DIW: Kernenergie weltweit Auslaufmodell

Neubauten in vier Ländern mit großen technischen und finanziellen Mühen

Derzeit wird in vier Ländern, in denen bisher noch keine Atomanlagen in Betrieb waren, am Bau je eines Atomkraftwerks gearbeitet. Bis auf die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), wo ein südkoreanisches Unternehmen zum ersten Mal außerhalb des eigenen Landes Reaktoren baut, sind die Bauprojekte in den Neueinsteigerländern fest in russischer Hand (Tabelle 2).

Die Regierung der VAE bestellte 2009 von dem südkoreanischen Unternehmen Korean Electric Power Corporation (KEPCO) vier Reaktoren mit einer Leistung von 5,4 Gigawatt (GW) zum Preis von 28,2 Milliarden US-Dollar10. Dies entspricht einer spezifischen Investition von 5.300 US-Dollar pro Kilowatt. Von der Gesamtsumme wurden mindestens 18,7 Milliarden US-Dollar mit öffentlichen Geldern finanziert. Anfang des Jahres 2020 ist kein Reaktor am Netz, jedoch sollen alle vier Reaktoren bis 2023 am Netz sein11. In der Langfristplanung der VAE für 2050 ist Atomkraft für sechs Prozent der Stromversorgung vorgesehen, sodass nicht mit dem Bau eines weiteren Atomkraftwerks zu rechnen ist12.

Der russische Staatskonzern Rosatom hat im Jahr 2012 mit der Regierung von Belarus einen Liefervertrag über zwei Reaktoren mit einer Leistung von 2,2 GW am Standort Ostrovets vereinbart. Die Finanzierung erfolgt fast vollständig durch die russische Seite; bis heute ist keiner der Reaktoren am Netz; dies ist für Beginn der 2020er Jahre geplant13.

Rosatom organisiert derzeit auch den Bau eines Atomkraftwerks mit vier Reaktoren in der Türkei am Standort Akkuyu. Rosatom hält dabei 51 Prozent an einem Gemeinschaftsunternehmen JSC Akkuyu Nuclear, welches Schwierigkeiten hat, die restlichen 49 Prozent an türkische Investoren zu vergeben14. Die Hälfte aller Stromlieferungen ist mit einem Power Purchase Agreement (PPA) vergütet. Dieses garantiert dem Kraftwerksbetreiber, eine Tochterfirma von Rosatom, einen garantierten Abnahmepreis von 123,50 US-Dollar pro erzeugter Megawattstunde Strom15. Dies liegt um den Faktor zwei bis drei über dem durchschnittlichen europäischen Großhandelspreis des Jahres 2019 von 38 Euro pro Megawattstunde.

Rosatom übernahm zudem die Ausführung für das erste AKW in Bangladesch mit zwei Reaktoren und einer Gesamtkapazität von 2,4 GW. Russland übernahm 90 Prozent der Finanzierung in Höhe von 12,65 Milliarden US-Dollar; dies entspricht fast der Hälfte der aktuellen Auslandsverschuldung von Bangladesch. Nach Verzögerungen wird nun für 2024 mit der Netzintegration der beiden Blöcke gerechnet16.

Folgt: Länder mit angeblich unterschriebenen Lieferverträgen beziehungsweise festen Neubauplänen