Energiewende International: Europäische Perspektiven

Energie-Union (2014)

Die Europäische Energieunion, eine der zehn Prioritäten der EU, soll für sichere, bezahlbare und klimafreundliche Energie in Europa sorgen: „Energie klüger zu nutzen und den Klimawandel zu bekämpfen ist nicht nur eine Investition in die Zukunft, sondern schafft auch Arbeitsplätze und Wachstum“ (EU-Text). Juncker richtete 2014 einen eigenen Kommissionsvizepräsidenten für die Energie-Union ein. Die Europäische Kommission hat am 25.02.2015 ein Paket zur Energieunion präsentiert. Es umfasst zuerst eine Rahmenstrategie für eine krisenfeste Energieunion mit einer zukunftsorientierten Klimaschutzstrategie. Die Kommission definiert hier ihre Vision und Prioritätensetzung für die Energiepolitik der kommenden Jahre und spricht fünf eng miteinander vernetzten Dimensionen an:

  1. Energiesicherheit, Solidarität und Vertrauen;
  2. ein vollständig integrierter Energiebinnenmarkt;
  3. Energieeffizienz als Beitrag zur Senkung der Energienachfrage;
  4. Dekarbonisierung der Wirtschaft;
  5. Forschung, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit.

Bradshaw zitierte EU-Präsident Juncker: Die Energie-Union bedeute „die Bündelung von Ressourcen, Verbindung von Netzwerken und mit vereinten Kräften mit Nicht-EU-Ländern zu verhandeln“, aber auch „die Diversifizierung unserer Energiequellen “ und „die EU weltweit zur Nummer eins im Bereich der erneuerbaren Energien zu machen, sowie den Kampf auch gegen die globale Erwärmung anzuführen“.

In einem fünfzehn Punkte umfassenden Aktionsplan benennt die Kommission viele konkrete politische und legislativen Vorhaben, die bis 2020 realisiert werden sollen. Ihre Umsetzung sei die Voraussetzung zur Realisierung der Energieunion. Die Mehrzahl der Vorhaben sind aber bereits laufende bzw. anstehende Initiativen. Doch setzt die Kommission in ihrem Strategiepapier auch einige neue Schwerpunkte.

Fünfzehn-Punkte-Aktionsplan

  1. Volle Umsetzung und Durchsetzung des bestehenden Rechtsrahmens;
  2. Maßnahmen zur Sicherheit und Diversifizierung der Gasversorgung, u.a. Revision der Gasversorgungssicherheits- Verordnung und eine Strategie für LNG und Speicher (2015/2016);
  3. Revision des Mechanismus zum Informationsaustausch über zwischenstaatliche Energie abkommen;
  4. Ausbau der Energieinfrastruktur, vor allem Umsetzung bestehender Programme wie zum Beispiel TEN -E, Connecting Europe, Investitionsoffensive;
  5. Legislativvorschlag zum Strommarktdesign und Überarbeitung der Strom – Versorgungssicherheits-Richtlinie (2 015/2016);
  6. Weiterentwicklung des EU -Regulierungsrahmens, u.a. mit Blick auf die Rolle von ACER und ENTSOE/G;
  7. Entwicklung von Leitlinien für regionale Kooperation als Schritt zur weiteren Marktintegration;
  8. Stärkung der Transparenz bei Energiepreisen und -kosten sowie Subventionen mit fortlaufendem Fortschrittsbericht alle zwei Jahre;
  9. Überprüfung der relevanten Energieeffizienz-Gesetzgebung mit Blick auf das EU-Energieeffizienzziel von 27 Prozent bis 2030;
  10. Gebäudeenergieeffizienz, u.a. Entwicklung einer Initiative „Smart financing for smart buildings“ sowie einer „Wärme- und Kältestrategie“ (2015);
  11. Steigerung der Energieeffizienz und Dekarbonisierung im Verkehr, u.a. Vorschlag eines Straßenverkehrspakets;
  12. Vorlage von legislativen Maßnahmen zur Erreichung des 40 -Prozent -THG-Reduktionsziels bis 2030 im ETS- und Nicht-ET -Bereich (2015);
  13. Paket zu Erneuerbaren Energien, u.a. mit Blick auf EU-Ziel von 27 Prozent bis 2030 sowie einer nachhaltigen Biomasse- und Biokraftstoffpolitik;
  14. Entwicklung einer zukunftsgerichteten Strategie für Forschung und Innovation, u.a. Vorlage eines aktualisierten SET-Plans im Jahr 2016;
  15. Wiederbelebung der Energie- und Klimadiplomatie und Stärkung der EU-Energieaußenpolitik. (Nach: wko.at/Energieunion.pdf)

Nationale Anteile von Brennstoffen am Bruttoinlandsenergieverbrauch 2014 (in Prozent, nach eurostat)

  Kohle
Öl
Gas
Atom
EE
Andere
EU28 17 34 21 14 13 1
D 25 34 20 8 11 1
DK 14 39 17 0 26 3
F 4 30 13 44 8 1
PL 52 24 14 0 9 1

(Spitzenplätze für Polen in der Kohle, für Frankreich bei Atom und für Dänemark bei Erneuerbaren Energien)

Vergleich der Umsetzung von drei Zielvorgaben EU/D 

EU28 Deutschland
Ziel 2020 IST (2014) Ziel 2020 IST (2015)
THG-Emissionen – 20% – 23% – 40% – 27%
% EE am Brutto-Endenergieverbrauch      20%    16%    18%   14%
Primärenergie-Verbrauch  

– 20%**

– 11%*

– 15,7%**

– 20%*

 

– 6%*

 

*Rückgang des Primärenergieverbrauchs bezogen auf 2008
**nach Energieeffizienz-Indikator von eurostat

Die COP21-Vereinbarung in Paris

Hauptergebnis des COP21-Vertrags ist für Bradshaw, dass die Energiewende seit spätestens Dezember 2015 ein globales Projekt sei. Der Vertrag sieht vor, die globale Erwärmung bis zum Jahrhundertende auf deutlich unter 2° C, möglichst 1,5° C,  zu begrenzen. 196 Staaten haben vor und während der Konferenz ihre verbindlichen Klimaschutz-Zusagen (INDCs) zur Reduktion der Treibhausgas-Emissionen bis 2030 bekannt gegeben. Die Hochrechnung aller INDCs ergebe „vermutlich eine Erwärmung von 2,7° C bis 2100“. Allerdings sei das natürlich immer noch besser als „business as usual“ – bei einem „Weiter so“ kämen 3,6° C Erwärmung heraus, mit katastrophalen Konsequenzen.

Der Think-Tank Climate Analytics bezeichne die „Mindestens 40%“-Verpflichtung der EU als „medium“ (zwischen „sufficient“ und „inadequate“). Die Deutsche (Selbst)-Verpflichtung betrage immerhin 55% bis 2030.

Zum Schluss machte sich Bradshaw Gedanken über die offenen Fragen im Spannungsfeld zwischen deutscher und europäischer Energiepolitik, die er in einige Fragen goss:

  • Ist Deutschland eigentlich noch Musterknabe bei der Energiewende?
  • Werden die EU-Klimaziele als verbindliche Gemeinschaftsaufgabe Europas der Mitgliedsstaaten  angesehen?
  • Warum ist die wichtige Rolle der EU in der Energie- und Klimapolitik weitgehend unbekannt?
  • Könnten künftig neue Kompetenzen in der Energiepolitik für die EU (als Folge von Lissabon) für mehr Konfliktstoff sorgen?
  • Inwieweit sind die EU-Mitgliedsländer zu  gemeinsamen technischen Entscheidungen z.B. in Bezug auf Speicherung und Elektromobilität, bei Wärme/Kühlung und Biomasse in der Lage?
  • Inwieweit wird die unterschiedliche  Kernenergiepolitik der Mitgliedsstaaten zum Problem?
  • Die deutsche Energiewende wird von einer Vielzahl von Think-Tanks, Monitoring-Gruppen, Akademie-Komitees, Forschungsgruppen und Lehrstühlen auf das engste begleitet! Bradshaw fragte rhetorisch: Kann uns dies zuversichtlich stimmen? Die Kritik konnte man heraushören.

Folgt: Carsten Rolle: „Energiewende – Blaupause und Motor für europäische Kooperation?“