Klimagrenze rückt näher

Neue Forschungsergebnisse

Im Dezember 2015, am Ende der Pariser Konferenz COP21, kamen die Nationen der Welt im Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen zum Klimawandel überein, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf „deutlich unter zwei Grad“ gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen und entsprechende, nachprüfbare Anstrengungen zu unternehmen. Allerdings wurde „vorindustriell“ nicht definiert.

In der Fachzeitschrift Nature Climate Change warnen Wissenschaftler um Andrew Schurer von der Universität Edinburgh nun: Die Erde könnte der Zwei-Grad-Grenze bereits näher sein als befürchtet – weil die globale Erwärmung schon sehr früh begann. Die Forscher untersuchten die Implikationen unterschiedlicher Festlegungen der vorindustriellen Temperatur-Grundlinie auf die Wahrscheinlichkeit hin, die beiden Temperaturschwellen zu überschreiten. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass für das stärkste Abschwächungsszenario namens „RCP2.6“ und ein mittleres Szenario „RCP4.5“ die Wahrscheinlichkeit, über die Schwellenwerte und den Zeitablauf der Überschreitung hinauszugehen, in hohem Maß von der vorindustriellen Grundlinie abhängt.

Wir haben weniger Zeit als gehofft

Zum Beispiel variiere die Wahrscheinlichkeit des Übergangs von 1,5 °C bis zum Ende des Jahrhunderts unter „RCP2.6“ von 61% bis 88% je nachdem, wie die Grundlinie definiert sei. Im Gegensatz dazu würden in dem Szenario ohne Abschwächung, „RCP8.5“, mit der Definition der vorindustriellen Grundlinie von weniger Bedeutung beide Schwellen fast sicher um die Mitte des Jahrhunderts überschritten. Die zulässigen CO2-Emissionen für die Schwellenstabilisierung seien in ähnlicher Weise stark von der vorindustriellen Grundlinie abhängig. Für die Stabilisierung bei 2 °C sänken die zulässigen Emissionen um bis zu 40%, wenn frühere Klimate als die jetzige des 19. Jahrhunderts als Grundlinie angenommen würden.

Die Forscher errechneten demnach, dass die globale Durchschnittstemperatur zwischen 1400 und 1800 um 0,03 bis 0,19 Grad niedriger lag als gegen Ende des 19. Jahrhunderts. „Entsprechend näher würde die Zwei-Grad-Grenze rücken – vom 1,5-Grad-Ziel ganz zu schweigen, das ohnehin schon praktisch nicht mehr einzuhalten ist. Nun mag das eher eine technische Frage sein; der Klimawandel wird nicht schlimmer, bloß weil es irgendwann kälter war als angenommen,“ schreibt Marlene Weiß in der Süddeutschen Zeitung. Aber es komme auf die Definition an, sagt Jacob Schewe vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK): „Das ist vielen Beteiligten außerhalb der Wissenschaft vielleicht nicht bewusst, oder es herrschen unterschiedliche Vorstellungen darüber.“ Darum sei es spätestens, wenn es um die Berechnung der einzelnen Beiträge gehe, wichtig zu fragen: Worauf haben wir uns eigentlich genau geeinigt?

Ottmar Edenhofer, stellvertretender PIK-Direktor und Leiter des Mercator-Instituts für Gemeingüter und Klimawandel (MCC), warnt denn auch: „Wissenschaftliche Studien zum 1,5-Grad-Ziel weisen ein verbleibendes Budget von etwa 200 Gigatonnen CO2 in der Atmosphäre aus, das in spätestens fünf Jahren aufgebraucht ist“, sagt : „Danach müsste jede Tonne CO2, die aus Schornsteinen, Auspuffen oder entwaldeten Landflächen in die Atmosphäre entweicht, dieser wieder entzogen werden.“

MCC: Verbleibendes CO2-Budget – so schnell tickt die CO2-Uhr

Die MCC-CO2-Uhr am 30.07.2017 um 12.02 – Screenshot © MCC

Das MCC hat eine CO2-Uhr entwickelt und ins Internet gestellt, die veranschaulicht, wie viel CO2 in die Atmosphäre abgegeben werden darf, um die globale Erwärmung auf maximal 1,5 beziehungsweise 2 °C zu begrenzen. Das Pariser Klimaabkommen lasse sich in ein CO2-Budget übersetzen, das immer kleiner wird – so der Begleittext. Konkret: Wenn beispielsweise die 2-Grad-Grenze noch mit einer mittleren Wahrscheinlichkeit nicht überschritten werden solle, dürften zwischen 2017 und 2100 nur noch maximal etwa 760 Gigatonnen CO2 in die Atmosphäre emittiert werden (Stand 1.1.2017.). Doch die Welt emittiere noch immer jährlich 40 Gt CO2 – 1268 t/sec. Und so schrumpfe das verbleibende Budget rapide. Wie wenig Zeit den politischen Entscheidern bleibe, zeige die CO2-Uhr des MCC. Besucher der MCC-Website können nachvollziehen, welche politischen Ziele unter welchen wissenschaftlichen Annahmen zu welchen engen Zeitrahmen für ein konkretes Handeln führen: Es gibt eine optimistische Einschätzung („upper estimate“: es verbleiben noch ca. 940 Gt), ein mittleres („medium estimate“: es verbleiben noch ca. 760 Gt) oder ein pessimistisches Szenario („lower estimate“: es verbleiben noch ca. 390 Gt) der Wissenschaftler auswählen. Es können zudem die entsprechenden Szenarien für die 1,5-Grad- und die 2°-Grenze angeklickt werden. Abhängig von dieser Auswahl wird das noch verbleibende CO2-Budget angezeigt – und die verbleibende Zeit.

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