CCU und CCS für Klimaziele neu denken

Aufruf von Forschung, Verbänden und NGOs: Deutschland braucht neue Debatte

Unter dem Schirm von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften haben sich Forscher und Umweltorganisationen zusammengefunden und fordern die Nutzung und Speicherung von Kohlendioxid aus Industrieprozessen, damit Deutschland seine Klimaziele noch erreicht-  so eine aktuelle Medienmitteilung.

Denn nach jüngsten Berechnungen aus dem BMUB droht Deutschland seine Klimaschutzziele weiter als bislang angenommen zu verfehlen (siehe solarify.eu/hendricks-raeumt-klimaversagen-der-regierung-ein). Die Speicherung und Nutzung von CO2 (CCS, CCU) aus Industrieprozessen kann jedoch einen Teil der Klimaschutzlücke schließen. In der anbrechenden Legislaturperiode sollte Deutschland CCS und CCU prüfen, damit die Technologien rechtzeitig einsatzbereit sind. Zu diesem Fazit kommt ein am 07.11.2017 veröffentlichter Aufruf aus einem Projekt von acatech von Forschungseinrichtungen, Stiftungen und Umweltorganisationen.

Kohle – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Deutschland hat sich dem Pariser Klimaschutzabkommen verpflichtet und will in einem nationalen Klimaschutzplan bis 2050 die Treibhausgase um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 senken. Jüngsten BMUB-Rechnungen zufolge ist die Lücke zwischen Zielen und tatsächlichen Fortschritten groß wie nie. Deshalb sollte Deutschland die Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2 aus Industrieprozessen – Carbon Capture and Storage (CCS), bzw. Carbon Capture and Usage (CCU) – in der neuen Legislaturperiode erforschen, prüfen und diskutieren. Nur dann stünden die Technologien früh genug zur Verfügung und könnten ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten.

„Deutschland will bis 2050 weitgehend treibhausgasneutral werden. Die aktuellen Entwicklungen zeichnen jedoch ein anderes Bild. Vieles spricht dafür, dass wir CO2 nicht nur vermeiden, sondern auch verwerten und im tiefen Untergrund speichern sollten. Hierüber brauchen wir eine neue, unvoreingenommene Debatte. Kohlendioxid zu lagern oder sogar von einem Abfall zu einem Rohstoff zu machen, könnte die CO22-Emissionen deutlich schneller sinken lassen. Für die neue Regierung gilt es daher, frühzeitig die Weichen zu stellen, um die Abscheidung, Nutzung und Speicherung von Kohlendioxid umfassend zu prüfen,“ sagt Hans-Joachim Kümpel, Leiter des acatech-Projekts zu technischen Wegen der Dekarbonisierung und ehemaliger Präsident der BGR.

Für die Verminderung unvermeidbarer CO2-Emissionen aus industriellen Prozessen sind die Speicherung und Lagerung des Treibhausgases wichtige Optionen. Erika Bellmann, Policy Advisor Climate & Energy bei WWF Deutschland: „Um das Klima zu schützen und die völkerrechtliche Verpflichtung aus dem Pariser Klimaschutzabkommen zu erfüllen, muss der CO22-Ausstoß überall stark sinken. CCS ist dazu keine Alternative. Aber es kann für Restmengen an Industrieemissionen, für die es noch keine andere Vermeidungsoption gibt, eine wichtige Rolle spielen.“

Die Vorlaufzeiten für die Speicherung und Nutzung von CO2 betragen mindestens zehn Jahre. Deshalb entscheidet sich in den kommenden vier Jahren, ob CCS und CCU ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten können. Christoph Wolff, Managing Director der European Climate Foundation, fasst zusammen:  „Eine Strategie für die Dekarbonisierung der Industrie zu entwickeln, gehört zu den wichtigsten und zugleich anspruchsvollsten klimapolitischen Herausforderungen für die nächste Legislaturperiode. Um die notwendigen Emissionsminderungen im Industriebereich hinzubekommen, werden wir alle technisch verfügbaren Optionen brauchen: Elektrifizierung genauso wie mehr Effizienz und Kreislaufwirtschaft, und CCU und CCS für die Restemissionen, die sich anders nicht vermeiden lassen. Aber vor allem müssen wir jetzt die Weichen stellen, damit die Industrie bei Innovationen und Investitionen rechtzeitig auf einen Minderungspfad in Richtung der 2030-Ziele einschwenken kann.“

Den von acatech koordinierten Aufruf haben folgende Wissenschaftseinrichtungen, Stiftungen und Umweltorganisationen unterzeichnet:

  • Bellona Foundation
  • Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe
  • DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V.
  • European Climate Foundation
  • Fraunhofer-Institut für Systemund Innovationsforschung ISI
  • Germanwatch
  • Helmholtz-Zentrum Potsdam Deutsches GeoForschungsZentrum
  • Institute for Advanced Sustainability Studies e.V.
  • Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) e. V.
  • WWF Deutschland
  • Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie

Der Aufruf entstand aus dem Akademie-Projekt „Technische Wege zur Treibhausgasneutralität (Dekarbonisierung) in der Industrie“. Ein Zwischenstand des Projekts und der Aufruf sind auf der acatech-Webseite verfügbar. Abschließende Empfehlungen erscheinen im Sommer 2018.

->Quellen: