Benziner mehr Feinstaub – Diesel mehr NOx

Studie in Scientific Reports

Während der Bund angeblich überlegt, ob Städte Stink-Diesel von bestimmten Straßen verbannen (der dann in bisher nicht betroffene Wohngebiete ausweichen wird) dürfen, während also kurz vor der Leipziger Urteilsverkündung mit ernster Miene ein veritabler Schildbürgerstreich angekündigt wird – hat den die Autoindustrie ersonnen? – kommt nun eine neue Studie des Inhalts heraus, dass beide, Benziner und Diesel, Dreck am Auspuff haben – nur verschiedener Provinienz und Qualität: Die einen (Benziner) zu viel Feinstaub – die anderen (Diesel) zu viel Stickoxide. Fazit: Beide gehören an den Pranger.

Wegen letzteren (NOx) haben die Autokonzerne schamlos und dreist betrogen, weigern sich bis heute stur, die Konsequenzen zu tragen und riskieren jetzt Fahrverbote, wenn sie nicht nachrüsten – dann aber werden kleine Handwerker in Probleme kommen, wenn sie nicht mehr in die Innenstädte dürfen, werden die Autos vieler Halter schlagartig entwertet („kalte Enteignung“ – so IG-Metall-Boss Hofmann). NOx liegen in vielen Städten an zu vielen Tagen noch weit über den Grenzwerten. Offenbar sind sie auch dann gesundheitsschädlich (Tagesthemen vom 21.02.2018) , wenn die Belastung noch weit unter den Grenzwerten liegt.

Titel Hintergrund ‚Blaue Plakette‘

Diesel nicht notwendigerweise umweltverschmutzender als Benziner

Die in Scientific Reports veröffentlichte neue Studie eines internationalen Wissenschaftler-Teams stellt fest, dass  Diesel heute weniger Emissionen abgeben als Benziner. Patrick Hayes von der Universität Montreal, der die Studie leitete, sagt: „Diesel hat ein schlechtes Image, weil man die Verschmutzung sieht, aber es ist in Wirklichkeit die unsichtbare Verschmutzung, die vom Benzin in Autos stammt und die schlimmer ist.“

Abstract aus Scientific Reports: „Kohlenstoffhaltiger Feinstaub (PM), bestehend aus schwarzem Kohlenstoff (BC), primärem organischem Aerosol (POA) und sekundärem organischem Aerosol (SOA), ist eine hochgiftige Fahrzeugabgaskomponente. Daher erfordert das Verständnis der Fahrzeugverschmutzung Kenntnisse sowohl über die Primäremissionen als auch darüber, wie diese Emissionen in der Atmosphäre altern. Wir bieten eine systematische Untersuchung der kohlenstoffhaltigen PM-Emissionen und die Parametrisierung der SOA-Bildung von modernen Diesel- und Benzinfahrzeugen bei unterschiedlichen Temperaturen (22 und -7 °C) in kontrollierten Laborexperimenten. Die kohlenstoffhaltige PM-Emission und SOA-Bildung ist bei Benzin deutlich höher als bei Dieselpartikelfiltern (DPF) und mit Katalysatoren ausgestatteten Diesel-Pkw, vor allem bei -7 °C, im Gegensatz zu NOx. Höhere SOA-Bildung von Benzin-Motoren und primäre Emissionsreduktionen für Diesel bedeuten, dass Benziner zunehmend den gesamten fahrzeugbedingten kohlenstoffhaltigen PM im Fahrzeug dominieren werden, obwohl ältere, nicht mit DPF ausgestattete Diesel noch einige Zeit den Primäranteil dominieren werden. Unterstützt durch die hochmoderne Quellenaufteilung von PM aus fossilen Brennstoffen, zeigen unsere Ergebnisse, dass die Frage, ob Benzin- oder Dieselautos umweltbelastender sind, von dem jeweiligen Schadstoff abhängt, d.h., dass Diesel nicht notwendigerweise stärkere Verschmutzer sind als Benziner.“

Hayes fordert, nicht nur die die alten Diesel zu verbannen, sondern auch den Blick stärker auf die Benziner zu richten: „Moderne Diesel unterliegen neuen Maßstäben und sind inzwischen sehr sauber, daher muss sich die Aufmerksamkeit nun auf die Regulierung der Benzinmotoren richten.“ Nach den Messungen der Wissenschaftler, die im Paul Scherrer Institut in der Nähe von Zürich durchgeführt wurden, geben Benziner bei 22 Grad Celsius 10mal mehr und bei minus 7 Grad Celsius sogar 62mal mehr Feinstaub und sekundäre organische Aerosole ab als Diesel – diese produzierten zwar im Sommer wegen der alten Dieselmotoren noch mehr Feinstaub produzieren, im Winter dürften aber schon Benzinfahrzeuge für den Großteil verantwortlich sein.

Wer in Umweltzonen deutscher Städte einfahren will, braucht eine grüne Plakette, die geringen Ausstoß des schädlichen Feinstaubs anzeigt. Hunderttausende Diesel wurden seit Einführung der Zonen 2007 mit Partikelfiltern nachgerüstet, bzw. eingemottet. Seitdem sind die Feinstaub-Werte massiv zurückgegangen. 2016 wurde der offizielle Grenzwert nur noch an einer der 374 Messstationen überschritten, dem Neckartor in Stuttgart. Was die Stadtluft angeht, ist die Umweltzone eine Erfolgsgeschichte. Wollte man NOx-Umweltzonen einführen, müssten alle Diesel unterhalb der Euro-6-Norm – knapp 10 von 15 Millionen – stillgelegt oder aufwändig nachgerüstet werden. Das sind aber auch 10 Millionen Wählerstimmen. (Nach: sueddeutsche.de/fahrverbote)

Die Studienergebnisse dürften jedoch keineswegs in eine Heiligsprechung neuer Diesel umgemünzt werden, so Hayes; den Wissenschaftlern kommt es vielmehr darauf an, welche Emissionen berücksichtigt werden. So emittieren neuere Dieselmotoren zwar weniger Feinstaub, aber immer noch deutlich mehr NOx als Benziner. Man kann also zwischen Motoren mit weniger Feinstaub- und SOA-Emissionen oder solchen mit weniger NOx wählen. Beides ist gesundheitsschädlich, was die Entscheidung nicht erleichtert. Eine Alternative: Gesetzliche Maßnahmen zur Reduzierung der klimaschädlichen Eigenschaften von Verbrennungsmotoren (kein Verbot!), elektrische Autos (wo kommt da der Strom her? Wie umweltbelastend ist die Batterieproduktion?) oder aber synthetische Kraftstoffe, auch Designer Fuels genannt (siehe solarify.eu/alternative-kraftstoffe-synthetische-treibstoffe-desinger-fuels-e-fuels).