Klima, Krieg und Flucht

Hans-Josef Fell: Erneuerbare Energien stärken

Um Fluchtursachen zu bekämpfen, müsse schnell auf 100% Erneuerbare Energien umgestellt werden, sagt der Energieexperte Hans-Josef Fell. Die heutige Flüchtlingswelle sei die logische Folge einer jahrzehntelangen unzulänglichen Politik, welche die Fluchtursachen nicht in den Mittelpunkt einer vorsorgenden Politik gestellt habe. Im Gegenteil, das globale Erdölwirtschaftssystem, also die gesamte fossil-atomare Weltwirtschaft, werde bis heute massiv gestützt, mit weiteren Subventionen, Korruption, Finanz-Investitionen und einer vielfachen Agitation gegen ein schnelles Wachstum der Erneuerbaren Energien. Bewusst denkenden und handelnden Menschen sei aber seit Jahrzehnten klar, dass eine weitere Ausbeutung großer Teile der Menschheit, eine Verschärfung der Klimakrise, sowie die Aufrechterhaltung der fossil-atomaren Weltwirtschaft zu Armut, Ungerechtigkeit und Krieg und damit unweigerlich zu großen Flüchtlingsströmen führe. Schon in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts hätten viele Menschen auf die wachsenden Nord-Süd-Konflikte hingewiesen. Damals war das 0,7-Prozent-Ziel festgelegt worden.

Kohleabbau: Kolumbien weltweit mit zweitmeisten Binnenflüchtlingen

„Unser westlicher Lebensstil stört sich nicht daran, dass wir Autos fahren und Wohnungen heizen, für deren Energieversorgung auch Erdöl aus Terroristenhand verwendet wird. Erdöl ist die Hauptfinanzquelle von IS, Al Qaida, Boko Haram, von Syriens Präsident Assad oder den einander bekriegenden sudanesischen Machthabern. Kolumbianische Kohle wird auch in deutschen Kohlekraftwerken verbrannt, obwohl Kolumbien nach Syrien vor allem wegen des Kohleabbaus für den Export weltweit das Land mit den zweitmeisten Binnenflüchtlingen ist“, so Fell.

Die Klimakrise als Zerstörung der Lebensräume durch schlimmste Wetterextreme führt laut Fell zu immer mehr Flüchtlingen, selbst in reichen Regionen. „Aktuell flüchten tausende Menschen vor den verheerenden Waldbränden und Dürren in Kalifornien. Zu den Flüchtlingen nach Europa aus den Kriegsgebieten im nahen Osten gesellen sich tausende Flüchtlinge aus Afrika, denen der Klimawandel z.B. durch Wüstenausbreitung die Lebensgrundlagen längst geraubt hat. Und wie wollen wir denn mit den Flüchtlingen umgehen, die durch den steigenden Meeresspiegel heute schon in Bangladesch und in einigen Jahrzehnten auch in Holland ihre Heimat verlassen müssen?

Verschärfung der Flüchtlingskrisen

„Frau Merkel, Herr Seehofer und Herr Gabriel haben sich zusammen mit großen Teilen der Finanzwirtschaft, Konzernen und auch Medien schuldig gemacht an der Verschärfung der Flüchtlingskrisen. Ihre permanenten Agitationen gegen die Erneuerbaren Energien, ihre Stützung von Großkonzern-Interessen im Agrarsektor, ihre Rohstoffbeschaffungspolitik, führen nur dazu, dass auch der deutsche Erdölkonsum weiter die IS Terroristen finanziert und weiter das Klima aufheizt. Ohne einen schnellen Umbau des Erdölzeitalters zu einer kohlenstoffarmen Weltwirtschaft mit sozial gerechten Strukturen werden wir die ständig wachsenden Flüchtlingsströme niemals bewältigen können.“

Fells Fazit: Wir brauchen einen schnellen Umbau auf eine weltweite Versorgung mit 100% Erneuerbaren Energien, eine ökologische Agrarwirtschaft und einen fairen Welthandel, damit Terrorfinanzierung, Korruption und Vertreibung durch Rohstoffabbau eingedämmt, sowie Armutsbekämpfung und eine Abkühlung des Weltklimas möglich werden. „Ein Umbau der Energieversorgung zu 100% Erneuerbaren Energien ist ein wesentlicher Beitrag zur mittel- und langfristigen Bekämpfung der Flüchtlingsströme“, so Fell. Und Benjamin L. Bodirsky, Ko-Autor eine neuen Studie des PIK-Potsdam, ergänzt: „Schon heute verursacht ungesunde Ernährung eine höhere Sterblichkeit als Unterernährung und Hunger.“ Gemeint sind rotes Fleisch, Zucker und verarbeitete Nahrungsmittel, wichtige Risikofaktoren für nichtübertragbare Krankheiten wie Diabetes II, Krebs, oder Herz- und Kreislaufkrankheiten.

Klimaflüchtlinge sollen mehr Schutz erhalten

Die Schweiz und Norwegen setzen sich dafür ein, dass Klimaflüchtlinge besser geschützt werden. 2012 hatten die beiden Länder dafür die „Nansen Initiative“ lanciert. Deren Ergebnis – eine Schutzagenda – wurde am 13.10.2015 im Rahmen einer Abschlusskonferenz in Genf präsentiert. So das St.Galler Tagblatt Online.

Mit der Nansen Initiative war 2012 ein globaler Konsultationsprozess angestoßen worden, um Maßnahmen zum besseren Schutz von Klimaflüchtlingen zu identifizieren und infolge von Katastrophen wie des Klimawandels entstehende Bevölkerungsbewegungen besser zu verstehen.

Von 2008 bis 2014 weltweit 184 Millionen Klima-Flüchtlinge – ein Mensch pro Sekunde

Jedes Jahr werden laut einer Mitteilung des Schweizer Außenministeriums (EDA) Millionen Menschen aufgrund von Naturkatastrophen vertrieben: Von 2008 bis 2014 seien weltweit 184 Millionen Menschen vor Überflutungen, Orkanen, Erdbeben, Dürren und anderen Naturkatastrophen geflüchtet. Das seien 26 Millionen Menschen pro Jahr oder ein Mensch pro Sekunde. Die meisten der Vertriebenen finden Zuflucht im eigenen Land, andere fliehen über die Landesgrenzen. Angesichts des Klimawandels drohten diese Zahlen künftig zu steigen, warnte Außenminister Didier Burkhalter. Die verabschiedete Agenda ziele nicht auf die Schaffung einer neuen internationalen Konvention oder den Status „Klimaflüchtling“ – vielmehr gehe es darum, vorbeugende Maßnahmen in den Herkunftsländern der Vertriebenen zu stärken. Dazu gehörten die Erarbeitung von Notfallszenarien für den Katastrophenfall. Oder die geplante Umsiedlung von Menschen, die beispielsweise in Küstennähe oder kleinen Inselstaaten lebten und vom steigenden Meeresspiegel bedroht seien.

Das St. Galler Tagblatt legt Wert auf die abschließende Information: „Die Verabschiedung der Schutzagenda erfordert in der Schweiz keine Gesetzesänderung, da im Dokument nicht verlangt wird, dass der geltende Flüchtlingsbegriff auf die sogenannten Klimaflüchtlinge ausgeweitet wird.“ (tagblatt.ch)

Folgt: Ein Hintergrund der Klima-Allianz: Klimawandel als Ursache von Migration und Flucht