BEE-Kritik: BNetzA „kontraproduktiv“

Bundesnetzagentur stuft 68 Ausbau-Maßnahmen als „nicht bestätigungsfähig“ ein

Die Bundesnetzagentur hält einer Medienmitteilung zufolge „96 von 164 der von den Übertragungsnetzbetreibern vorgeschlagenen Ausbau-Maßnahmen bis 2030 für erforderlich“. Diese Projekte seien „nach den ersten Berechnungen der Bundesnetzagentur auch bei einem vollständigen Kohleausstieg bis 2038 notwendig“. Über die im Bundesbedarfsplan gesetzlich festgeschriebenen Projekte hinaus handle es sich „um 56 zusätzliche Ausbaumaßnahmen. 68 Maßnahmen werden gegenwärtig als nicht bestätigungsfähig eingestuft“.

Hochspannungsmasten und Windenergie bei Nauen, Brandenburg – Foto © Dieter Fichtner für Solarify

Die Mitteilung hat den harmlosen Titel: „Bundesnetzagentur startet Konsultation zum Stromnetzausbau“; die Hiobsbotschaft für die Netzbetreiber ist mittendrin versteckt. Der stellvertretende BNetzA-Präsident Peter Franke sagte es rundheraus: „Viele der vorgeschlagenen Ausbauprojekte können wir derzeit nicht bestätigen. Insbesondere halten wir im Moment eine weitere Stromautobahn nach Baden-Württemberg nicht für erforderlich, hier genügt nach unser derzeitigen Einschätzung eine Leitung von Schleswig-Holstein nach Nordrhein-Westfalen.“

Netzentwicklungsplan regelt Bedarf an neuen Stromleitungen

„Der Netzentwicklungsplan Strom 2019-2030 enthält den Ausbau im deutschen Übertragungsnetz, der für eine sichere Stromversorgung bis zum Jahr 2030 notwendig ist. Der Netzentwicklungsplan beinhaltet auch eine Planung der Offshore-Anbindungssysteme und ersetzt damit den bisherigen Offshore-Netzentwicklungsplan. Den Berechnungen liegt das Ziel der Bundesregierung zu Grunde, den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2030 auf 65 Prozent zu erhöhen.
Ein Entwurf des Netzentwicklungsplans wurde von den Übertragungsnetzbetreibern öffentlich konsultiert und überarbeitet. Derzeit prüft die Bundesnetzagentur die vorgeschlagenen Maßnahmen und veröffentlicht ihre vorläufigen Ergebnisse nun begleitend zur Konsultation. Für die Anbindung von Offshore-Windparks sieht die Bundesnetzagentur weitere Anbindungssysteme in Nord- und Ostsee als erforderlich an.“

Die Übertragungsnetzbetreiber haben einen zusätzlichen Gleichstromkorridor zwischen Schleswig-Holstein über Nordrhein-Westfalen nach Baden-Württemberg vorgeschlagen. Nach derzeitigem Stand der Prüfung sieht die Bundesnetzagentur nur eine Gleichstrom-Verbindung zwischen Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen als erforderlich an. Darüber hinaus müssten „zusätzlich Wechselstromverbindungen verstärkt oder neu errichtet werden“.

BEE nicht einverstanden

„Das Prüfergebnis des Netzentwicklungsplans (NEP) der Übertragungsnetzbetreiber durch die Bundesnetzagentur ist kontraproduktiv für die Energiewende und für den Klimaschutz“, kritisierte BEE-Präsidentin Simone Peter die Bundesnetzagentur (BNetzA) – die hatte eine Reihe von Netzprojekten zusammengestrichen. „Ein schlechtes Signal“, so Peter laut einer Medienmitteilung des BEE, „zumal die BNetzA nur einen Tag davor angekündigt hat, in einigen Bundesländern den Ausbaudeckel für die Windenergie mit der Begründung zu verschärfen, es stünden nicht genug Netze zur Verfügung.“

Beide Entscheidungen zusammen zeigten, wie unstrukturiert die Bundesregierung die Energiewende fortsetzt und damit künstlich verlangsamt. Eigentlich hätte die Bundesnetzagentur den NEP dahingehend überprüfen sollen, inwiefern der künftige zusätzliche Strombedarf durch Elektromobilität, Wärmepumpen und Power-to-X abgebildet wird und inwiefern Effizienzannahmen realistisch getroffen werden. Diese Herausforderungen müssten zudem im Szenariorahmen noch berücksichtigt werden, denn die Szenarien gehen von einer Stagnation des Stromverbrauchs bis 2030 aus, so als ob es keine Sektorenkopplung und keinen Klimaschutzplan für alle Sektoren gäbe.

Zu niedrige Stromverbrauchsannahmen führten zu Netzfehlplanungen und würden damit dem erforderlichen Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht gerecht. So sträube sich die Bundesnetzagentur weiterhin dagegen, dass Erzeugungsspitzen möglichst regional verbraucht werden, was weitere Flexibilitäten schaffen würde. Besonders unverständlich sei, dass die Bundesnetzagentur die dringend benötigten Netzbooster nicht bewilligen will. Diese würden es ermöglichen, deutlich mehr Kapazitäten im Bestandsnetz und den geplanten Gleichstromnetzen zu schaffen.

„Einerseits die Kapazität der künftigen Netze zu reduzieren und andererseits den Erneuerbaren-Ausbau mit Verweis auf zu geringe Netzkapazitäten zu deckeln, passt hinten und vorne nicht zusammen. Fehlplanungen bei den Netzen bremsen die Energiewende unnötig aus und gefährden künftige Klimaziele.“

Grüne: „Kritischer Blick der BNetzA gut“

Ingrid Nestle, Sprecherin für Energiewirtschaft von Bündnis90/Die Grünen, sieht die Sache etwas anders. „Es ist gut, dass die Bundesnetzagentur einen kritischen Blick auf die Vorschläge der Netzbetreiber wirft. Entscheidungen zur Netzplanung gehören in die öffentliche Hand. Dabei konnten deutliche Einsparpotenziale identifiziert werden. Gleichzeitig wird deutlich: An den Stromtrassen werden die Erneuerbaren-Ziele und der Kohleausstieg nicht scheitern. Dafür braucht es aber einen Ausbau der Netze, der einhergehen muss mit einer höchstmögliche Transparenz und einer klaren Kommunikation.“

Gleichzeitig müsse man aber bedenken, welche Grundannahmen der Prüfung zu Grunde lägen. Sie sehe einen erheblichen Ausbau der Erneuerbaren in Süddeutschland sowie einen eher moderaten Zuwachs bei der Offshore-Energie vor. Nestle weiter: „Bisher findet dieser Zubau in Süddeutschland aber nicht statt, weil die Bundesregierung nicht die notwendigen Rahmenbedingungen setzt. Sie darf die Energiewende nicht länger verschleppen und muss endlich für den Kohleausstieg und für das Erreichen des 65-Prozent-Ziels tragfähige Vorschläge auf den Tisch legen. Es bleibt zu hoffen, dass das Klimakabinett am 20. September endlich die längst überfälligen Vorschläge präsentiert. Die aktuellen Debatten innerhalb der Bundesregierung geben allerdings wenig Anlass zur Hoffnung.“

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