Zweiter Diesel-Gipfel mit Kommunen im Kanzleramt – Lob und Kritik

BGM Müller: Die Bundeskanzlerin hat gerade gesagt, die Zeit drängt. Das kann man nur unterstreichen. Insofern will ich auch von meiner Seite aus betonen, dass es gut war, dass wir heute zu diesem zweiten Kommunalgipfel zusammengekommen sind. Das letzte Vierteljahr hat uns Zeit gekostet. Es gab auch eine Unsicherheit darüber, wie es mit den Verabredungen aus der ersten Gesprächsrunde nun weitergehen wird, wie sich Förderprogramme konkretisieren und wie die Umsetzungsschritte sind. Dabei sind wir heute ein Stück vorangekommen. Es ist wieder ein weiterer guter Schritt, nicht mehr und nicht weniger. Aber ich denke, dass das sehr nötig war, gerade auch mit Blick auf das, was verabredet werden konnte. Das gilt zum Beispiel im Bereich der Lotsen. Man hat also konkrete Ansprechpartner, um schnell in die Umsetzung und in die Programme zu kommen. Das ist eine wichtige Maßnahme. Wichtig ist auch, dass vonseiten der Bundesregierung noch einmal klargestellt wurde, dass wir durchaus auch über 2018 hinaus denken. Natürlich ist es schwer, dafür konkrete Verabredungen zu treffen – das wissen wir alle -, aber trotzdem ist diese Perspektive wichtig. Denn alle Maßnahmen, die auch in dem Papier festgehalten wurden, sei es die Digitalisierung oder das Umstellen der Busflotte, sind Prozesse, die uns längerfristig beschäftigen werden – im Übrigen auch weit über das Thema der NOx-Belastung in den Städten und von Fahrverboten hinaus. Vermutlich haben wir alle inzwischen in den Städten Klimaziele für 2030, 2040, 2050 verabredet. Dabei spielen die ganzen Umsetzungs- und Erneuerungsschritte auch eine große Rolle.

Wichtig war auch aus meiner Sicht, heute noch einmal festzuhalten, dass wir gemeinsam auch eine große Erwartungshaltung, einen Druck auf die deutsche Automobilindustrie aufbauen. Was wir in den vergangenen Monaten erlebt haben, heißt, dass aus eigenem Antrieb offensichtlich nicht allzu viel passiert. Dabei ist das Thema Elektrobusse nur ein Segment, über das wir reden. Frau Hendricks hat schon angesprochen, dass dabei mehr passieren muss. Damit mehr passiert, gibt es zum Beispiel Verabredungen zwischen den Städten. Hamburg und Berlin haben im vergangenen Sommer verabredet, dass wir ab 2020 gemeinsam nur noch Elektrobusse bestellen werden. Wir hoffen, dass die deutschen Anbieter so weit sind, dass wir auch auf sie zurückgreifen können. Aber es ist klar: Wir werden unsere Flotte umstellen, und wir erwarten dazu die technischen Lösungen. Sollte es auch mit dieser Nachfrage, die, wenn Hamburg und Berlin gemeinsam bestellen, ja ganz beachtlich ist, kein entsprechendes Ergebnis vonseiten der Industrie geben, werden wir uns anders orientieren. Das ist eine klare Ansage.

Ich will ein zweites Segment nennen, das ein Berliner Thema aufgreift. Weil man nicht nur auf andere warten kann, habe ich auch geschaut, was man selbst tun kann. In den unterschiedlichsten Bereichen gibt es große Flotten in den Städten. Schon allein bei den 8000 Taxis in der Stadt könnte man einen entsprechenden Schritt nach vorn machen, wenn es die technische Lösung gäbe. Es gibt auch keine einzige echte Elektrotaxe von deutschen Herstellern, sondern es gibt Hybridangebote, vor allen Dingen von ausländischen Herstellern. Auch an dieser Stelle sieht man, dass technische Lösungen dringend nötig sind und dass sie von unserer Seite aus auch gemeinsam – Bund, Land, Städte – eingefordert werden müssen. Da ist heute auch noch einmal deutlich festgehalten worden.

In diesem Zusammenhang waren mir zwei konkrete Dinge sehr wichtig.

  1. Wenn die Städte selbst aktiv werden wollen, also auch eigene Programme auflegen, die Umrüstung attraktiver machen, die mindestens den Hybrid, wenn nicht sogar wirklich die Elektromobilität ermöglichen, dann soll es in Zukunft möglich sein, Bundes- und Landesprogramme zu kumulieren, sodass sie sich nicht gegenseitig ausschließen. Wir wollen gemeinsam mehr erreichen und schneller werden. Das war mir sehr wichtig.
  2. Ein zweiter Punkt, der zumindest auch geprüft wird, ist, dass wir in irgendeiner Form von Globalsummen oder Pauschalsystematik arbeiten können und uns nicht damit aufhalten müssen, jetzt schon auf die letzte Kommastelle genau Förderanträge schreiben zu müssen, sondern dass zumindest geprüft wird, ob wir – ähnlich wie wir es auch von europäischen Programmen kennen – die konkreten Programme mit einfacheren Finanzmittelzuweisungen an die Städte und die Kommunen eben wirklich schnell umsetzen können.

Ich glaube also, es waren wichtige Schritte, um unserem gemeinsamen Anliegen nachzukommen, Fahrverbote, soweit es eben geht, auch zu vermeiden.

BGM Reiter: Zuerst einmal möchte ich mich bei der Frau Bundeskanzlerin bedanken, dass es auch heute wieder gelungen ist, mit den Kommunen und nicht über die Kommunen zu sprechen, weil ich glaube, es ist absolut notwendig, dass die Kommunen, in denen die Probleme gelöst werden müssen, auch hier mit am Tisch sitzen. Ich bestätige gerne, dass es ein intensives Arbeitsgespräch war, will aber auch nicht verhehlen, dass ich mit den Ergebnissen inhaltlich nicht voll glücklich bin. Ich will ausdrücklich positiv erwähnen, dass das, was heute zum Anfang der Sitzung als Programmentwurf vorgelegt wurde, durch hohe Flexibilität der Bundeskanzlerin und der Bundesregierung in ein Paket umgewandelt wurde, mit dem wir jetzt gut umgehen können. Ich betone auch, dass hinsichtlich des Themas Verstetigung von der Kanzlerin Positives signalisiert wurde, sodass wir davon ausgehen können, dass das nicht ein Einmaleffekt ist. Das finde ich alles sehr positiv. Weniger positiv finde ich, dass wir in Sachen Automobilindustrie, Haltung der Automobilindustrie und Tätigwerden der Automobilindustrie heute nichts Neues erfahren haben.

Die Frau Bundeskanzlerin hat angekündigt, dass es ein Gutachten geben wird, das Anfang nächsten Jahres auch Ergebnisse zeitigen wird. Das sind seit dem letzten Treffen halt schon wieder ein paar Monate, in denen, wie ich jetzt aus Münchner Sicht sagen muss, in Sachen Umrüstung im Grunde nichts passiert ist. Wir haben in München halt das herausragende Problem, dass zwei Drittel unserer NOx-Emissionen von privaten Kraftfahrzeugen verursacht werden, und dafür werde ich mir eine Lösung des Problems, ohne an den eigentlichen Verursacher, nämlich die alten Diesel, heranzugehen, nur schwer vorstellen können. Deswegen liegt mir sehr viel daran, noch einmal klarzustellen, was auch schon der Kollege Müller gesagt hat: Wir müssen, glaube ich, der Automobilindustrie noch einmal ganz deutlich machen, dass entweder freiwillig oder durch gesetzgeberische Verpflichtungen jetzt umgehend eine möglichst wirkungsvolle Nachrüstung der älteren Dieselfahrzeuge erfolgen muss, soweit es technisch geht, damit wir auch kurzfristig in unseren Städten das tun können, was wir alle wollen, nämlich pauschale Fahrverbote zu vermeiden.

Ein weiteres Stichwort sei erlaubt, weil wir gerade von pauschalen Fahrverboten reden: Wir waren uns im Gespräch nicht über das Thema der blauen Plakette einig. Ich bin der Meinung, dass wir eine solche blaue Plakette brauchen, weil wir nämlich – was wir ja selbst gar nicht mehr in der Hand haben, wenn uns die Gerichte zu Fahrverboten verdonnern – zumindest dann, wenn wir eine blaue Plakette haben, nur die Fahrzeuge aussperren können, die wirklich die Hauptverursacher der Emissionen sind. Haben wir keine blaue Plakette, wird es nur mit pauschalen Fahrverboten möglich sein, das zu regeln. Ich denke nicht, dass wir die Zeit haben werden, darüber noch Monate oder gar ein halbes Jahr oder ein Jahr lang zu diskutieren; denn die Gerichte werden – jedenfalls in meiner Stadt, die in der Emissionstabelle ja leider ganz oben steht – uns nicht mehr so viel Gelegenheit geben, darüber nachzudenken.

Deshalb gilt: Wer pauschale Fahrverbote vermeiden will, der muss jetzt relativ schnell handeln. Wir brauchen eine ÖPNV-Umstellung, wir brauchen Unterstützung für den öffentlichen Nahverkehr, wir brauchen sofortige Dieselnachrüstungen und wir brauchen flexible Regelungen für die Kommunen, die dann das dringend notwendige oder von den Gerichten verhängte Fahrverbot auch so gestalten, dass es nicht die Falschen trifft. Jedenfalls insgesamt, wie ich sagen will, bin ich sehr zufrieden, und ich bedanke mich auch für die Ankündigung, dass es ein weiteres Gespräch – dann mit der Automobilindustrie – geben wird.

Folgt: BGM Kuhn