„Sonnenschein in Schiffe füllen“

Robert Schlögls Impuls: „Sonnenschein in Schiffe füllen“

Robert Schlögl, Gründungsdirektor des Mülheimer Max-Planck-Instituts für Chemische Energiekonversion (CEC), begann seinen Impuls für die darauf folgende Podiumsdiskussion klassisch – mit einer Begriffsklärung:  Das Wort Energieerzeugung sei „problematisch, alle Energie ist beim Urknall erzeugt worden, wir wandeln sie nur um“. Eine weitere folgte auf dem Fuß (auch wenn manch einer glaube, die Energiewende sei schon gelaufen): „Die Energiewende ist eine Veränderung hin zu einem Energie-System das nachhaltig ist“.

Problem dabei sei zunächst, dass CO2 nichts koste. Auch die Sonnenenergie sei gratis, nur die Produktion von Wandlern oder Speichern kosteten noch Geld. Es sei also eigentlich genug Energie für alle da, nur fehle es an der Verteilungsgerechtigkeit, das müssten wir lösen: „Und das tun wir, indem wir Erneuerbare Energien speicherbar und transportierbar machen.“ Mit anderen Worten: „Wir müssen Sonnenschein in Schiffe füllen.“ Natürlich seien wir sehr verwöhnt und sähen nicht gleich ein, warum wir etwas ändern sollten – Energie war ja „immer da…!“

Dennoch wir müssten eine Wende zur Nachhaltigkeit vollziehen. Dazu gehöre ganz wesentlich, dass wir die Stoffkreisläufe schlössen. Es gehe nicht darum, Kohlenstoff zu entfernen, oder ganz viel CO2 einzusparen, sondern die Kreisläufe zu schließen (nicht nur beim Kohlenstoff). Wie? Die Natur mache es uns vor, allerdings in viel größerem Maßstab und nicht direkt für uns kopierbar. „Daran arbeiten wir auch im CEC.“ Und auch daran, wie das neue nachhaltige Energiesystem für alle verfügbar gemacht werden könne, es müsse nämlich auch bezahlbar und von allen gewollt sein, sonst werde es nicht funktionieren.

Daran fehle es allerdings noch weit: „Was fehlt, ist, die vielen einzelnen Erfolge zu einem großen Ganzen zusammen zu fügen, national und weltweit.“ Energie- und CO2 einzusparen sei beim Strom zwar am effektivsten, doch Strom sei nicht die ganze Energiewende: „Die Sektorenkopplung ist zwar im Koalitionsvertrag, nicht aber in der Politik selbst angekommen. Mir graust davor, dass jetzt ein Klimaschutzgesetz Einsparungen in einzelnen Sektoren verordnen soll. So wird das nicht laufen. Wenn es nicht ganzheitlich geschieht, wird es nicht funktionieren.“

Auf dem Podium: Fritz Rettberg, Anika Füger, Robert Schlögl, Sven Plöger, Mark Oelmann, Ulrich Scholten – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

„Eine Wende ist eine Wende und nicht einfach ein Weiter-so!“

Im Rahmen der Podiumsdiskussion nannte Sven Plöger die Mülheimer Initiative deshalb wichtig, weil sie zum Handeln motiviere: „Ich sehe den eigenen Erfolg nicht; wenn ich etwas Klimaschützendes unternehme, sehe ich keinen Effekt oder den gleichen, wie mein Nachbar, der möglicherweise ein schlimmer Klimasünder ist; anders beim Schreiner – der macht einen Stuhl und hat ihn dann vor sich, den Erfolg seines Tuns. Daher sind solche Initiativen wie hier so  wichtig.“

Anika Füger von der Mülheimer Initiative für Klimaschutz hatte zuvor die mögliche Clusterung der Initiativen-Arbeit vorgestellt und sechs Themenfelder benannt:

  1. Verkehr und Mobilität
  2. Energie
  3. Kommunales Handeln
  4. Alltagspraxis und Bildung
  5. Stadtklima und Wohnen
  6. Wirtschaft.

Die Workshops zu den einzelnen Bereichen begännen im Juni-Juli und seien offen für alle. Darin wolle man beginnen, „gemeinsam für alle zu überlegen, wie man für die Zukunft ein gutes Leben organisiert.“ Plöger ergänzte mit einem Hinweis auf die Frage der Motivation; man müsse auch die Schulen einbeziehen.

Ulrich Scholten (Foto re.) will diejenigen Mitbürger für die Initiative gewinnen, die normalerweise nicht tagtäglich mit dem Thema zu tun haben – er will „konkret werden anstelle von Hochglanzbroschüren“. Er sagte: „Die Hohe Schule ist es, Einstellungen zu verändern.“

Schlögl, Plöger, Oelmann, Scholten bei Mülheimer Klimainitiative – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Prof. Mark Oelmann (HRW, Foto: 2.v.re.) sieht die größten Potenziale bei Wärmeerzeugung und -dämmung sowie beim Verkehr. „Die Klimadebatte ist zu sehr von der Stromerzeugung bestimmt, 50 Prozent unserer Energie nutzen wir zum Heizen.“ Er möchte die deutsche Energiewende zum internationalen Beispiel machen, „auch wenn gegenwärtig die Zweifel daran gewachsen sind. Das Wissen über die Zusammenhänge steigt zwar, aber wir (die Hochschulen) haben auch eine Verpflichtung (wie etwa die HRW mit ihrer Kinder-Uni) – der Weg ist weit“.

Auf eine Publikumsfrage hin rückte Robert Schlögl eines gerade: „An technischen Fragen wird es wird es nicht liegen, die kriegen wir hin – die Energiewende ist ein Kopf- und ein Bauchproblem; wie aus der Trägheit herauskommen? Wir müssen ernsthaft begreifen, dass sich etwas in der Gesellschaft – und mit uns – bewegen muss: Eine Wende ist eine Wende und nicht einfach ein Weiter-so!“

Plöger beantwortete daraufhin die selbst gestellte Frage nach der Motivation: „Wie mache ich ein Thema spannend?“ Er habe eben vor der Stadthalle lange an einer roten Fußgängerampel gewartet – alle seien rot gewesen: Vielleicht könne man die Synchronisation der Fußgängerampeln verbessern, ein Fußgänger schaffe „mehr als drei Kilometer in der Stunde“.  Er schien einen Nerv getroffen zu haben – jedenfalls reagierte das Publikum mit starkem Beifall – WAZ-Reporter Dennis Vollmer notierte in seinen Block: „Mülheimer nervt die Schaltung schon seit Jahren, OB Scholten: ‚Ich nehme das auf.’“ Aber Plöger ging weiter, nicht nur Radwege, er lobte zwar den Ruhr-Radweg; doch auch der ÖPNV sei noch zu verbessern – „und wie wäre es, wenn er gratis wäre“?

Schlögl und Plöger waren sich auf eine Frage aus dem Publikum hin darin einig, dass CO2-Einsparungsmaßnahmen ca. 50-70 Jahre brauchten, bis sie Wirkung zeitigten. Schließlich behandelte Schlögl noch kurz die Frage eines Gastes, wie denn der Nachhaltigkeitsnutzen der E-Mobilität einzuschätzen sei: Zunächst bringe sie nichts; gegenwärtig habe die Verbrennung von Benzin bessere Werte als der Gesamtfußabdruck eines E-Autos, das ändere sich erst, wenn der Mix nicht mehr mehrheitlich aus Kohlekraftwerken komme – aber selbst dann: „Derzeit gibt es eine harte Diskussion in der Wissenschaft mit erheblichen Schwankungen in der Literatur; ein Beispiel  ist die Ressourcenfrage: Es braucht eine erhebliche Menge an Rohstoffen, vor allem für die Batterien. Für 100 Mio E-Autos wäre das noch möglich – aber für zwei Milliarden, wie sie derzeit auf der Erde herumfahren, wäre das ein Problem – und jede Sekunde werden es zwei mehr.“ Schließlich widersprach Schlögl der oft gehörten Forderung, den Verbrennungsmotor abzuschaffen: Die beste Lösung, die er derzeit sehe, seien Hybride mit normaler Batterie samt Elektromotor, gespeist von einem Verbrenner mit synthetischen Kraftstoffen. Die gebe es bereits, im Rahmen des Internationalen Wiener Motorensymposiums in der Hofburg könne man sogar mit ihnen fahren. Warum die nicht produziert würden? „Da müssen Sie die Autohersteller fragen, und die Politiker – das ist ein politisches, gesellschaftliches und unternehmerisches Problem.“

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