Drei Jahre mit einem E-Auto

Elektromobilität in Deutschland – Erfahrungsbericht und Blick in die Zukunft
von Karl-Heinz Remmers – Neue Energiewelt

Seit sehr langer Zeit wollten wir in der Familie ein Elektromobil. Aber nicht um jeden Preis, und so haben wir keine Rollerfahrzeuge mit Tretunterstützung gekauft oder uns auf andere Experimente eingelassen. Daher hieß es warten und schauen, was sich so entwickelt. Wir haben die Hybriden von Toyota und Honda getestet, ebenso den iMIEV von Mitsubishi, und sind dennoch weiter beim Diesel geblieben. Bis wir unseren BMW i3 fanden.

Zuerst hatten wir die Qual der Wahl, dann meisterten wir unsere größte Herausforderung. Wir sind glücklich mit dem fast geräuschlosen Fahren und noch glücklicher mit unserem Verbrauch von umgerechnet 0,8 Liter/100 km. Die Reichweitendiskussion halten wir ebenso für falsch wie das Zögern der Hersteller bei der Digitalisierung. Wir lieben die Visionen für den Straßenverkehr der Zukunft und die Gedanken daran, was politisch alles erreicht werden könnte, wenn es nur gewollt wäre.

E-Postauto – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Die Qual der Wahl

Vor gut drei Jahren war die Palette der sinnvoll nutzbaren rein elektrischen Autos oder der elektrischen Fahrzeuge mit Batterienachlader deutlich angewachsen. Tesla-sei-Dank haben sich endlich viele Autobauer mehr Gedanken gemacht. Der Tesla S kam für uns nicht in Frage – unser Fahrzeug wird hauptsächlich im Großraum Berlin genutzt, wo im Kampf um den letzten Parkplatz jeder Zentimeter Fahrzeuglänge zählt. Auch ist der Tesla S bei all seiner Brillanz (ein verdammt gutes Elektroauto) eben ein Auto auf dem Kostenniveau von BMW7 oder Mercedes S Klasse. Alles keine Fahrzeuge, die wir uns leisten würden und schon gar nicht in einer Zeit, in der unsere geschäftliche Heimat, die Solarbranche, in Deutschland brutal eingebrochen ist. Firmen verkleinern müssen und Autos für 85.000 Euro kaufen oder leasen, das passt in unseren Augen nicht zusammen.

Also fiel die Entscheidung zugunsten des BMW i3, denn dieses Auto ist ähnlich wie der Tesla in seiner Klasse eines der Wenigen, das wirklich für die elektrischen Antriebe entwickelt wurde und gleichzeitig ein Technologieträger ist. Auch hat uns gut gefallen, dass BMW mit der Produktionsstätte in Leipzig und den weiteren Produktideen der Firma Solarwatt zusammen mit seiner Eigentümerfamilie Quandt als traditioneller Hersteller viel Geld in das Neue investiert. Bei allen Schwierigkeiten und vielleicht auch Unmöglichkeiten, die das in einem alteingesessenen Konzern bedeutet. Wie groß die Aufgabe ist, alte Strukturen anzupassen, zeigt gerade auch BMW in seinem bisher eher bescheidenen Vermögen, auch nur annähernd mit der Software und dem zugehörigem Portal von Tesla mitzuhalten.

Der i3 ist jedoch das erste Auto, das wir mit Leidenschaft erworben haben, und zwar familienübergreifend. Denn das Auto macht so viel Sinn: von der Lärmminderung über das schlichte Fehlen eines Auspuffs bis hin zu den Möglichkeiten der Nutzung und Speicherung von Solarenergie – alles Dinge, die mit Benzin oder Diesel unmöglich sind, von der Fahrdynamik mal ganz abgesehen. „Das Auto stinkt nicht“ und „es macht ja kein Geräusch“ – diese Zitate haben wir nun sehr oft gehört, gerade auch von Kindern und lärmgeplagten Großstädtern.

Was kann man von einem Elektroauto erwarten?

Es verwundert mich, dass bei den Diskussionen um Elektroautos oft sehr schnell so getan wird, als müssten E-Autos alles und alle Einsatzzwecke bedienen können. Das tut das Gros der Autos aber nicht, denn warum sonst gibt es all die verschiedenen Fahrzeugklassen, je nach Wünschen, Nutzung oder auch Geldbeutel? Und so muss man, wie beim Diesel oder Benziner auch, bei der Auswahl und Betrachtung der Elektrofahrzeuge zuerst überlegen, wofür das Auto gut sein soll. Ein wendiges, kleines Großraumauto? Ein schicker Flitzer? In der Regel kommt bei den Gesprächen zu den E-Autos schnell die Frage nach der Reichweite, die mit der Nutzung des Fahrzeuges ja eng verknüpft ist. Und die Frage: „Wo kann man das Auto denn laden?“ Wir haben manch verblüfftem Frager erklären können, dass wir das Auto nur einmal in der Woche an einer normalen Steckdose aufladen, und dass 100 km Reichweite z. B. in Berlin eine verdammt lange Strecke bedeuten.

Ein Fakt, worüber man sich bei einem normalen Auto keine Gedanken macht, beim Elektroauto ist diese Dimension aber sehr interessant: Pendler aus dem Umland stellen schnell fest, dass sie mit den derzeitigen „kleinen“ Elektroautos locker hin- und zurück kommenund wohl kaum einen Tesla S mit mehreren hundert km Reichweite für ihre täglichen Zwecke brauchen. Unternehmen, die einen klaren Lieferverkehr haben, erkennen ebenfalls, dass sie bereits heute etwa mit den ziemlich preisgünstigen Lieferfahrzeugen von Nissan arbeiten können. Die Deutsche Post hat gleich angefangen, selbst solche Fahrzeuge herzustellen. Aber beiden Gruppen ist klar, dass diese Fahrzeuge (noch) nicht für Fahrten zu einer Baumontage in 300 km Entfernung geeignet sind.

Folgt: Die größte Herausforderung