Buchkritik: Die Klima-Schmutz-Lobby

  1. Schmutziges Geld und schmutzige Politik

In ihrem im Piper-Verlag erschienenen Buch „Die Klima-Schmutz Lobby“ klären die Autorinnen Susanne Götze und Annika Joeres darüber auf, „wie Politiker und Wirtschaftslenker die Zukunft unseres Planeten verkaufen“. Eine Buchempfehlung als Aufruf von Walter Tauber, zuerst veröffentlicht am 29.06.2020 im Ökologischen Zukunftsportal Wiki Stade. Danach Leseproben aus dem Buch. – mit freundlicher Genehmigung –

Klimawandel und Waldsterben - Angst- und Lamettatriebe an Fichten am Jenner - Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Klimawandel und Waldsterben – Angst- und Lamettatriebe an Fichten am Jenner – Foto © Solarify

Ein Eisbär guckt vom Rande seiner Eisscholle ins Meer, seine letzte? Orkane walzen Elendsviertel nieder und verschütten hunderte Menschen im Schlamm. Das Meer zermalmt Küsten, Inseln saufen ab und Wälder verkohlen. Dürren, Fluten, Hungersnöte und Seuchen: Kann ich mich da anders als hilflos fühlen? Ich trenne meinen Müll, vermeide Plastik, fahre Rad. Angesichts der Gewalt, die mir gegenübersteht, fühle ich mich dabei lächerlich.

Denn mir stellen sich gigantische Kräfte entgegen. Sie sind aber abstrakt, nur in Fernsehbildern erfassbar. Was ist nun mit den Wissenschaftlern, die alles erklären, mir näher bringen können? Klimaforscher sind sich einig, dass die Katastrophe bevorsteht. Und sie wissen, was wir dagegen tun könnten. Greta hat uns daran erinnert. Und die Politik tut so, als hätte sie verstanden. Ja aber, bremsen viele, es soll Gegenstimmen geben. Und sind wir nicht so erzogen worden, dass wir auch der anderen Seite Gehör schenken? Dass diese andere Seite aber aus schamlosen Lügnern bestehen kann, vergessen wir oft. Und so gelingt es dieser dreisten anderen Seite, meine Wahrnehmung von der sichtbaren Katastrophe ins Abstrakte zu verschieben. Empörung wird diffus: Schuld sind uneinige Forscher, die Medien oder die Politik. Vielleicht sogar “das System” insgesamt? Wie soll ich da – im Diskurs gezielt verkleinert zum “Normalbürger” – noch mitreden können? Sollte ich Zweifel an den Fakten haben? Es ist alles so komplex.

Auf Seite 154 erfahre ich, dass die Komplexität gewollt ist. Sie soll uns verwirren. Uns unsicher machen, damit wir auf keinen Fall handeln. Ich habe, für mich jedenfalls, das Buch des Jahres gefunden. Und den Begriff des Jahrzehnts: Klimaschmutz. Es geht gar nicht um abstrakte Kräfte. Es geht um Täter. Einerseits um die Verursacher des Klimawandels. Aber vor allem auch um jene Täter, die uns daran hindern, angesichts des Untergangs zu handeln. Es gibt Täter, Menschen mit Namen und Vornamen und vor allem mit Amt und Beruf, die alles daran setzen, die Fahrt in den Abgrund zu beschleunigen, weil sie davon profitieren. So der Klappentext: “Dieses Buch zeigt erstmals, wie Klimaschutz-Gegner seit Jahrzehnten den dringend nötigen Systemwechsel in Europa und den USA verhindern.”

Kommentare geben Meinung und Informationen der Kommentierenden wieder, nicht in jedem Fall die von Solarify. Das gilt auch für Buchauszüge.

Vor mir liegt ein Handbuch. Ein Werk, in dem ich immer wieder nachschauen kann, welche Täter wofür verantwortlich sind. Ich habe es vollgekritzelt mit Unterstreichungen, Ausrufezeichen, Hinweisen. Denn dieses Buch müssen wir nicht nur lesen, mit diesem Buch müssen wir arbeiten. Um damit gezielt gegen die Täter vorzugehen.

Meine Reaktion ist emotional, mag sein. Die Skrupellosigkeit der Täter lässt Wut aufkochen. Dabei ist das Buch der beiden Autorinnen sachlich und kühl. Akribisch genau folgen sie den Spuren der Umwelt-Frevler, erklären die Zusammenhänge im Detail und untermauern alles mit über 50 Seiten Fußnoten mit Quellenangaben. Sollte ich aus diesem Werk zitieren, etwa über die Öko-Untaten eines Multis wie Bayer-Monsanto, dann kann ich mich sicher fühlen vor Klagen. Die Recherche sitzt. Susanne Götze und Annika Joeres haben die übelriechende Spur von schmutzigem Geld zu schmutziger Politik offengelegt. Sie beweisen, dass man honorigen Männern (meistens sind es grauhaarige Männer) die neben einem politischen Amt ein wenig oder viel dazuverdienen, den Ehrentitel “honorig” radikal absprechen muss. Es gibt nichts ehrenhaftes daran, Lobbyist für Klimaschmutz zu sein. Kriminell wird es, sich im Amt von Klimaschmutz-Lobbyisten leiten zu lassen. Denn es geht ums Überleben unseres Planeten.

Die Autorinnen steigen mit einer Anekdote ein: Schon 2007 hatte Kanzlerin Merkel “mit ihrem damaligen Umweltminister Sigmar Gabriel in roten Anoraks auf dem Grönlandeis gestanden und strengeren Klimaschutz angemahnt” (S.12). Geschehen ist nichts. Daher die Absichtserklärung dieses Buches: “Die Schlüsselfiguren der Klima-Schmutz-Lobby müssen endlich benannt, ihre Netzwerke offengelegt und ihre Motivation kritisch hinterfragt werden.” (S. 15).

Dieses Ziel haben Annika Joeres und Susanne Götze in brillanter Weise erreicht. Sie fangen an mit einer Begriffsklärung. Nicht alle Täter sind gleich. Es gibt wenige echte Leugner des Klimawandels – wer mag sich offen als Ignorant darstellen? Aber es werden mehr dank der großzügigen Spenden von US-amerikanischen Instituten, die von der fossilen Energiewirtschaft finanziert werden. Heartland Institute in den USA, zum Beispiel, und ihr deutscher Zögling EIKE. Aus deren Topf von Halbwahrheiten bedienen sich die Rechtspopulisten, die glauben, so “das Volk” aufwiegeln zu können. Auch Liberale greifen zu dieser Strategie. Am schlimmsten sind die Bremser, die ihre Positionen in Politik und Wirtschaft dazu nutzen, jeden Ansatz zu ernsthaftem Klimaschutz zu sabotieren. Sie bezweifeln die Wissenschaft nicht, geben sich nicht die Blöße, offen zu den Leugnern zu stehen. Aber sie sabotieren die Energiewende, wo immer sie können, aus Angst vor wirtschaftlichem Verlust. “Dass es seit 30 Jahren nicht wirklich vorangeht im Klimaschutz,” schreiben die Autorinnen, “ist also kein Zufall, sondern eine Strategie von Profiteuren des alten Systems.” (S. 39)

Im ersten Teil des Buches geht es um die unterschätzte Gefahr, die von Klimawandel-Skeptikern und Bremsern ausgeht (s. 27 bis 118). Immer wieder schüren die Angst vor angeblich zu hohen Kosten oder phantasieren von technischen Lösungen, die uns in ferner Zukunft alle retten werden. So etwa Katja Suder (FDP), die damit bei Markus Lanz klar gegen die 17jährige Schülerin Julia Oepen (Fridays for Future) unterlag (Video). Sogar eine drohende Übermacht des Staates beschwören die Steinzeit-Kräfte herauf, die nicht unsere Demokratie sondern ihre Bilanzen im Auge haben. Und unermüdlich warnen sie vor dem Verlust von Arbeitsplätzen. Dabei kann jeder Grundschüler vorrechnen, dass 80.000 verlorene Stellen in der Solarenergie mehr sind als 20.000 bedrohte Plätze in der Braunkohle. Aber es geht Leugnern und Bremsern nicht um Fakten, sie wollen nur aufwiegeln. Das ist Propaganda pur (bei Joseph Goebbels nachzulesen, zitiert: WikiStade-Artikel.

Leider ist diese Propaganda wirksam. “Hier baut sich eine Front gegen das gesamte Erneuerbare-Energien-Gesetz, die Energiewende und schlussendlich auch gegen den Klimaschutz auf,” warnt das Buch (S. 43). Und das hat, weitab von Wissenschaft oder simpler Vernunft, ausschließlich mit politischem Opportunismus zu tun. 44 Prozent der Gegner der Energiewende wählen laut Umfragern AfD (S. 44).

->Folgt: Zum Buch: Strategien, Netzwerke und Argumente die Klimaschutz-Bremser gegen die europäische Klimaschutzpolitik