Das Problem der rülpsenden Kuh

95 Prozent der Methanemissionen aus der Landwirtschaft werden von Tieren ausgestoßen – fast 60 Prozent der Treibhausgase

Methan ist das zweithäufigste Treibhausgas auf dem Planeten, seine Wirkung in der Atmosphäre ist aber ungefähr 30mal so schädlich wie CO2. Trotzdem bestimmt Kohlendioxid die politische Agenda. Wird Methan als Umweltfaktor unterschätzt? Florence Schulz ging der Frage nach – für Euractiv vom 16.09.2019.

die Kuh als Methanproduzentin – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Dabei ist es extrem wichtig, das Gas im Auge zu behalten. Denn seit Jahrzehnten nimmt die Menge an Methan in der Atmosphäre zu – und das immer schneller. Woran das liegt, ist die Wissenschaft unsicher: Zum einen entströmt das Treibhausgas den schmelzenden Permafrostböden der Erde. Eine weitere Quelle ist vermutlich die Erdgasgewinnung durch Fracking, auch dabei entweicht eine ganze Menge Methan.

An sich ist Methan ein natürliches Gas, das in großen Mengen auf der Erde vorkommt. Es entsteht überall dort, wo organisches Material ohne Sauerstoff zersetzt wird, zum Beispiel in Regenwäldern oder auf Reisplantagen. Das Problem ist der menschengemachte Anteil. 60 Prozent der weltweiten Methanemissionen gehen auf unser Konto. Diese zusätzlichen Treibhausemissionen heizen die Atmosphäre auf, außerdem bilden sie das gesundheitsschädigende bodennahe Ozon.

Ein Drittel des vom Menschen verursachten Methans, so schätzt man, sind auf den Öl- und Gassektor zurückzuführen – jene Emissionen machen laut Internationaler Energieagentur (IEA) ungefähr sechs Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen aus. Das Gute daran: Dieser Anteil lässt sich theoretisch relativ einfach reduzieren. Die IEA schätzt, dass 75 Prozent der Methanemissionen aus diesem Sektor mit bereits existierenden Technologien eingespart werden könnten.

Landwirtschaft gleichauf mit Industrie

Mit Abstand die größte Quelle von Methan ist aber die Landwirtschaft. In Deutschland produziert der Sektor 58 Prozent des Treibhausgases. Methan wird bekannterweise vor allem von Rindern, Kühen und Schweinen ausgerülpst.

„Eine effektive Lösung zur Reduktion des Methanausstoßes von Tieren gibt es bisher nicht“, meint Roland Fuß, Wissenschaftler für Agrarklimaschutz am Thünen-Institut. Seit 1990 habe es in der Landwirtschaft keine nennenswerte Senkung des Methanaustoßes gegeben, abgesehen von einer Reduktion der Tierbestände nach der Wiedervereinigung. Da die Abfall- und Energiewirtschaft ihre Treibhausgasemissionen haben deutlich senken können, bleibt die Landwirtschaft nach dem Energiesektor der zweitgrößte Emittent von Treibhausgasen – und ist gleichauf mit dem industriellen Sektor.

Feste Ziele zur Reduktion von Methan gibt es nicht. Als Treibhausgas fällt es unter die Regelungen des internationalen Kyoto-Protokolls, das heißt, es wird in das Emissionsbudget der Industriestaaten mit einbezogen. Auch in der EU gibt es kein individuelles Methanminderungsziel. Der Vorschlag der Kommission im Jahr 2016, bei der Reformierung der Richtlinie für nationale Emissionshöchstmengen eine Methan-Quote einzuführen, schaffte es nicht in den endgültigen Text.

Alles eine Frage des Futters?

Trotzdem gilt auch für die Landwirtschaft, dass sie ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um 30 Prozent gegenüber 2005 reduzieren muss, so sieht es das EU Lastenteilungsprinzip vor. Wie soll das gehen, wenn ein Großteil des Gases von Tieren produziert wird und so kaum zu kontrollieren ist?

An Ansätzen dazu mangelt es nicht. Vom Versuch, Kühe genetisch anzupassen bis hin zu Experimenten mit speziellem Futter ist vieles ausprobiert worden. Letzteres tut derzeit auch Ralf Loges, Forscher am Institut für Grünland und Futterbau der Universität Kiel. Auf einem Versuchshof in der Nähe von Kiel, direkt an der Ostsee, hat den Methan-Ausstoß von Kühen auf der Weide bemessen. Auf dem Hof laufen die Kühe mit einer Absaug-Apparatur auf den Rücken über die Weide. Loge stellte so fest, dass sich die Methan-Emission pro Liter Milch verringern lässt, wenn die Tiere auf der Weide gehalten werden und dort bestimmte Kleesorten essen. Aber das Potential sei begrenzt, meint er: „Im Großen und Ganzen lässt sich die Methan-Produktion der Tiere nicht unterdrücken.“

Auch Roland Fuß vom Thünen-Institut ist skeptisch, was Fütterungsversuche angeht: „Das Problem ist, dass sich die Mikroorganismen im Körper der Tiere bei einer langfristigen Veränderung der Essgewohnheiten auf die neuen Bedingungen einstellen. So wird den Methan-Ausstoß nicht dauerhaft gemindert werden können“.

Abseits der Methan rülpsenden Tiere gibt es aber weitere Maßnahmen, um die Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft zu senken. Eine am Pflanzenbedarf orientierte Düngung zum Beispiel, um den Austritt von Lachgas zu reduzieren. Derzeit läuft ein Verfahren der EU-Kommission, weil deutsche Landwirte zu viel Kunstdünger auf die Felder ausbringen. Außerdem sollten Tierexkremente in Biogasanlagen vergärt und die Reste gasdicht gelagert werden, empfiehlt das Bundesumweltamt. Unterm Strich hilft aber nur eins, um Methan zu reduzieren, sagt Roland Fuß: „Wir müssen unsere Tierbestände verkleinern. Weltweit müssen die Menschen einfach deutlich weniger Fleisch und Milchprodukte konsumieren.“

Das Umweltbundesamt zu Methanemissionen:

Von 1990 bis 2017 gingen die Methan-Emissionen um 2,6 auf 2,2 Mio. t zurück. Das entspricht einer Minderung um 54 % (siehe Abb. „Methan-Emissionen nach Kategorien“). Besonders stark sanken die Emissionen im Bereich der Abfallablagerung (rund 1,1 Mio. t). Die zur Deponierung vorgesehenen Abfallmengen gingen zurück und die Effizienz der Methangaserfassung auf den Deponien wurde verbessert. Weiterhin nahmen die Emissionen aus der Gewinnung und Verteilung von Brennstoffen (-1,1 Mio. t) stark ab, vor allem durch die sinkende Kohleförderung in Deutschland.

 

Weil die Tierbestände in den neuen Ländern verkleinert wurden, verminderten sich auch die Emissionen der Landwirtschaft. Da in den anderen großen Verursacherbereichen aber stärker eingespart wurde, stellt dieser Bereich aktuell mit 60 % die größte Emissionsquelle für Methan dar.

->Quellen: