Petersberger Klimadialog mit Kritik zu Ende gegangen

BMU: „Signal für gemeinsame Fortschritte beim Klimaschutz“

Sie verstehe die Demonstrationen der Fridays-for-Future-Bewegung, sie seien zwar „alles andere als bequem, aber ich will ausdrücklich sagen, das ist verständlich, denn aus der Perspektive der jungen Menschen steht unsere Natur, unser Zusammenleben zur Disposition“, die Kinder machten zu Recht Druck, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am 14.05.2019 beim 10. Petersberger Klimadialog in Berlin. Vor dem Brandenburger Tor hatte zuvor Greenpeace die Dialog-Teilnehmer mit großen Buchstaben aus Eisblöcken empfangen: „Last Exit“. „Erfolgreiche Klimapolitik wird an der Menge eingesparter Emissionen gemessen, nicht an der Anzahl an Gesprächskreisen, zu denen die Kanzlerin einlädt“, kritisierte Greenpeace-Klimaexpertin Lisa Göldner.

„Wenig Neues anzubieten“ habe die Kanzlerin gehabt, schrieb auch der Berliner Tagesspiegel. Das Hauptstadtblatt zog – möglicherweise von den ähnlichen Rot-Tönen der Kanzler- und Ministerinnen-Garderobe angeregt – einen Vergleich: „Es ist ein beachtliches Schauspiel, das die Bundesregierung in Sachen Klimapolitik derzeit abliefert: Eine CDU-Kanzlerin, die rhetorisch weiter die Klimakanzlerin gibt, aber die gerade von der eigenen Partei und ihrer neuen Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer ausgebremst wird. Eine Umweltministerin in Merkels Kabinett, Svenja Schulze von der SPD, die viel ankündigt, aber wenig umgesetzt bekommt – und die sich nun gegen die Kanzlerin an die Seite des französischen Präsidenten Emmanuel Macron gestellt hat.“

Zeigt die Kanzlerin (immer noch) wo’s lang geht? – X. Petersberger Klimadialog mit Merkel, Schulze und Schmidt (Chile) – Screenshot © Livestream Internet, BMU

Immerhin konnte sich Merkel dazu durchringen, es doch für – bedingt – möglich zu halten, dass sich die Bundesregierung der Macron-Initiative anschließen könnte. Bedingt, weil zuerst geklärt werden müsse, wie der Weg zu Macrons CO2-Neutralität aussehe. Merkel will zwar auch, dass Deutschland bis 2050 CO2-neutral wird. Aber das bedeute nicht, dass es gar keine Emissionen mehr gebe, so Merkel weiter. Sie sollen allerdings nicht mehr schädlich wirken – sondern zum Beispiel gespeichert oder durch andere Maßnahmen ausgeglichen werden. Merkel hatte eine deutsche Beteiligung an Macrons Initiative beim EU-Gipfel vergangene Woche in Rumänien noch abgelehnt. Merkel jetzt: „Die Diskussion soll nicht heißen, ob wir es erreichen können, sondern wie können wir es erreichen“. (Nach swr.de/Merkel-bei-Petersberger-Klimadialog)

Laut einer Medienmitteilung aus dem BMU ist der zehnte Petersberger Klimadialog „mit einem Bekenntnis zu gemeinsamen Fortschritten beim Klimaschutz zu Ende gegangen“.Nachdem in den Vorjahren das Verhandeln von Abkommen und Regelwerk im Vordergrund gestanden habe, sei es nun vor allem um die Umsetzung gegangen. Die Staatengemeinschaft müsse beim Klimaschutz gemeinsam immer besser werden, „um einen gefährlichen Klimawandel abzuwenden“.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze: „Kein Land der Welt kann das Klima im Alleingang retten. Aber zum Glück ist auch niemand alleine. Denn auf der ganzen Welt gehen Staaten, Unternehmen, Gesellschaften voran. Und auf der ganzen Welt erwarten nicht nur junge Menschen von der Politik, dass sie beim Klimaschutz ernst macht. Unsere Aufgabe ist es, das Versprechen des Pariser Abkommens einzulösen und den gefährlichen Klimawandel abzuwenden. Alle sind sich bewusst, dass die in Paris eingereichten Klimaziele der Staatengemeinschaft dafür noch nicht ausreichen. Darum wurde bereits in Paris vereinbart, dass alle Vertragsparteien bis 2020 noch einmal nacharbeiten und aktualisierte Ziele vorlegen. Wie gut das in diesem und im nächsten Jahr gelingt, wird entscheidend sein für den Erfolg des Pariser Klimaabkommens.“

Die chilenische Umweltministerin und Präsidentin der nächsten Weltklimakonferenz in Santiago de Chile, Carolina Schmidt Zaldívar: „Die Staaten müssen bei der COP25 eine große Herausforderung meistern: sie müssen die Ebene der Verhandlungen verlassen und nun handeln und dabei das Ambitionsniveau im Kampf gegen den Klimawandel steigern. Deshalb müssen wir in zahlreichen Fragen mit klaren Vereinbarungen zur COP25 kommen – z.B. wie das Ambitionsniveau im globalen Klimaschutz gesteigert werden kann, wie man erwirken kann, dass die überarbeiteten nationalen Beiträge (NDCs) einen starken Beitrag zur Reduzierung der Emissionen leisten und wie man verschiedene Akteure unterhalb der nationalstaatlichen Ebene, wie etwa Städte, Regionen und die Privatwirtschaft, mit konkretem Klimaschutzengagement in den im September stattfindenden Gipfel des Generalsekretärs der Vereinten Nationen einbinden kann. Weiterhin wird es darum gehen, wie wir die Anpassung an den Klimawandel in allen Staaten der Welt auf die politische Tagesordnung setzen können und wie man die Instrumente zur Umsetzung mittels Finanzierung, Kapazitätsaufbau und Technologietransfer stärken kann“.

Deutschland und Chile haben den zehnten Petersberger Klimadialog als Ko-Gastgeber ausgerichtet. Er stand unter dem Motto „Fulfilling the promise of Paris“. Deutschland und Chile sind enge Partner in der internationalen Klimapolitik, besonders mit Blick auf die Energiewende. Chile ist weltweit das Land mit dem prozentual größten Ausbau der Erneuerbaren Energien in den letzten Jahren. Im Mittelpunkt der Gespräche in Berlin stand die Frage, wie die neue Phase der Umsetzung und Ambitionssteigerung in der internationalen Klimapolitik so organisiert werden kann, dass die größtmögliche globale Dynamik für den Klimaschutz entsteht. Die Jahre 2019 und 2020 sind dafür entscheidend, denn in Paris hat die Staatengemeinschaft 2015 zugesagt, ihre Klimaschutzbeiträge im Jahr 2020 noch einmal zu aktualisieren. Ein wichtiges Ereignis auf dem Weg dahin wird der UN-Gipfel am 23. September in New York sein, zu dem UN-Generalsekretär Guterres die Staats- und Regierungschefs eingeladen hat.“

Ebenfalls im Zentrum der Gespräche stand die Vorbereitung der 25. Weltklimakonferenz in Santiago de Chile im Dezember. Dort sollen unter anderem noch offene Fragen zu Marktmechanismen im internationalen Klimaschutz verhandelt werden. Außerdem werden die Staaten sich – kurz vor der Frist 2020 – über Wege hin zu besseren Klimazielen austauschen.

Greenpeace: „Nur sofortiges Handeln auf nationaler Ebene kann Deutschlands internationale Glaubwürdigkeit wiederherstellen“

Anlässlich des Klimadialogs hatten Greenpeace-Aktivisten vor dem Brandenburger Tor einen aus Eisblöcken geformten Schriftzug aufgebaut: „Last Exit“ (Deutsch: „Letzter Ausgang“) sollte gegen Untätigkeit beim Klimaschutz protestieren. Die Kanzlerin habe die Konferenz zwar vor zehn Jahren ins Leben gerufen, damals, um dem internationalen Klimaschutz mehr Schwung zu verleihen. Weil aber die deutschen CO2-Emissionen seither kaum gesunken seien und die Bundesregierung ihr Klimaschutzziel für das Jahr 2020 deutlich zu verpassen drohe, habe Deutschlands Glaubwürdigkeit in Klimafragen inzwischen stark gelitten. Das nannte Greenpeace-Klimaexpertin Lisa Göldner „unsäglich“. Erfolgreiche Klimapolitik werde an der Menge an eingesparten Emissionen gemessen, „nicht an der Anzahl an Klimadialogen und Gesprächskreisen zu denen die Kanzlerin einlädt. Während die Kanzlerin zum zehnten Klimadialog lädt, debattiert die Koalition eifrig, was man vielleicht tun könnte gegen die Klimakrise. Am Ende müssen den Worten aber endlich Taten folgen. Der Welt bleiben zehn Jahre, um die schlimmsten Folgen der Klimakrise zu begrenzen“, so Göldner. „Kanzlerin Merkel muss Deutschland im Klimaschutz endlich aus der Sackgasse steuern. Das Klimaschutzgesetz ist dafür die letzte Ausfahrt. Als reiches Industrieland trägt Deutschland beim Klimaschutz Verantwortung und darf die Weltgemeinschaft nicht im Stich lassen.“

Solarify: Wir haben uns dazu entschlossen, die BMU-Medienmitteilung im Wortlaut wiederzugeben – denn in kaum einem Bereich gehen Wirklichkeit und interpretierende Erklärungen so weit auseinander wie beim Klimaschutz – nach dem alten Motto: „Nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht.“

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