DIW: Kernenergie weltweit Auslaufmodell

Von einer Renaissance der Atomkraft kann keine Rede sein

Dieser großen Zahl an Rückbauten stehen aktuell (Stand 1. Juli 2019) lediglich 46 laufende Neubauprojekte gegenüber. In westlichen Marktwirtschaften findet fast kein Bau von neuen AKW mehr statt, mit wenigen Ausnahmen unter anderem in den drei im Weltsicherheitsrat vertretenen Staaten Frankreich, Vereinigtes Königreich und USA (Abbildung 1). Neben China (mit zehn Neubauprojekten) gehören auch Indien (mit sieben Neubauprojekten) sowie Russland (mit fünf Neubauprojekten) zu den führenden Staaten mit neu errichteten AKW. Allerdings ist auch in diesen Ländern der Anteil von Atomkraft an der gesamten Stromerzeugung rückläufig6.

Von einer Renaissance der Atomkraft kann daher keine Rede sein. Dennoch ist dieses Narrativ im öffentlichen Diskurs weit verbreitet. Dieser Wochenbericht analysiert im Folgenden die Situation in einer Reihe von Ländern, in denen der Atomeinstieg angeblich diskutiert wird; dabei wird neben einer ökonometrischen Analyse der Nachfrageseite auch die Angebotssituation der potenziellen Exportländer, insbesondere Russland, betrachtet6.

Inhaltsverzeichnis

Narrativ der Atomwirtschaft: Über 30 potenzielle Newcomer

In der öffentlichen Diskussion wird häufig auf eine Vielzahl von Ländern verwiesen, die angeblich die Einführung von Atomkraft vorbereiten, beziehungsweise schon konkrete Abkommen hierzu abgeschlossen haben. Grundlage hierfür sind die Statistiken der WNA. So beinhaltet die Liste der „Emerging Nuclear Energy Countries“ der WNA eine Vielzahl von Ländern (derzeit über 30), die angeblich kurz vor dem Einstieg in die Atomwirtschaft stehen7. Diese Klassifizierung beruht unter anderem auf sogenannten „Kooperationsverträgen“ dieser Länder mit potenziellen Lieferanten von Atomtechnik. Derzeit werden Newcomer-Länder bei der WNA in sieben unterschiedlichen Kategorien gelistet (Tabelle 1)8.

Bei genauerer Analyse zeigt sich jedoch, dass nur wenige Projekte umgesetzt werden und diese zudem unter großen technischen und finanziellen Schwierigkeiten leiden. Im Folgenden daher eine Analyse der aktuellen Situation in den genannten Ländern9.

Folgt: Neubauten in vier Ländern mit großen technischen und finanziellen Mühen