Klima, Krieg und Flucht

Ein Hintergrund der Klima-Allianz: Klimawandel als Ursache von Migration und Flucht

Steigende Temperaturen und Meeresspiegel, veränderte Niederschlagsmuster und zunehmende Extremwetterlagen, schmelzende Gletscher und immer häufigere Naturkatastrophen: Die Symptome des Klimawandels haben erhebliche Auswirkungen auf Umwelt und Menschheit. Besonders betroffen sind vor allem die Menschen, die am wenigsten für den Klimawandel verantwortlich sind. Dahingegen spüren die industrialisierten Länder mit ihren hohen CO2-Emissionen bislang verhältnismäßig wenig von den Folgen globaler Erwärmung und sind zugleich finanziell besser ausgestattet, um sich an diese anzupassen. Ein Hintergrund der Klima-Allianz zu einem hoch-aktuellen Thema.

Die Folgen des Klimawandels gefährden Lebensgrundlagen, verschärfen (Ressourcen-)Konflikte und machen die Heimat von Millionen Menschen zeitweise oder dauerhaft unbewohnbar. Auch wenn es aufgrund der Komplexität von Migrationsprozessen und ungenauer Datenlagen schwer zu messen ist, gehört der Klimawandel zu den wesentlichen Push-Faktoren, die Menschen zu Flüchtlingen und Migranten machen.

Bereits in den 90er-Jahren stellte der IPCC fest, dass Klimamigration eine zunehmend schwerwiegende Herausforderung sei und erwarten 150 Millionen KlimamigrantInnen bis 2050. Im Ende September veröffentlichten ersten Teil des 5. Sachstandsberichts prognostizieren die Forschenden einen deutlich höheren Meeresspiegelanstieg als bisher angenommen. In den neueren Szenarien wird davon ausgegangen, dass der globale Meeresspiegel auf bis zu 0,8 Meter in den nächsten 90 Jahren steigen könnte. Somit könnten Menschen z.B. in Bangladesch oder auf den Malediven noch schneller und heftiger von Landverlust betroffen und zur Migration gezwungen werden.
Trotz dieser Einschätzungen stocken die internationalen Verhandlungen zur Eindämmung des Klimawandels weiter. Aus Sicht der Klima-Allianz Deutschland sind die bisherigen nationalen und internationalen Maßnahmen zur Vermeidung und Anpassung enttäuschend.

Hintergrund

„Ein Drittel Bangladeschs wird am Ende dieses Jahrhunderts unter Wasser stehen. Die Malediven und etliche Inselstaaten werden verschwinden: unser Atlantis des einundzwanzigsten Jahrhunderts.“ Joseph Stieglitz (Wirtschaftswissenschaftler, Nobelpreisträger 2001)

Der Klimawandel als Ursache von klimabedingter Migration und Flucht

  • Humanitäre Katastrophen: Stürme, Regenfluten, Dürren, Überschwemmungen zerstören Hab und Gut sowie Lebensgrundlagen: sie verschmutzen Trinkwasser und beschädigen die örtliche Landwirtschaft (Ernteausfälle, Bodenverlust, Infrastruktur); zwingen die Menschen zur unmittelbaren (oft nur zeitweiligen) Flucht; bis 2080 zusätzliche 600 Mio. Menschen von Hunger betroffen
  • Steigende Wasserknappheit: Regenmengen nehmen ab, Schmelzflüsse führen weniger Wasser, regenarme Gebiete trocknen aus; bis 2080: zusätzliche 1-3 Mrd. Menschen ohne ausreichend Wasser.
  • Meeresspiegelanstieg: Hunderte Mio. Menschen in Küstengebieten (z.B. Hälfte Bangladeschs) bzw. Inseln (z.B. Kiribati und Tuvalu) allein bei steigendem Meeresspiegel von 1m von dauerhaftem Landverlust bedroht
  • Verlust von Ökosystemen und Biodiversität: gefährden die Ernährungssicherheit bzw. Lebensgrundlagen, insbesondere dort, wo Einkommensquellen unmittelbar von intakten Ökosystemen abhängen (z.B. Fischerei und Landwirtschaft).
  • Gesundheit: Weniger Wasser und steigende Temperaturen begünstigen Ausbreitung von Keimen und Krankheitserregern bzw. deren Überträger.
  • Zunehmende Konflikte: Sinkende Verfügbarkeit von Wasser und Land führt zu wachsenden Spannungen z.B. zwischen Bevölkerungsgruppen.

Migration erfolgt immer als Antwort auf ein Bündel von Ursachen, darunter Perspektivlosigkeit, Armut, Konflikte oder soziale Ausgrenzung. Der Klimawandel verschärft all diese Gründe.

Folgen des Klimawandels im Hinblick auf Migrations- und Fluchtbewegungen bereits heute dramatisch

Auch wenn deshalb Prognosen zum Ausmaß klimabedingter Migration schwierig sind, bestätigt eine kontinuierlich wachsende Zahl von Länderstudien, dass die Folgen des Klimawandels im Hinblick auf Migrations- und Fluchtbewegungen bereits heute dramatisch sind. So werden immer mehr Menschen zu Flucht, Migration und Umsiedlung gezwungen, weil die Lebensgrundlagen vor Ort nicht mehr gesichert sind bzw. Überleben unmöglich wird:

Mögliches Ausmaß von klimabedingter Migration im Jahr 2050:

Aus Sicht der Klima-Allianz Deutschland reichen die bisher geplanten bzw. zugesagten Klimaschutzanstrengungen der Staaten – einschließlich Deutschlands – nicht aus, die Erwärmung unter 2°C zu halten – mit verheerenden Folgen v.a. in den Entwicklungsländern. Selbst wenn die globale Erwärmung unter der wichtigen Zwei-Grad-Plus-Grenze bleibt, werden die klimatischen Veränderungen tiefgehende Schäden anrichten. Selbst wenn es in einem surrealen Szenario gelänge, den Ausstoß von Treibhausgasen sofort auf null zu senken: Die Temperaturen würden wegen der verzögerten Wirkung der Treibhausgase in der Atmosphäre in den nächsten drei bis vier Jahrzehnten trotzdem ansteigen und als Resultat Menschen zu Migranten und Flüchtlingen machen.

Deshalb ist ein umso konsequenterer Klimaschutz und Hilfe bei der lokalen Anpassung an den Klimawandel nötig, um die Notwendigkeit und das Ausmaß von Migration und Flucht zu verringern. Hierbei ist ein zielgenauer Umgang mit den Betroffenen wichtig: Verschiedene Arten von Migration und Flucht erfordern eine zielgruppenspezifische Unterstützung (akute Nothilfe / Rehabilitierung, zeitweilig / dauerhaft, im Land / grenzüberschreitend / Totalverlust etc.).

Folgt: Handlungsfelder – Vorschläge zur Diskussion