Buchkritik: Die Klima-Schmutz-Lobby

Die Renaissance des Klimawandel-Leugnens

Dank einer Reihe von Leaks und Veröffentlichungen wurde bekannt, wie viel Geld die Leugner-Szene über Jahrzehnte in Kampagnen gegen Klimaschutz investierte. Ölkonzerne wie Exxon finanzierten vor allem in den USA jahrelang den Zweifel am menschengemachten Klimawandel, oft mit prominenter Unterstützung aus dem konservativen Lager. Auch der Ölkonzern Shell wusste schon lange von den desaströsen Folgen des Klimawandels – seine hausinternen Forscher warnten im April 1986 vor drohenden Dürren und Überschwemmungen und forderten den Konzern auf, unverzüglich zu handeln. Shell tat das Gegenteil, wie die Publikation eines internen Berichts von 2018 bewies: Die Studie The Greenhouse Effect wurde vom Ölkonzern verheimlicht, der Klimawandel fortan als unsicher dargestellt. All dies ist inzwischen öffentlich, und Shell bekennt sich zumindest verbal zum Klimaschutz. Ab 2010 wurde es erstmals stiller um die Leugner-Szene, erst in Europa und mit der Ära von US-Präsident Barack Obama auch in den USA. Schließlich berichteten die Medien kaum mehr über die „abtrünnigen Klimaleugner“; die Bemühungen, alle Länder an einen UN-Weltklimavertrag zu binden, wurden stärker, der fünfte Bericht des Weltklimarates in den Jahren 2013 und 2014 sorgte dafür, dass Politiker aus Mitgliedsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention sich unter Zugzwang sahen, endlich zu handeln.

Und dann passierte es wirklich: „Adopted“ – „angenommen“, hallte es am 12. Dezember 2015 gegen 18:30 Uhr durch den Plenarsaal La Seine auf dem Pariser Konferenzgelände Le Bourget. Keine Einwände mehr, keine Widersprüche! „Der Weltklimavertrag von Paris ist somit verabschiedet“, hatte Laurent Fabius, französischer Außenminister und Vorsitzender der UN-Klimakonferenz COP21, soeben erklärt. Jubel bricht aus, Diplomaten und Politiker liegen sich in den Armen, Tränen, beherztes Auflachen, Erleichterung. Das erste Mal in der Geschichte haben sich 197 Staaten auf ein Dokument zur Eindämmung der globalen Erwärmung geeinigt. Es war der vorläufige Triumph der wissenschaftlichen Vernunft über Fake News und fossile Industrieinteressen der Öl- und Kohlekonzerne.

Dieser bewegende Moment in der Geschichte der Menschheit hätte gleichzeitig auch das historische Aus für die Klimawandel-Leugner sein können. Wenn sich 197 Staaten einig sind, die Klimaerwärmung zu bekämpfen, wenn 197 Staaten 2015 sogar das Pariser Abkommen unterzeichnen, um die Erderwärmung auf höchstens 1,5 Grad zu begrenzen: Was zählen dann noch ein paar Spinner, die aus der Reihe tanzen? Die Klimawandel-Leugner, so vermuteten viele, würden ähnlich belächelt und einflusslos bleiben wie die Aluhut-Bewegung oder die „Flache-Erde“-Bewegung der „Flat Earther“. Doch es geht um mehr als ein paar Verschwörungstheoretiker.

Als der wohl berühmteste Klimawandel-Skeptiker der Welt, Marc Morano, ein Jahr später den Klimavertrag auf der UN-Klimakonferenz in Marrakesch vor einem Aufsteller mit dem designierten US-Präsident Donald Trump öffentlich schredderte, versuchten das die meisten der 30 000 Klimadiplomaten zwar zu ignorieren. Dennoch wussten auch sie, dass diese Inszenierung nur ein kleiner Vorgeschmack auf das „Comeback“ der Klimawandel-Leugner sein sollte. Mit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten änderte sich alles. Das zarte Pflänzchen der globalen Klimadiplomatie – das Pariser Abkommen – konnte zwar gerade noch rechtzeitig vor diesem Wendepunkt in die Erde gebracht werden – aber wird es den ersten harten Winter auch überstehen?

Noch ist es zumindest in vielen Ländern Europas verpönt, sich gegen Klimaschutz auszusprechen – erst recht im Zuge der „Fridays for Future“-Bewegung. Laut Umfragen sehen viele Bürger den Klimawandel als größte Bedrohung für die Menschheit. Aber Donald Trump war nur der Anfang eines weltweiten rechtskonservativen Rollbacks, das längst nicht mehr nur die USA, sondern auch Länder in Lateinamerika und Europa erfasst hat. Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro repräsentiert diese neue globale Rechte. Auch in Europa sind bereits in vielen Ländern rechtspopulistische Parteien in Parlamente gewählt oder sogar in Regierungen. Die Rechtspopulisten setzen sich in ihren Programmen und später auch in Regierungen fast ausnahmslos dafür ein, Gesetze zum Klimaschutz wieder abzuschaffen. Denn Klimaschutz, so ihre Begründung, sei ein Projekt von „oben“ und gegen die Bürger – deswegen müsse er verhindert werden. Es ist nicht auszuschließen, dass sich die „unsichtbaren Bremser“, potenzielle Verlierer des Klimaschutzes und Rechtspopulisten bald auch weltweit formieren. Eine solche Allianz könnte so mächtig werden wie in den USA. Dort arbeiten längst Klimawandel-Leugner, fossile Konzerne und die Regierungen zusammen, um ihre Interessen durchzusetzen.

Mittlerweile finanziert das millionenschwere amerikanische Heartland Institute europäische Veranstaltungen, US-amerikanische Leugner verbinden sich mit polnischen Gewerkschaften, und konservative Denkfabriken in den USA, die Trump unterstützen, überlappen sich mit dem europäischen Netzwerk der Marktgläubigen und Rechtspopulisten.

Ganz offen präsentieren sich diese rechtsextremen Parteien in Europa als Klimawandel-Leugner. Denn das Thema eignet sich wie sonst nur Flüchtlingsdebatten dazu, Stimmung gegen die „Lügenpresse“ oder die „Elite“ zu machen und Verschwörungstheorien zu verbreiten. Klimaschutz abzulehnen ist eine Strategie, Wählern einfache Antworten statt komplexer Diskurse und Verzichtsforderungen zu präsentieren. Während in der Migrationspolitik einfach gefordert wird, die Grenzen zu schließen und die Flüchtlinge ihrem Schicksal zu überlassen, wird beim Thema Klimawandel schlicht die Wissenschaft angezweifelt. So sprachen hochrangige AfD-Politikerinnen in Interviews ganz offen darüber, dass die Sonne, nicht der Mensch maßgeblich am Klimawandel schuld sei. Kein menschengemachter Klimawandel – kein Problem. Grenzen zu – keine Flüchtlinge, die Deutschen bleiben unter sich. So einfach scheint die Welt zu sein, die uns Rechtspopulisten auftischen wollen.

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