Ausbau erneuerbarer Energien sehr unterschiedlich

Im Wortlaut: Deutscher Bundestag- Drucksache 19/8881 19. Wahlperiode 02.04.2019

Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten

Dr. Julia Verlinden, Oliver Krischer, Dr. Ingrid Nestle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/8457 – Bewertung des Ausbaus von Solar- und Windenergie im Jahr 2018

V o r b e m e r k u n g   d e r   F r a g e s t e l l e r

Die Bundesregierung hat sich das Ziel gegeben, bis 2030 einen Anteil von 65 Prozent Erneuerbare Energien (EE) an der Stromversorgung zu erreichen. Im Jahr 2018 lag der EE-Anteil an der Stromerzeugung bei rund 35 Prozent – [siehe: AG Energiebilanzen (2018): Stromerzeugung nach Energieträgern 1990 – 2018 (Stand Dezember 2018) https://ag-energiebilanzen.de/index.php?article_id=29 &fileName=20181214_brd_stromerzeugung1990-2018.pdf], zur Zielerreichung ist dementsprechend in den nächsten Jahren ein dynamischer, stetiger Ausbau der Erneuerbaren Energien unumgänglich. Auch die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ hat das EE-Ziel von 65 Prozent jüngst in ihrem Abschlussbericht bestätigt und damit verdeutlicht, dass auch der geplante Ausstieg aus der Kohle für Deutschland eng mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien verknüpft ist. So besteht nach Auffassung der Fragesteller die Gefahr, dass das Verfehlen des – ohnehin nicht mit den Klimazielen von Paris konforme – Ausbauziels für die Erneuerbaren einen frühen Kohleausstieg erschweren könnte.

Das nach Ansicht der Fragesteller zu beobachtende Ausbremsen des Erneuerbarenausbaus durch unsichere und unzureichende Ausschreibungsregelungen oder die Aufrechterhaltung einer Deckelung der Solarenergie konterkariert das proklamierte EE-Ziel der Bundesregierung. Im vergangenen Jahr wurden von angestrebten 2.710 MW in Ausschreibungen für Windenergie an Land nur 2.343 MW vergeben. Auch der Ausbau installierter Leistung reduzierte sich um mehr als die Hälfte im Vergleich zum Vorjahr 2017. (vgl. Deutsche Windguard (2019): Stand des Windenergieausbaus an Land in Deutschland, Jahr 2018).

Die pro Jahr installierte Leistung von Solaranlagen stieg zwar um 68 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, bleibt jedoch insgesamt weiterhin unter den klimapolitisch notwendigen Ausbauzahlen (https://www.solarwirtschaft.de/presse/pressemeldungen/pressemeldungen-im-detail/news/photovoltaikmarkt-in-deutschland-waechst-2018-um-68-prozent.html).Mit einer insgesamt installieren Leistung von rund 45 GW Ende 2018 droht bei einem wünschenswerten schnellen Ausbau zudem bald ein Erreichen des 52-GW Deckel und ein Einbruch des Solarausbaus.

Die Bundesregierung muss deshalb aus Sicht der Fragesteller Stellung nehmen, wie sie einen klimapolitisch notwendigen Ausbau von Erneuerbaren Energien realisieren will.

  1. Sind der Bundesregierung die Installationszahlen von Windenergie an Land und von Solarenergie für das Jahr 2018 bekannt und wenn ja, wie gestaltet sich diese ausdifferenziert nach Bundesländern (bitte tabellarisch auflisten) und wie bewertet sie diese?Der Bruttozubau bei Wind an Land betrug im Jahr 2018 rund 2,5 GW. Bei Photovoltaik belief er sich auf rund 2,9 GW. Nach vorläufigen Angaben auf Basis des Anlagenregisters teilt sich dieser Zubau wie folgt auf die Länder auf:

    Ausschreibungsergebnisse und Zubau Wind-Onshore und PV laut Bundesregierung

  2. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass es im Jahr 2018 lediglich einen Bruttozubau von 2 402 MW Windenergie an Land gab und damit der Ausbaukorridor des Erneuerbaren-Energie Gesetzes von 2 800 MW deutlich verfehlt wurde?Nach den hohen Zubauraten in den Jahren 2017 mit 5,4 GW und 2016 mit 4,4 GW (jeweils brutto) lag der Zubau gemäß Anlagenregister im Jahr 2018 bei knapp 2,5 GW (brutto). Damit lag der Zubau im vergangenen Jahr unterhalb des Ausbaupfads des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2017 von 2,8 GW brutto. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verweisen.
  3. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um den Neubau von Windenergieanlagen an Land in den kommenden Jahren auf den für die Erreichung des 65-Prozent-Ziels erforderlichen Pfad zu erhöhen?Der Gesetzgeber hat sich Ende letzten Jahres mit dem Energiesammelgesetz entschieden, Sonderausschreibungen für Windenergieanlagen an Land in den Jahren 2019 bis 2021 durchzuführen. Demnach werden für Wind an Land folgende zusätzliche Mengen ausgeschrieben: Im Jahr 2019 1.000 MW, im Jahr 2020 1.400 MW und im Jahr 2021 1.600 MW. Derzeit beraten die Regierungsfraktionen im Rahmen der Arbeitsgruppe Akzeptanz im Deutschen Bundestag Maßnahmen zur Umsetzung des im Koalitionsvertrag vereinbarten Ausbauziels von 65 Prozent erneuerbare Energien im Stromsektor bis 2030.
  4. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass der Solarausbau mit 2.960 MW Zubau im Jahr 2018 erstmals über dem Ausbaukorridor lag, nachdem der Ausbau in den vorhergehenden Jahren unterhalb des Ausbauziels lag?Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Damit wurde das im EEG genannte Ausbauziel von 2.500 MW übertroffen, welches in den Jahren zuvor nicht erreicht wurde.
  5. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um den Neubau von Solarenergieanlagen in den kommenden Jahren auf den für die Erreichung des 65- Prozent-Ziels erforderlichen Pfad zu erhöhen?Mit dem Energiesammelgesetz hat sich der Gesetzgeber entschieden, Sonderausschreibungen in den Jahren 2019 bis 2021 durchzuführen. In der Folge werden für Photovoltaik folgende zusätzliche Mengen ausgeschrieben: Im Jahr 2019 1.000 MW, im Jahr 2020 1.400 MW und im Jahr 2021 1.600 MW. Außerhalb der Ausschreibungen ist darüber hinaus der Zubau von Photovoltaik-Dachanlagen mit einer Leistung kleiner als 750 kW möglich. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen.
  6. Wann erwartet die Bundesregierung das Erreichen des 52-GW Förderungsdeckels bei der Solarenergie und welche Wirkung für die Entwicklung des Photovoltaik (PV)-Ausbaus erwartet sie durch die Annäherung an die Obergrenze?Bei einem jährlichen Zubau in Höhe des Zielwertes von 2 500 MW wird der Deckel voraussichtlich im Laufe des Jahres 2021 erreicht werden.
  7. Hält die Bundesregierung weiterhin am Deckel für die Solarenergie fest, wenn nein, wann will sie die gesetzliche Änderung herbeiführen, wenn ja, bitte begründen warum?Im Rahmen der Arbeitsgruppe Akzeptanz werden derzeit im Deutschen Bundestag verschiedene Maßnahmen beraten. Dabei wird auch der 52-GW-Photovoltaik- Deckel ein wichtiges Thema sein.
  8. Rechnet die Bundesregierung mit einem weitestgehenden Erliegen des PV-Ausbaus nach Erreichung des Deckels (bitte begründen) und welche Schritte will sie dann für den weiteren PV-Ausbau unternehmen?Es wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen.
  9. Welches Zwischenfazit zieht die Bundesregierung aus den Ergebnissen der technologieoffenen Ausschreibungen in 2018, bei denen praktisch ausschließlich Solarenergie zum Zuschlag kam (vgl. Bundesnetzagentur (2019): Statistiken zum gemeinsamen Ausschreibungsverfahren von Windenergie an Land- und Solaranlagen nach der GemAV?Die Ergebnisse bestätigen einerseits die Wettbewerbsfähigkeit von Photovoltaik- Freiflächenanlagen aufgrund ihrer stark gesunkenen Stromgestehungskosten. Andererseits wird die Herausforderung deutlich, mit dem Instrument der gemeinsamen bzw. technologieneutralen Ausschreibungen einen ausgewogenen Erzeugungsmix unterschiedlicher erneuerbarer Erzeugungstechnologien zu gewährleisten, wenn die Stromgestehungskosten der gemeinsam ausgeschriebenen Technologien nicht auf Augenhöhe liegen. Die Bundesregierung hat sich gegenüber der Europäischen Kommission dazu verpflichtet, das Instrument der technologiespezifischen und auch der technologieneutralen Ausschreibungen unabhängig evaluieren zu lassen und wird hieraus entsprechende Schlussfolgerungen ziehen.
  10. Teilt die Bundesregierung die Ansicht der Fragestellenden, dass ein kontinuierlich niedriger Ausbau der Windenergie an Land, wie er 2018 zu beobachten war, die Erreichung der Ausbauziele der Bundesregierung und der Pariser Klimaziele gefährdet und wenn ja, welche Konsequenzen zieht sie daraus?In den Jahren 2014 bis 2017 lag der Ausbau von Windenergie an Land weit über dem angestrebten Ausbaupfad von 2,5 GW pro Jahr. Im vergangenen Jahr lag der Ausbau unterhalb des EEG-Ziels. Trotz eines in dieser Zeit erfolgten, verstärkten Photovoltaik-Ausbaus gilt es – nicht zuletzt auch aus Gründen der Kosteneffizienz und der Systemintegration eines ausgewogenen Erzeugungsmixes – den Ausbau bei Wind an Land wieder zu erhöhen, um die Ziele zu erreichen.
  11. Welche jährlichen Ausbaumengen prognostiziert die Bundesregierung für Erneuerbare Energie bis 2030, bei einer angestrebten Erreichung des 65 Prozent Zieles?Mit Blick auf die künftigen jährlichen Ausbaumengen erneuerbarer Energien zur Erreichung des 65-Prozent-Ziels im Jahr 2030 wird auf die Beratungen der Regierungsfraktionen zur Umsetzung des im Koalitionsvertrag vereinbarten Ausbauziels von 65 Prozent erneuerbare Energien im Stromsektor bis 2030 verwiesen.
  12. Hält die Bundesregierung das EE-Ziel von 65 Prozent für konform mit den über die bisherigen deutschen Klimaschutzziele hinausgehenden Vereinbarungen des Pariser Klimaabkommens?Wenn ja, welche Berechnung liegt dieser Einschätzung zugrunde, wenn nein, was wäre aus Sicht der Bundesregierung ein Paris-konformes Erneuerbarenziel in 2030? Die Bundesregierung bekennt sich zu den national, europäisch und im Rahmen des Pariser Klimaschutzabkommens vereinbarten Klimazielen 2020, 2030 und 2050 für alle Sektoren. Um das nationale Ziel zu erreichen, die Treibhausgas- Emissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken, strebt 5 die Bundesregierung im Lichte der Herausforderungen einer besseren Synchronisierung von erneuerbaren Energien und Netzkapazitäten einen Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch von etwa 65 Prozent im Jahr 2030 an. Mit dieser Zielvorgabe steigt der EE-Anteil von etwa 38 Prozent im Jahr 2018 deutlich um 27 Prozentpunkte binnen 12 Jahren. Zur langfristigen Erreichung der Klimaziele im Jahr 2050 stellt das Mittelfristziel „65 Prozent bis 2030“ eine sinnvolle Zwischenmarke dar.

Plant die Bundesregierung den im Koalitionsvertrag vereinbarten sowie im Entwurf des Energiesammelgesetzes festgeschriebenen Sonderbeitrag für Offshore Windkraftanlagen zeitnah umzusetzen und wenn nein, warum nicht?

Es wird auf die derzeit laufenden Beratungen bei den Regierungsfraktionen zur Umsetzung des im Koalitionsvertrag vereinbarten Ausbauziels von 65 Prozent erneuerbare Energien im Stromsektor bis 2030 verwiesen, in deren Rahmen auch über die Höhe des Beitrags der Offshore-Windenergie diskutiert wird.

->Quellen:

  • Bundestag.de/hib
  • dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/084/1908457.pdf
  • dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/088/1908881.pdf