Drei Jahre mit einem E-Auto

Die Reichweitenangaben und die Reichweitendiskussionen sind irreführend

Aus meiner Sicht macht die Elektroauto-Industrie mit der derzeitigen Ermittlung und werblichen Verbreitung von maximalen Reichweiten einen großen Fehler. Natürlich beziehen sich wie bei den Verbrennern die Reichweitenermittlungen auf simulierte Fahrzyklen. Und sind damit in der Realität genauso falsch wie die Verbrauchs- und Schadstoffemissionswerte der Verbrenner. Das bedeutet beim Elektroauto in der jetzigen Phase des Marktes nicht nur eine Enttäuschung sondern schlichtweg auch eine Nichtnutzbarkeit des Fahrzeugs für den beim Erwerb angenommenen Nutzungsfall.

Unser i3 hat auch bei optimierter Fahrweise ohne Klimaanlage im Sommer nie die maximale Reichweite der Werbung erreicht. Bei rund 160 km war immer Schluss, meist deutlich vorher. Und im Winter ist eben auch mal bei Nutzung in der Kurzstrecke schon bei unter 70 km Schluss. Was man auch leicht ausrechnen kann, wenn man die nutzbare Batteriekapazität von 18,6 kWh durch den Durchschnittsverbrauch teilt.

Batterien mögen auf dem Stand der heutigen Technik nun mal keine Kälte und so werden die Batterien im Winter mit unterschiedlichen Konzepten „temperiert“. Was aber abseits einer Winternacht an der Ladesäule Spuren in der Reichweite am Folgetag hinterlässt, wie natürlich jeder Stopp und Kaltstart bei mehreren Etappen in der Winternutzung. Offenkundig führen die dafür nötigen Leistungsspitzen auch bei der Reichweitensoftware dazu, dass die Reichweite eben „runtergerechnet“ wird und sich Kälte und kurze Strecken somit aufschaukeln. Der Effekt ist gut zu erkennen, wenn man nach diversen Stop-and-Go-Etappen eine größere Strecke anpackt: Die Reichweite steigt dann wieder deutlich, auch im Winter. Mehr als genug Anlass, um Reichweiten offen differenzierter zu bewerben.

Dennoch gaukeln alle Hersteller den Kunden mittlere Verbrauchswerte und Reichweiten vor, die utopisch sind, vor allem im deutschen Winter. Bitterböse Kommentare auch zum Nissan Leaf oder dem Mitsubishi iMIEV sind schnell im Internet gefunden – eine erhebliche Bürde bei der weiteren Verbreitung der Technik.

Auch ein Tesla S hat bei voller Heizung oder Klimaanlageneinsatz sowie im Winter eine geringere Reichweite, das Fahrzeug kann allerdings die Heizenergie im Verhältnis zu anderen besser „aufbringen“, weil die Batterie an sich wesentlich größer ist als bei den kleineren Fahrzeugen.

Hat ein Kunde aber erstmal die Erfahrung gemacht (und das haben bei den kleinen Elektroautos offenbar schon etliche), dass sein Auto im Winter die nötige Pendelreichweite nicht schafft, dann ist die Enttäuschung riesig und der Streit geht los. Wie Gerichte damit umgehen, wird sich in nächster Zukunft zeigen, hier nur mal „zugesicherte Eigenschaft“ als Stichwort. Aber ich frage mich warum es soweit kommen muss: Warum gehen die Elektroautoanbieter hier nicht in die Offensive und bringen neue, dem Verhalten der Batterien und des Verbrauchs angemessene, realistische Verbrauchsangaben und Reichweiten in den Markt?

Will man in der Elektromobilität schneller vorankommen, erscheint mir das zumindest ein wichtiger Baustein: Glaubwürdigkeit heißt das Zauberwort. Und nicht das Überbieten von in der Realität wohl nicht erreichbaren Reichweiten. Gerade BMW tut sich mit der Ankündigung des neuen i3 mit seinen „bis zu 300 km Reichweite“ keinen Gefallen, denn auch dieses Auto könnte im Winter schnell bei knapp über 100 km landen, wenn die Leistung des Wagens abgerufen wird und gleichzeitig bei kaltem Wetter nach einer Nacht im Freien die Heizung voll anläuft, um erst die Batterie und dann den Wagen zu temperieren.

Ungeachtet des dringenden Hinweises, bei jedem Kauf die Winterreichweite zu erfragen oder auszuprobieren, falls man die angegebenen Werte im Tagesgebrauch unbedingt benötigt, ist die allgemeine Reichweitendebatte vollkommen überzogen – auch ohne Schnellladesäule an jeder Ecke. Achtet man beim Erwerb eines Elektroautos, auf den individuellen Nutzungszweck, dann stellt sich die Frage rasch nicht mehr. Und will man etwas Flexibilität, dann tut ein Batterielader (beim BMW ‚range extender‘) auch gute Dienste, wenn man eben ein kleines Elektroauto haben will. Sonst natürlich der Griff zum Tesla S mit der entsprechend hohen Reichweite – zumal Tesla nun auf seiner Website auch eine Art Reichweitenrechner u. a. mit Sommer/Winter und anderen Aspekten anbietet. Das sollten alle anderen schnell auch anbieten.

Ladesäule für 76,50 Euro

Die „Ladesäule“ für unseren i3 ist eine gewöhnliche 230 Volt-Außen-Steckdose, die neben unserem Stellplatz auf dem Kulturhof unseres Nachbarn durch dessen Elektriker installiert wurde. Diese Dose tut seit gut drei Jahren ihre Dienste und lädt den Wagen auch bei nahezu leerer Batterie über Nacht auf. Ladezeit 8–10 Stunden. Das geht also auch ziemlich einfach und für wenig Geld. Das Konzept wird auch als „low power/low cost“ bezeichnet und kann in Form einer intelligenten Steckdose zur Nutzererkennung an öffentlichen Laternen umgesetzt werden. Für jeden Garagen- oder Car Port-Besitzer bedeutet es aber auch, dass man die eh vorhandene Steckdose zum Elektroauto-Laden nehmen kann – eine finanzielle Hürde weniger. Man kann also auch – wie meine Frau letztens – mit der Kabeltrommel im Kofferraum zu einem Seminarhotel auf dem Land fahren und dort zum Erstaunen der Betreiber den Wagen aufladen. Dort dachte man, dafür auf jeden Fall eine Ladesäule haben zu müssen.

Die Ladesäule für 76,50 Euro ist eine 230 V Außen-Steckdose – sie funktioniert seit drei Jahren zuverlässig.

Ladesäulen oder auch Schnelllader für zu Hause können natürlich das Auto schneller als die gewöhnliche Steckdose aufladen: an den Ladesäulen in Berlin geht das in ca. 3,5 Stunden. Bei BMW steht ein DC-Schnelllader, mit dem binnen 20 Minuten rund 80 % geladen werden können, was auch Tesla mit seinen Superchargern (allerdings nur für Tesla-Fahrzeuge) bundesweit als einziger Hersteller an vielen Autobahnen anbietet. Neben einfachen Steckdosen zu Hause oder verschlüsselten Steckdosen in Laternen oder am Arbeitsplatz bieten die Ladesäulen mit mehr Leistung eine Alternative, wenn man schnell beim Einkaufen oder auf dem Rastplatz den Wagen laden möchte, während man dort z. B. einen Kaffee trinkt.

Unsere Erfahrungen mit öffentlichen Ladesäulen von Vattenfall, RWE/Innogy und The new motion (auf den öffentlichen Ladesäulen in Berlin) sind weitestgehend positiv. Bei Vattenfall habe ich bisher nur einmal erlebt, dass eine auf der zugehörigen Karte im Internet als „frei“ bezeichnete Säule mechanisch beschädigt war und nicht funktionierte. Die Hotline war sofort erreichbar, konnte das aber aus der Ferne nicht beheben. Laden ging an der Säule nebenan dann gut.

Über RWE habe ich mich einmal sehr geärgert: ich habe dort den teuersten Strom meines Lebens gekauft – 1 kWh für fast 4 Euro, da ich das SMS- Laden ohne Karte von RWE ausprobieren wollte. Ging auch, aber nur mit 230 V und wenig Ampere, weshalb sich nach gut zwei Stunden und fast 8 Euro an der Säule in Berlin-Mitte in der Batterie nur knapp 2 kWh angesammelt hatten – immerhin war das dort sehr teure Parken im Preis inbegriffen.

Im Sommer 2015 kam aber auch eine gute Erfahrung mit RWE: Denn die Ladekarte von BMW funktionierte an einer RWE Säule nicht, was die angerufene Hotline mit „die funktionieren nie“ quittierte, um mir dann die Säule mit besten Grüßen von RWE und einem Glückwunsch „Sie haben eine Ladung gewonnen“ freizuschalten. Pioniere müssten ja zusammenhalten, so das Fazit des Ansprechpartners bei der Hotline. Die Karte von BMW habe ich dann zurückgegeben und auch bis heute keine neue geholt, da die Systeme dahinter offenbar noch immer sehr schwach sind.

Folgt: Die Fahrdynamik ist sagenhaft