Photosynthetischer Wasserstoff aus Bakterien

Kieler Forschungsteam untersucht Cyanobakterien als „Wasserstoff-Fabriken“

Eine Medienmitteilung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU): Die Umstellung der Nutzung fossiler Brennstoffe hin zu einer erneuerbaren Energieversorgung ist eine der wichtigsten weltweiten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Als vielversprechender, potenziell klimaneutraler Energieträger wird grüner, mittels regenerativer Energie gewonnener Wasserstoff dabei künftig eine bedeutende Rolle spielen. Eine solche nachhaltige Energiequelle versuchen Forschende zum Beispiel mittels der Photosynthese zu erschließen. Die Nachwuchsgruppe Bioenergetik in Photoautotrophen am Botanischen Institut der CAU wird derzeit ein dazu geeignetes Cyanobakterium erforscht.

Die Nachwuchsforschungsgruppe ‚Bioenergetik in Photoautotrophen’ an der CAU betreibt Grundlagenforschung für eine künftige klimaneutrale Wasserstoffwirtschaft. © Jolanda Zürcher

Es geht dabei darum, wie man bei der Energiegewinnung diesen Kohlenstoffzyklus und die damit einhergehenden CO2-Emissionen vermeiden kann. „Dazu kommt insbesondere die Speicherung von Sonnenenergie direkt in Form von Wasserstoff infrage – dabei entsteht kein CO2 und der Wirkungsgrad ist durch die direkte Umwandlung sehr groß“, erklärt Kirstin Gutekunst (Bioenergetik in Photoautotrophen) von der ihren Forschungsansatz. Sie untersucht mit ihrem Team dazu ein bestimmtes Cyanobakterium: Über die Photosynthese kann dieses für wenige Minuten solaren Wasserstoff produzieren; den allerdings verbraucht die Zelle im Anschluss gleich wieder. In einer aktuellen Arbeit beschreiben die Kieler Forschenden, wie sich dieser Mechanismus möglicherweise in Zukunft für biotechnologische Anwendungen nutzen lässt: Sie konnten ein bestimmtes Enzym der lebendigen Cyanobakterien, eine sogenannte Hydrogenase so an die Photosynthese koppeln, dass das Bakterium über lange Zeiträume solaren Wasserstoff produziert und nicht wieder verbraucht. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heute in der renommierten Wissenschaftszeitschrift Nature Energy.

Cyanobakterien als Wasserstoff-Fabriken

Ebenso wie sämtliche Grünpflanzen sind auch Cyanobakterien in der Lage, Photosynthese zu betreiben. In der Photosynthese wird Sonnenenergie genutzt, um Wasser zu spalten und die Sonnenenergie chemisch zu speichern – vor allem in Form von Zucker. In diesem Prozess durchlaufen Elektronen sogenannte Photosysteme, in denen sie in einer Kaskade von Reaktionen schließlich den universellen Energieträger Adenosintriphosphat (ATP) und sogenannte Reduktionsäquivalente (NADPH) hervorbringen. ATP und NADPH werden anschließend benötigt, um CO2 zu fixieren und Zucker zu produzieren. Die für die Wasserstoffproduktion benötigten Elektronen sind also normalerweise Teil von Stoffwechselprozessen, die den Cyanobakterien gespeicherte Energie in Form von Zucker zur Verfügung stellen. Das Kieler Forschungsteam hat einen Ansatz entwickelt, um diese Elektronen umzuleiten und den Stoffwechsel der lebendigen Organismen primär zur Herstellung von Wasserstoff anzuregen.

„Das von uns untersuchte Cyanobakterium nutzt ein Enzym, die sogenannte Hydrogenase, um den Wasserstoff aus Protonen und Elektronen zu gewinnen“, sagt Gutekunst, die auch Mitglied im CAU-Forschungsverbund Kiel Plant Center (KPC) ist. „Die Elektronen stammen dabei aus der Photosynthese. Uns ist es gelungen, die Hydrogenase so an das sogenannte Photosystem I zu fusionieren, dass die Elektronen bevorzugt für die Wasserstoffproduktion genutzt werden, während der normale Stoffwechsel in geringerem Umfang weiterläuft“, so Gutekunst weiter. Auf diesem Weg stellt das veränderte Cyanobakterium deutlich mehr solaren Wasserstoff her als in bisherigen Experimenten.

Fähigkeit zur Selbstreparatur

Ähnliche Ansätze zur Wasserstoffproduktion mit Fusionen aus Hydrogenase und Photosystem existierten bereits in vitro, also außerhalb von lebenden Zellen im Reagenzglas oder auf Elektrodenoberflächen in photovoltaischen Zellen. Problematisch ist dabei allerdings, dass diese künstlichen Ansätze in der Regel kurzlebig sind. Die Fusion aus Hydrogenase und Photosystem muss aufwendig immer wieder neu erstellt werden. Der nun vom CAU-Forschungsteam eingeschlagene Weg hat dagegen den großen Vorteil, potenziell unbegrenzt zu funktionieren. „Der Stoffwechsel der lebenden Cyanobakterien repariert und vervielfältigt die Fusion aus Hydrogenase und Photosystem und gibt sie bei der Teilung an neue Zellen weiter, so dass der Prozess im Prinzip dauerhaft ablaufen kann“, betont Projektleiterin Gutekunst. „Mit unserem in vivo Ansatz ist es erstmals gelungen, eine solare Wasserstoffproduktion über eine Fusion aus Hydrogenase und Photosystem in der lebenden Zelle zu realisieren“, so Gutekunst weiter.

Eine Herausforderung besteht im Moment noch darin, dass die Hydrogenase in Anwesenheit von Sauerstoff deaktiviert wird. Die in den lebendigen Zellen weiterhin ablaufende „normale“ Photosynthese, bei der im Zuge der Wasserspaltung auch Sauerstoff entsteht, hemmt also die Wasserstoffproduktion. Um den Sauerstoff zu entfernen beziehungsweise dessen Entstehung zu minimieren, werden die Cyanobakterien für die Wasserstoffproduktion momentan teilweise auf die sogenannte anoxygene Photosynthese umgestellt. Sie basiert jedoch nicht auf Wasserspaltung. Zurzeit stammen die Elektronen für die Wasserstoffproduktion daher teilweise aus der Wasserspaltung und teilweise aus anderen Quellen. Langfristiges Ziel des Kieler Forschungsteams ist es aber, ausschließlich Elektronen aus der Wasserspaltung für die Wasserstoffgewinnung zu nutzen.

Konzepte für die Energie der Zukunft

Der neue in vivo-Ansatz bietet insgesamt eine vielversprechende neue Perspektive, um die photosynthetische Wasserspaltung zur Produktion von grünem Wasserstoff zu etablieren und so die nachhaltige Energiegewinnung voranzubringen. Die weitere Erforschung der Stoffwechselwege von Cyanobakterien in Gutekunsts Gruppe soll mittelfristig insbesondere den Wirkungsgrad der solaren Wasserstoffproduktion weiter steigern. „Die Arbeiten unserer Kollegin sind ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie die Grundlagenforschung an Pflanzen und Mikroorganismen zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen beitragen kann“, betont KPC-Sprecherin Professorin Eva Stukenbrock. „Damit leisten wir in Kiel einen wichtigen Beitrag dazu, eine nachhaltige Wasserstoffwirtschaft als echte Alternative für eine sichere Energieversorgung der Zukunft zu entwickeln“, so Stukenbrock weiter.

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