Die Atomlobby wird sich zu Tode siegen

Jeder kocht sein nationales Atom-Süppchen

Die Strategie, dass über die Stromkunden der Verteidigungshaushalt entlastet wird, hätte aufgehen können, wenn der EPR nicht so grandios gefloppt wäre. Bei den französischen Reaktorbauern rechnet man sich – aller Realitäten zum Trotz – immer noch Chancen auf dem Weltmarkt für Atomkraftwerke aus – ebenso wie in China: Mit der Doppelstrategie: erst in Hinkley mitmischen, dann in Bradwell einen chinesischen Reaktor bauen.  Der Plan, der mit dem EPR gerade gründlich scheitert,  soll mit Hualong-One aufgehen: mit dem Referenz-Reaktor im westlichen Industrieland will China auf Kundenfang in Europa, Lateinamerika, Afrika und Südasien gehen.

Bereits zu Camerons Amtszeit fragten Experten laut nach der militärischen und sicherheitstechnischen Sinnhaftigkeit, ausgerechnet einen chinesischen Staatskonzern  in das Herz der britischen Nuklear-Industrie vordringen zu lassen. Nach Camerons Abgang wurde die Gemengelage nicht einfacher. Hatte er sich womöglich noch ausgerechnet, aus dem Brexit-Referendum als gestärkter Europäer hervorzugehen und mit entsprechendem Rückenwind einen Durchmarsch bei der Abstimmung über die Milliarden-schwere Erneuerung der U-Boot-Flotte hinzulegen, kam mit der Abstimmung für den Brexit gleich alles ganz anders.

Theresa May sorgte prompt für eine neue Kerbe in der Hinkley-Zeitschiene: Stunden nachdem der Energieriese EdF, nach x-fachem Aufschub seine  finale Pro-Hinkley-Entscheidung bekannt gab, kündigte die neue britische Regierungschefin eine weitere Überprüfungsrunde an. Ihr Senior-Berater Nick Timothy warnte, China könne seine Position nutzen, um Schwachstellen in den Computersystemen zu installieren, und auf diese Weise die britische Energie-Produktion nach Belieben lahmzulegen. Wenig vertrauensbildend waren die zeitgleichen Schlagzeilen über einen CGN-Ingenieur, der wegen Nuklearspionage in den USA im Gefängnis saß. Die Süddeutsche Zeitung berichtete über Schmiergeldzahlungen, eine 17-seitige Anklageschrift und resümierte, dass der geplante Bau des AKW Hinkley Point C drauf und dran sei, “sich zu einem Agenten-Thriller zu entwickeln.“

Regierungsbeamte suchen nach Rückzugsmöglichkeiten aus Hinkley-Projekt

Ende August rieben sich die Leser des Independent die Augen, denn dieser titelte „AKW Hinkley Point: Regierungsbeamte prüfen Wege, wie sich Großbritannien aus dem Deal zurückziehen kann“. Ziemlich unverblümt sprachen „Regierungsquellen“ gegenüber der Zeitung über „Arbeitshypothesen von Leuten in der Regierung“, dass Beamte einen Weg suchen, nach einem „legalen Schlupfloch, einer Klausel“ für einen Rückzieher ohne größere Verluste und ohne Gesichtsverlust für die Regierung.

Am 15.09.2016 siegte die Gesichtspflege abermals über den gesunden Menschenverstand: Theresa May beugte sich dem Druck Chinas „das mit massiven diplomatischen Verwicklungen gedroht hatte – und mit dem Entzug von Investitionen in die marode britische Infrastruktur“, so Reinhard Uhrig, Hinkley-Point-Experte der österreichischen NGO Global 2000. Die aktuelle Regierung schiebe auf diese Weise Probleme mit Regresszahlungen an das Reaktorbau-Konsortium einfach in die Zukunft. So wahrt entlang der Zeitschiene jeder der Mitschuldigen sein eigenes Gesicht, während der Karren immer tiefer in den Dreck gezogen wird, bis sich die Atomlobby zu Tode gesiegt hat.

Der Weiße Elefant – ein Geschenk unter Feinden

Hinkley Point C wird im UK oft mit einem weißen Elefanten verglichen. Die Albinos sind sehr pflegeintensiv, durften aber nicht zur Arbeit eingesetzt werden, weil sie heilig sind. Somit waren sie eine hohe finanzielle Last für denjenigen, der ein solch feindschaftliches Geschenk bekam. Da es keine Möglichkeit gab, mit dem Tier einen Profit zu erwirtschaften, trieben die hohen Unterhaltskosten manchen Beschenkten in den Bankrott.

Eva Stegen ist Energiereferentin bei den Elektrizitätswerken Schönau. Im breiten Spektrum der Energiepolitik ist sie  – wie sie über sich selbst sagt, „hin und her gerissen zwischen Wut und Entsetzen, über brutale Durchsetzungsstrategien für lebensfeindliche Technologien einerseits und den unsäglich komischen Auswüchsen diverser Desinformations-Vorstöße derer,  die die  fossil-nukleare Energiegewinnung doch noch irgendwie als Goldesel für sich nutzbar machen möchten.“

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