Bundesnetzagentur mit zweitem Bericht über Mindesterzeugung

Homann: „Nur geringer Teil der konventionellen Erzeugungsleistung netztechnisch erforderlich“

Die Bundesnetzagentur hat am 07.10.2019 den zweiten Bericht über die sogenannte Mindesterzeugung veröffentlicht. Im Bericht werden Perioden mit „negativen Strompreisen“ der Jahre 2016 bis 2018 untersucht. Negative Strompreise bedeuten, dass Betreiber von Kraftwerken dafür gezahlt haben, wenn ihnen Strom abgenommen wurde. „Viele Kraftwerke reagieren nur eingeschränkt auf Börsenstrompreise. Dies liegt häufig an fehlender Flexibilität durch Wärmelieferverpflichtungen,“ erklärt Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur.

Bericht über Mindesterzeugung – Titel © Bundesnetzagentur

Mindesterzeugung

In den analysierten Stunden der Jahre 2016 – 2018 wurden 18 bis 26 Gigawatt konventionelle Stromerzeugung eingespeist (sogenannte konventionelle preisunelastische Erzeugungsleistung). Nur ein kleinerer Teil dieser Erzeugung ist für den sicheren Netzbetrieb erforderlich (mindestens 4 bis 8 Gigawatt). Dieser Teil wird als „Mindesterzeugung“ bezeichnet. Damit diese Mindesterzeugung von konventionellen Kraftwerken bereitgestellt werden konnte, mussten sie am Netz sein. Die untere Leistungsgrenze dieser Kraftwerke ist Voraussetzung zur Bereitstellung von Mindesterzeugung. Sie machte 28 % bis 43 % der gesamten konventionellen preisunelastischen Erzeugungsleistung aus.

Konventioneller Erzeugungssockel

Der überwiegende Anteil der konventionellen Stromerzeugung in den analysierten Perioden mit negativen Strompreisen ist dem „konventionellen Erzeugungssockel“ zuzuordnen (14 bis 19 Gigawatt). Die am Netz befindlichen Kraftwerke haben ihre Einspeisung zeitweise bis auf ihr gemeldetes technisches Minimum gesenkt. Die fehlende Flexibilität dieser Kraftwerke bestimmt maßgeblich die Höhe des konventionellen Erzeugungssockels. In den zurückliegenden Jahren haben einige Betreiber bereits in die Flexibilisierung ihrer Anlagen investiert. Weitere Investitionen der Kraftwerksbetreiber können den konventionellen Erzeugungssockel weiter verringern.

Wärmelieferverpflichtungen stehen häufig einer flexibleren Fahrweise entgegen. Eine Befragung der Kraftwerksbetreiber hinsichtlich ihrer Einsatzentscheidung bei einem hypothetischen Börsenpreis von -100 €/MWh zeigte, dass insbesondere Betreiber von KWK-Anlagen auch bei länger anhaltenden negativen Börsenpreis weiter Strom einspeisen würden. Anreize aus Regelungen zur Eigenerzeugung wurden ebenfalls als Grund genannt, negative Börsenpreise in Kauf zu nehmen.

Integration der Erneuerbaren-Erzeugung

Die Bundesnetzagentur hat bezogen auf Engpasssituationen den Zusammenhang zwischen Mindesterzeugung und Einspeisevorrang Erneuerbarer Erzeugungsanlagen (EE) untersucht. Ein nennenswerter Teil der EE-Abregelungen (39 – 88 %) war auf Engpässe zwischen Übertragungs- und Verteilernetz zurückzuführen. In diesen Fällen ist das Abregeln von konventionellen Kraftwerken auf Übertragungsnetzebene wirkungslos. Daher sollte über spezifische Anreize für eine zügige Beseitigung von solchen Engpässen diskutiert werden.

Für eine umfassende Integration der Erneuerbaren Erzeugung wird es darauf ankommen, den konventionellen Erzeugungssockel schrittweise abzuschmelzen und die Mindesterzeugung zunehmend alternativ – zum Beispiel aus erneuerbarer Erzeugung – zu erbringen.

Aus dem Bericht

Das deutsche Stromversorgungssystem erfährt seit einiger und auf absehbare Zeit eine Strukturveränderung. Sie ist das Resultat politischer Entscheidungen von Bundesregierung und Parlament.12 Der Kern dieser politischen Entscheidungen ist die Umstellung auf eine CO2-freie, nicht-nukleare Stromerzeugung, hauptsächlich realisiert durch die fast ausschließliche Nutzung von EE-Anlagen.

Auch in Zukunft ist die Erbringung von Systemdienstleistungen durch die ÜNB für einen stabilen Netzbetrieb unerlässlich. Bis dato sind an der Erbringung der Systemdienstleistungen überwiegend die konventionellen Kraftwerke inkl. Pumpspeicherkraftwerke beteiligt.3 Dadurch verhalten sich diese Kraftwerke quasi unabhängig vom Stromgroßhandelspreis bzw. preisunelastisch. Daneben gibt es weitere Kraftwerke die sich genauso verhalten, jedoch aus anderen Gründen. Derartig preisunelastisch agierende Kraftwerke könnten volkswirtschaftliche Ineffizienzen bei der Deckung des Strombedarfs verursachen, indem insbesondere EE-Anlagen verdrängt werden.4 Um EE-Anlagen eine möglichst vollständige Einspeisung zu ermöglichen und dadurch den CO2- Ausstoß möglichst weitgehend zu verringern, soll die Einspeisung sich preisunelastisch verhaltender konventioneller Kraftwerke, möglichst weitgehend reduziert werden. Dieses Bemühen setzt die Kenntnis der gegenwärtigen Verhältnisse voraus. Dafür soll dieser Bericht dienen.

Nach § 63 Abs. 3a EnWG erstellt die Bundesnetzagentur einen Bericht über die Mindesterzeugung, der – die maßgeblichen Einflussfaktoren der Mindesterzeugung aufzeigt, – die Einspeisung von EE-Anlagen quantifiziert, die durch die Mindesterzeugung negativ beeinflusst wurde, und – die zukünftige Entwicklung der Mindesterzeugung betrachtet.

BEE: „Konventionelle Kraftwerke blockieren Energiewende“

Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) zum Bericht: „Es ist energiewirtschaftlich und unter dem Gesichtspunkt der finanziellen Belastungen nicht weiter hinnehmbar, dass konventionelle Kraftwerke und fossil betriebene KWK-Anlagen die Netze verstopfen, während sauberer Strom abgeregelt wird. Dieser [Bericht] belegt, dass nur ein sehr kleiner Teil des trägen konventionellen Kraftwerkssockels für den Betrieb des Stromsystems überhaupt erforderlich ist.“

Die Mindesterzeugung lag in den betrachteten Situationen bei mindestens vier bis acht Gigawatt und machte damit laut BNetzA den kleineren Teil der gesamten preisunelastischen Erzeugungsleistung aus. Der konventionelle Erzeugungssockel lag bei 14 bis 19 Gigawatt. Insgesamt lag die preisunelastische Erzeugungsleistung bei 18 bis 26 Gigawatt. Die Vorhaltung negativer Regelleistung durch konventionelle Kraftwerke hatte dabei einen bedeutenden Anteil an der Mindesterzeugung. Dieser Anteil könnte sich verringern, wenn mehr Erneuerbare-Energien-Anlagen am Regelenergiemarkt teilnehmen dürfen.

Auch fossil betriebene KWK-Anlagen tragen wesentlich zum starren und technisch nicht notwenigen Erzeugungssockel bei. Diese können zusätzlich zu den Wärmeerlösen teilweise gleich mehrere Förderungen einnehmen, was dazu führt, dass sie nicht ausreichend auf Marktpreise reagieren. Dazu zählen Eigenverbrauchsprivilegien und teilweise vermiedene Netzentgelte.

„Nicht nur Großkraftwerke, sondern auch die fossil-betriebene Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) muss deutlich an Flexibilität gewinnen, damit der überflüssige konventionelle Erzeugungssockel abgebaut werden kann. Fossil-betriebene KWK-Anlagen müssen auch tatsächlich flexibel betrieben werden, was heute nicht der Fall ist.“ Bei der Ausgestaltung der neuen Regeln zum Redispatch müsse daher darauf geachtet werden, dass der Einspeisevorrang von Erneuerbaren Energien vor allen fossilen Optionen durchgesetzt wird, bekräftigt Peter. Zurecht verweist die Bundesnetzagentur darauf, dass die Erneuerbaren Energien in Zukunft immer mehr Systemdienstleistungen übernehmen werden und dies auch können.

->Quellen: