Altmaier verteidigt sich gegen Vorwürfe von KWSB-Mitgliedern und NGO
Der Zeitplan für den Braunkohle-Ausstieg (siehe solarify.eu/bund-laender-einigung-ueber-kohleausstieg) entzweit das politische Berlin: Acht von 28 Mitgliedern der ehemaligen Kohlekommission (Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung, KWSB) warfen der Bundesregierung vor, sie verstoße gegen die mühsam ausgehandelten Empfehlungen zum Kohleausstieg und sehen den vor einem Jahr erzielten Kohlekompromiss gar durch die Bundesregierung aufgekündigt. Sie kritisieren die ihrer Ansicht nach zu zögerliche Abschaltung von Kraftwerken und zu hohe Entschädigungen für die Betreiber. In einer Stellungnahme forderten sie den Bundestag zum Handeln auf. „Hier wird ein gesellschaftlicher Frieden, der vereinbart worden war, leichtfertig verspielt“, sagte Barbara Praetorius, eine der vier Vorsitzenden der Kommission, am 21.01.2020 in Berlin.
In der von ihr, Olaf Bandt (BUND), Antje Grothus (Initiative Buirer für Buir), Martin Kaiser (Greenpeace Deutschland), Felix Christian Matthes (Öko-Institut), Kai Niebert (Deutscher Naturschutzring), Reiner Priggen (LEE NRW) und Hans Joachim Schellnhuber unterzeichneten Stellungnahme heißt es, der Ausstiegsfahrplan verletze den von der Kohle-Kommission mühsam erzielten Kompromiss und gefährde leichtfertig den gesellschaftlichen Frieden: „Mit der Bund-Kohleländer-Einigung zum Kohleausstieg vom 15. Januar 2020 sehen wir Buchstaben und Geist der in den Empfehlungen der KWSB erzielten Kompromisse vor allem mit Blick auf den Klimaschutz sowie den Umgang mit den vom Braunkohletagebau betroffenen Menschen grob verletzt“, heißt es in der Stellungnahme. Die von Bund und Ländern beschlossenen Abweichungen von den Empfehlungen der KWSB gehen demnach „gravierend und einseitig zu Lasten von Klimaschutz und Tagebau-Betroffenen“.
„Klimapolitischer Irrsinn ohne signifikante Beiträge zum Klimaschutz“
Der Präsident des Deutschen Naturschutzrings, Kai Niebert, bezeichnete den Abschaltplan als klimapolitischen Irrsinn ohne signifikante Beiträge zum Klimaschutz. „Der Kohle-Kompromiss sei nur deshalb von Umweltverbänden mitgetragen worden, weil der Ausstiegspfad stetig sein sollte. In der Bund-Länder-Einigung seien nun aber alle Interessen eingelöst worden „bis auf den Klimaschutz“. Auch Energieexperte Felix Christian Matthes bezeichnete den von der Kommission ausgehandelten stetigen Abbaupfad als zentralen klimapolitischen „Knackpunkt“. Nach dem aktuellen Fahrplan jedoch würden zu spät zu viele Kraftwerke gleichzeitig abgeschaltet. Das sei auch energiewirtschaftlich unvernünftig.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier verteidigte den Kurs der Bundesregierung. Der CDU-Politiker verwies auf die Bedeutung von Versorgungssicherheit und bezahlbaren Strompreisen. Der Wirtschaftsminister stellte sich auch hinter die Entscheidung zur Inbetriebnahme des neuen Steinkohlekraftwerks Datteln 4. Es sei besser, alte Kraftwerke mit hohem CO2-Ausstoß stillzulegen und dafür ein modernes Werk ans Netz zu nehmen. Der Betreiber Uniper habe einen Rechtsanspruch auf das Kraftwerk, andernfalls müsste eine Entschädigung in Milliardenhöhe gezahlt werden.
Bis 2025 setzt die Bundesregierung laut aktuell bekanntem Entwurf des Kohleausstiegsgesetzes nur auf Freiwilligkeit der Kraftwerksbetreiber. Melden sich nicht genug für Abschaltungen, gehen weniger Gigawatt vom Netz als geplant. Ein ordnungsrechtlicher Pfad, der dies regeln würde, ist erst ab 2025 vorgesehen. Der Steinkohleausstieg 2038 kann lediglich um zwei Jahre vorgezogen werden, Braunkohle gar nicht. Um die Klimaziele zu erreichen, bleibt aber nur ein frühestmöglicher Ausstieg: bis 2030.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze wies zwar die Kritik am geänderten Kohleausstiegsplan zurück, sieht allerdings noch Klärungsbedarf. Ihr Sprecher sagte, was noch fehle, sei vor allem der von der Kohle-Kommission vorgeschlagene Ausstiegsschritt im Jahr 2025. Bund und Länder hätten sich darauf verständigt, das mit einem innovativen Projekt weiter zu verfolgen. Schulze erwartet nun vom Bundeswirtschaftsminister Vorschläge.
Folgt: Kritische Stimmen – DUH, Fell, BEE, BUND und Germanwatch – siehe auch schon solarify.eu/reaktionen-auf-kohleausstiegs-einigung