Obergrenze. Es gibt jeweils ein pro Zeiteinheit maximal auszugebendes Budget (an Emissionen) – was darüber hinausgeht, ist mit Geld auszugleichen.

– Titel © Agora Energiewende, Agora Verkehrswende

Deutschland überschreitet seit 2018 die vorgegebene Grenze für die Emission von Treibhausgasen und kumuliert gegenwärtig Zusatzlasten auf Zusatzlasten. Für all die ist aus dem Bundeshaushalt zu zahlen. Eingestellt ist das da noch nicht – das Defizit betrifft neue Akteure in Berlin. Die laxe Klimapolitik, vor allem im Verkehr, das Nachgeben gegenüber den Auto-Herstellern, ist uno actu ein Griff in die Taschen des Finanzministers geworden. Der Bundesrechnungshof kann nicht umhin als den laisser-faire-Stil einiger Ressorts im Klimaschutz, zum Beispiel die Klientel-Politik in der Landwirtschaft, für sich als Prüffall zu akzeptieren. Es geht jetzt um Geld, um viel Geld.

Die Klimagas-Budget-Grenze ist eine Errungenschaft, die öffentlich so gut wie unbekannt ist. Sie war ja auch nur eine Option, die bislang nicht angewendet wurde. Da es keinen Mangel an Emissionsrechten in Deutschland gab, hat sie bislang nicht gegriffen, hat sie ihre Zähne nicht gezeigt. Im Laufe des letzten Halbjahres aber, konkret seit dem 15. Januar 2018, dem Zeitpunkt, da die offiziellen Emissionsdaten für 2016 vorliegen, hat sich in der deutschen Klimapolitik das Blatt gewendet, das (fesselnde) Netzwerk hat eine hohe faktische Relevanz entwickelt.

[note Eine neue Analyse (zitiert im aktuellen Natur-Editorial unter dem Titel “The costs of climate inaction” – Kosten der Klimauntätigkeit) listet die wahrscheinlichen sozialen Kosten der CO2-Emissionen nach Ländern auf  – und sollte eine beunruhigende Lektüre für Politiker sein – “Country-level social cost of carbon”, so der Titel in nature climate change. Dessen ungenannter Autor zitiert Bismarck, Politik sei die Kunst des Möglichen (im englischen Original: “…the art of the next best”). Ein eher trauriges Beispiel dafür sei der weltweite Politiker-Ansatz zur Bekämpfung des Klimawandels. Die nebenstehende Agora-Studie siehe auch auf: solarify.eu/verfehlung-von-klimazielen-kostet-milliarden]

Folgt: Der Schwarze Peter liegt bei der Bundesregierung, ihrem Haushalt – die will ihn loswerden