Eigenverbrauch führt nicht zur Entsolidarisierung

Agora/Prognos: PV-Eigenstromversorgung „bleibt überschaubar“ – kein Erosionsrisiko

Sinkende Preise für Solaranlagen und Stromspeicher lassen Eigenversorgungslösungen absehbar zunehmend attraktiver werden. Immer wieder wird behauptet, dass sich in der Folge mehr und mehr Privathaushalte mit PV-Dachanlagen wegen der Rendite aus dem Stromsystem verabschieden würden und damit eine Kostenverlagerung hin zu Haushalten ohne PV-Anlagen stattfinde, Stichwort Entsolidarisierung. Das zerpflückt jetzt eine Prognos-Analyse im Auftrag von Agora Energiewende: Gemessen am bundesweiten Stromverbrauch werde demnach der Eigenverbrauch von Solarstrom auch mittelfristig nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Agora-Prognos-Studie Eigenversorgung aus Solaranalgen - Titel © Prognos

Agora-Prognos-Studie Eigenversorgung aus Solaranlagen – Titel © Agora Energiewende, Prognos, RAP

Etwa jede fünfte Kilowattstunde, die in Ein- und Zweifamilienhäusern verbraucht wird und die bisher aus dem Stromnetz bezogen wird, könnte durch selbsterzeugten Solarstrom vom Dach ersetzt werden. Diese Eigenversorgung würde sich deutschlandweit auf maximal jährlich 20 TWh summieren. Bei gewerblichen Gebäuden mit dem größten Potenzial – in Landwirtschaft und im Lebensmittelhandel – liegt die Menge des möglichen Eigenverbrauchs deutlich niedriger: Sie beläuft sich auf etwa 4 TWh/a, wodurch in Landwirtschaft und Lebensmittelhandel etwa 13 Prozent des aus dem Netz bezogenen Stroms ersetzt werden könnten. Die maximale Eigenversorgung in diesen Sektoren und bei Ein- und Zweifamilienhäusern ersetzt somit maximal fünf Prozent des gesamten heutigen Nettostrombedarfs von etwa 530 TWh/a.

Die Ergebnisse auf einen Blick:

  • Die Eigenstromversorgung durch Solar-Speicher-Systeme bleibe überschaubar. Sie werde bis 2035 maximal 44 TWh/a erreichen. Darin enthalten sei ein erheblicher Anteil an Strom für zusätzliche Wärmeanwendungen, sodass die Eigenversorgung jährlich maximal 24 TWh des heutigen Strombezugs aus dem Netz ersetze – rund fünf Prozent des heutigen Nettostromverbrauchs. Würde das kurzfristig realisiert, würde es die EEG-Umlage um etwa 0,5 ct/kWh erhöhen.
  • Das wirtschaftliche Potenzial der Solarversorgung durch Mieterstrommodelle sei derzeit nicht sicher abschätzbar, so die Studie. Bislang ist dieser Bereich nur ein kleiner Nischenmarkt, auch wegen der oft komplizierten Eigentümer-Nutzer-Konstellation.
  • Allerdings fordern die Autoren die Politik auf „zügig einen stabilen Rechtsrahmen für Eigenversorgung und Mieterstrommodelle“ zu schaffen, auch in Bezug auf die damit verbundenen Umverteilungseffekte. „Denn bisher wurde die Eigenstromversorgung politisch sowohl gefördert als auch behindert – teilweise sogar gleichzeitig“.

Kurzzusammenfassung

1. Private Haushalte

PV-Anlagen und PV-Speicher-Systeme für die Eigenversorgung in Ein- und Zweifamilienhäusern würden in den nächsten Jahren wirtschaftlich. Sie erreichten, je nach Zeitpunkt der Investition, jährliche Projektrenditen im Bereich von 4 bis 16 Prozent (2020), 6 bis 20 Prozent (2030) und 7 bis 24 Prozent (2035). Die PV-Eigenversorgung habe bei den privaten Haushalten für den Zeitraum bis 2035 ein Potenzial von 4,6 bis 38,6 TWh/a (Unterer Wert: ausschließliche Eigenversorgung der heute und zukünftig unter das EEG fallenden Anlagen – oberer Wert: Nutzung des Solarstroms durch Batteriespeicher und Erschließung des wirtschaftlichen Gesamtpotenzials. Ohne Speichernutzung und bei ausschließlicher Installation kleinerer Anlagen wäre ein wirtschaftliches Potenzial in Höhe von 14,5 TWh/a erschließbar).Schwarzwaldhaus mit PV-Dach - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

In Bezug auf die Rentabilität seien PV-Systeme mit Speicher nicht wirtschaftlicher als solche ohne. Aus rein wirtschaftlicher Sicht wären deshalb nur Eigenversorgungsanteile von rund 30 Prozent für letztere zu erwarten. Allerdings sei unklar, inwieweit sich Haushalte am Kriterium der Rentabilität orientierten. Darüber hinaus könne das Streben des Eigentümers nach Unabhängigkeit vom Stromversorger eine Rolle spielen.

Vor diesem Hintergrund spreche viel dafür, den oberen Wert von 38,6 TWh/a für das erschließbare Gesamtpotenzial bei Ein- und Zweifamilienhäusern anzusetzen. Allerdings sei hierin die Nutzung des eigen-erzeugten Stroms sowohl für bisherige Stromanwendungen als auch für neue Wärmeanwendungen enthalten. Hieraus ergebe sich für den verdrängten Strombezug aus dem Netz eine obere Potenzialschätzung von rund 20,3 TWh/a.

Angesichts von rund 130 TWh/a Stromverbrauch der privaten Haushalte könne die PV-Eigenversorgung knapp 16 Prozent des Netzstroms decken, wenn die für Ein- und Zweifamilienhäuser ermittelten Potenziale tatsächlich erschlossen würden. Bezogen auf den Stromverbrauch nur der Ein- und Zweifamilienhäuser seien das rund 30 Prozent des Netzstroms.

Folgt: 2. Sektor Gewerbe, Handel, Dienstleistungen